Gerade erst habe ich über die SPD und ihre parteiinternen Findungsprozesse in Sachen Internetsperren geschrieben. Da lese ich von einem Vorstandsbeschluss der selbsternannten Internetpartei. Hier werden „Nachbesserungen” an dem Gesetz gefordert. Konkret sieht das so aus:
- Bevor man Inhalte sperrt, soll immer erst versucht werden, sie zu löschen. Dazu will man das BKA sogar verpflichten.
- Die Sperrliste soll der Kontrolle durch ein unabhängiges Gremium unterliegen.
- Der Datenschutz muss gewährleistet sein. Insbesondere, und das finde ich irgendwie besonders cool, sollen die Stoppschildzugriffsdaten nicht der Vorratsdatenspeicherung unterliegen.
- Das Gesetz soll auf drei Jahre befristet sein und dann evaluiert werden.
Ist das dreist? Die verlangen da irgendwelche „Verbesserungen”, die nichts, aber auch gar nichts ändern:
- Noch immer soll es eine Zensurliste und damit auch die komplette geplante Zensurinfrastruktur geben.
- Noch immer soll das BKA zur Zensurbehörde werden, die ohne wirksame gesellschaftliche Kontrolle über das deutsche Internet wachen soll.
- Noch immer wird die Mär verbreitet, es gäbe keine wirksamen Mittel gegen „Kinderpornografie”.
- Noch immer wird das Internet als so eine Art „rechtsfreier Raum” dargestellt, in dem „rechtswidrige Inhalte besonders schnell verbreitet und anonym […] abgerufen werden” können.
Falls der SPD-Vorstand mit diesem Beschluss die grundsätzlichen Bedenken derjenigen zerstreuen wollte, die gegen das Gesetzesvorhaben sind und z.B. in mittlerweile sechsstelliger Anzahl die entsprechende Petition gezeichnet haben: Der Kandidat hat null Punkte.
Es wird hier kein einziges Stück von dem Vorhaben abgerückt, eine Zensurinfrastuktur für das deutsche Internet zu schaffen. Es wird zudem nach wie vor keinerlei wirksame Kontrolle der Zensoren eingebaut. Es wird bei Lichte betrachtet überhaupt nichts am Kern der von-der-Leyenschen Ungeheuerlichkeiten geändert. Das ist doch alles Mist.
Liebe SPD, nochmal zum mitmeißeln: In eurem Duktus ist die Lösung nicht „Erst löschen, dann sperren”, sondern „Löschen statt sperren”. Internetsperren sind in jeder Form bürgerrechts- und grundgesetzwidrig. Die Sperrung des Zugriffs verhindert keinen einzigen Missbrauch eines Kindes. Das ist alles schon lang und breit von Menschen aufgedröselt worden, die höchstwahrscheinlich sogar mehr Ahnung vom Internet haben als ich – mehr Ahnung als ihr haben die auf jeden Fall.
Ihr habt das alles noch nicht verstanden. Deshalb lassen wir aber trotzdem nicht von euch unsere Verfassung kaputt machen. Von euch nicht!
Hinweis: Der Vorstandsbeschluss war seinerzeit unter „www.spd.de/de/pdf/090613_pvbeschluss.pdf” verfügbar, ist aber mittlerweile entfernt worden. Schade.
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Das übliche Vorgehen. Man macht ein bürgerfeindliches Gesetz. Kommt Widerstand in die Gänge, macht man einige Zugeständnisse an irrelevanten Detailfragen. Oder versucht die öffentliche Diskussion in Teilstränge aufzuspalten, zu denen man hier oder da ein Zugeständnis oder eine Kompromisslösung vorschlägt – „Kommt ja alles nicht so schlimm“.
Strategie: Erst eine Maximalforderung stellen und sich dann „runterhandeln“ lassen. Wie bei Tarifverhandlungen, wo auch erst mal das Doppelte von dem gefordert wird, was man anstrebt und am Ende meist auch bekommt.
Eine grundsätzlich falsche Idee wird so aber nicht richtiger.
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