Vorgestern brachte Heise eine Geschichte über das Verschwinden der Plattenläden. Darin zitiert wird mehrfach ein gewisser Daniel Knöll, der in nicht näher benannter Weise mit dem Bundesverband der Musikindustrie verbandelt ist.
Herr Knöll ist mal wieder mit den Platt-Versionen der üblichen Musikindustriesprüche über „Raubkopierer” am Start:
- Warum hat sich der Anteil Plattenläden und Co. am Einzelhandel innerhalb von sechs Jahren mehr als halbiert? Ganz klar: „Dafür gibt es Gründe: Einer ist das Unverständnis der Verbraucher, für Musik zu bezahlen”. Dass es mit Amazon, iTunes oder Saturn mittlerweile auch große Internet-Verkaufsportale für Musik gibt – nein, daran wird das sicher nicht liegen.
- Wieso wird heute dreimal so lange pro Tag Musik gehört als in den 1990er Jahren (45 statt 14 Minuten pro Tag)? Einfache Begründung: „Es wird mehr Musik gehört, aber weniger gekauft. Das liegt daran, dass die Musik sehr oft illegal aus dem Internet bezogen wird”. Na klar! Dass die als Datenstrom vorliegende Musik viel einfacher zu konsumieren ist als die an einen Tonträger gebundene, dass MP3-Spieler, iPods und Musikhandys heute ubiquitär und viel leistungsfähiger als Weiland die Cassetten-Walkmans sind – das hat bestimmt überhaupt keinen Einfluss.
Zwar beschreibt der Artikel durchaus umfassend, wie sich der Musikmarkt ändert und dass die allgemeine Bewegung für Musikaufzeichnungen weg von phsikalischen Tonträgern und hin zum reinen „Datenpaket” verläuft. Unterschwellig wird aber auch hier wieder die böse Raubkopierchimäre positioniert: Plattenläden sterben, weil die Leute sich die Musik kostenlos im Internet besorgen. Leider ist diese Schlussfolgerung mindestens genauso platt wie die Vinylscheiben – immerhin werden im Artikel diverse gesellschaftliche Änderungen beschrieben, die dieses Phänomen verursachen und die samt und sonders nichts mit der nichtkommerziellen Weitergabe von Musikdateien zu tun haben: Generell kleiner werdende Zeitbudgets der potentiellen Käufer, bessere Informationsmöglichkeiten im Internet und schlicht die Verdrängung der (analogen) Schallplatte vom Massenmarkt. Ich erinnere mich an meine eigene letzte Erinnerung zum Thema Technikladengeschäft – auch sowas treibt die Kunden aus den Läden und hin zum verbraucherfreundlicheren Internet.
Stefan Niggemeier hat gerade erst in einem lesenswerten Beitrag Dieter Gorny zerpflückt. Daniel Knöll gehört meines Erachtens in dieselbe Kategorie, auch wenn seine Eloquenz wesentlich begrenzter zu sein scheint. Ich empfehle, einfach mal häufiger weder beim Gorny noch beim Knöll noch bei irgendeinem anderen Musikindustrieladen vorbeizuschauen, sondern stattdessen bei denjenigen Künstlern vorbeizuschauen, die ihre Musik tatsächlich kostenlos weitergeben wollen – es lohnt sich! Wo und wie das geht habe ich ja in diesem Blog bereits geschrieben.
Mein Lieblings-Haushaltswarenladen ist eingegangen. Raubkopierer?
Mein Lieblings-Buchladen ist eingegangen. Raubkopierer?
Der Haushaltswarenladen verschwand weil die meisten Leute ihren Bedarf in Einkaufstempeln wie Karstadt decken, wenn das was sie brauchen nicht sogar im Supermarkt um die Ecke zu finden ist. Für edles Geschirr geht man zu WMF. Für alles andere zu Ketten wie CookMal. Eigenständige Unternehmen mit breitgefächertem Angebot (und ich meine wirklich breit) haben da kaum eine Chance.
Mein Lieblings-Buchladen wurde von der Buchladenkrake Thalia geschluckt und umgehend geschlossen. Auf das wir uns auf das Schmalspur-Angebot Thalias beschränken müssen oder gleich bei Amazon bestellen.
Das Sterben der Plattenläden begann mit WOM. Wer bitte war das letzte Mal zum Musikkauf im Plattenladen anstatt ein paar CDs mitzunehmen wenn man ohnehin bei MediaMarkt oder Saturn bummelt?
Aber man kann ja mal auf die derzeitigen Lieblingsschuldigen deuten.
Pingback: Piratenpartei-News (piratennews) 's status on Friday, 10-Jul-09 08:14:20 UTC - Identi.ca
Unglaublich.
Das liegt wie du auch schon kommentiert hast, besonders nur an den Onlineshops.
Wenn ich mir nämlich mal eine CD kaufe(ja das mache ich bei guter Musik definitiv noch, obwohl ich „Pirat” bin!), mache ich dies auch bei bekannten Onlineshops und das meist mit ein paar anderen Artikeln gleich dazu. So spar ich mir sogar die Versandkosten. All das mach ich da ich aus beruflichen Gründen, da ich auch gar nicht wirklich Zeit habe erst eine halbe Stunde zum Musikladen zu fahren, zu erfahren das die diese CD erstmal gar nicht haben und bestellen müssen, wieder eine halbe Std. zurückfahren und dann später nochmal wieder kommen..
Macht doch kein Sinn.
Naja sind aber wie gesagt wiedermal nur die Raubmordkopierer schuld. 😉