Für ein „Logistikzentrum” eines internationalen Internet-Versandhandelsunternehmens ist ein Standort unweit des hannoverschen Messegeländes in die engere Wahl gekommen. Was sage ich zu diesem Projekt und der Bürgerinformationsveranstaltung, die dazu stattgefunden hat?
Zunächst mal: Gut, dass es diese Bürgerinformation gegeben hat. Und auch gut, dass das zu dem Zeitpunkt passiert ist. Eigentlich ist das ein geradezu „piratiges” Vorgehen, auch wenn ich nicht so vermessen bin, zu vermuten, das hätte irgendwas mit uns zu tun… 😉 Dass seitens der Bürger ein großes Interesse besteht, war angesichts des picke-packe-vollen Saales unübersehbar. 400 Leute waren da und ich vermute, gestern abend mussten noch viele, viele Stühle wieder in alle möglichen Ecken des Annastift zurückgebracht werden. Die Öffentlichkeit ist jetzt jedenfalls informiert.
Die Informationen zum aktuellen Zeitpunkt über das Projekt sind lückenhaft. Das wissen Politik und Verwaltung selbst und reden gar nicht um den heißen Brei herum. Damit werden gewisse kritische Nachfragen zwangsläufig in die Zukunft verschoben. Es wird spannend zu sehen, wie sich das „Logistikunternehmen” zu den Themen „Lohn” und „Arbeitsplatzumfeld” äußern wird – wenn es denn kommt.
Ein paar Dinge sind mir gestern aufgefallen, die ich versuchen werde, im Auge zu behalten:
- Es wurde ja sehr oft betont, dass das Verfahren ergebnisoffen geführt werden soll. Insofern bin ich gespannt, wie Politik und Verwaltung mit begründeten Einwänden umgehen, die sich nicht so ohne Weiteres auflösen lassen.
- Über den Ausbau der Lärmschutzwände wurde zwar gesprochen, zur Finanzierung aber nichts gesagt. Insbesondere nicht, wenn sich die Notwendigkeit der Verstärkung erst zwei Jahre später rausstellt.
- Auch zum Grundwasser wurden keine Fragen gestellt und keine Aussagen gemacht. Da bin ich auf die jetzt laufenden Untersuchungen gespannt.
- Die Aussagen zum Verkehrskonzept bei Messean- und ‑abreiseverkehr fand ich – nunja – nicht besonders nachvollziehbar. Ich bin mir auch nicht sicher, ob da wirklich ein Problem existiert: Letztlich sind ja nur die abgehenden Transporte zeitkritisch. Die sind tendenziell eher später am Tag und da ist – wenn es denn so ist – Messe-Rückreiseverkehr (Maßnahme „R”), durch den die Transporter unproblematisch auf den Messeschnellweg kommen. Kritisch ist eigentlich nur „Maßnahme A”, bei der der direkte Weg vom Kronsberg zu den Autobahnen im Norden blockiert ist – aber das ist nur morgens der Fall. Nichtsdestotrotz müsste hier nochmal genauer erklärt werden, wie der Verkehr denn nun laufen soll.
- Zu den Sorgen um die Lautstärke und den Verkehr: Sorry, ich kann das einfach nicht wirklich nachvollziehen. Der Messeschnellweg ist zwar manchmal voll, aber ist die einzige Möglichkeit, ampelfrei und direkt von den Autobahnen zum Kronsberg zu kommen. Das professionelle Spediteure da in großem Stil auf irgendwelche „Schleichwege” ausweichen – ich kann’s mir nicht vorstellen. Die kostenlosen Mitarbeiterparkplätze hingegen halte ich in diesem Zusammenhang hingegen für durchaus nötig und sinnvoll.
- Und man muss deutlich sagen: Auch jetzt herrscht längs der Emmy-Noether-Allee keine Grabesruhe. Das ist die direkte Zufahrt vom Messeschnellweg nach Bemerode und zum Kronsberg. Ich würde mal tippen, dass da jetzt schon so 200 Autos pro Stunde tagsüber lang fahren. Es wird also zwar mehr, aber nicht so unendlich viel mehr, wie das bei einigen Ängsten von Anwohnern empfunden wird.
Alles in allem erscheinen mir persönlich die angenommenen Risiken oder „Beeinträchtigungen”, die mit diesem Logistikzentrum einher gehen sollen, überschaubar. Die vielen neuen Jobs für die Region Hannover hingegen bietet große Chancen. Zudem kann eine solche Ansiedlung auch auf andere Wirtschaftszweige belebend wirken – wo viele Autos unterwegs sind, gibt es auch einen größeren Bedarf an Dienstleistungen rund herum. Ich stehe dem Ansiedlungsprojekt zum aktuellen Zeitpunkt aufgeschlossen gegenüber und bin gespannt darauf, was nun die eingeleiteten Gutachten für Resultate bringen.
Ich nehme aber auch ausdrücklich für mich in Anspruch, dass sich meine Einschätzung noch ändern kann. Wie sagten die Verantwortlichen der Stadt so schön: Es ist ein ergebnisoffener Diskussionsprozess. Das sehe ich auch für mich so.
Sehr geehrter Herr Hillbrecht,
klar, wer in die Verästelungen der Kommunalpolitik hineinsteigt, hat möglicherweise nicht mehr die Zeit, jeden Tag seinen Blog zu pflegen. Andererseits – was nutzt das Versprechen der Piraten im Wahlkampf, für mehr Transparenz sorgen zu wollen, wenn dann doch wesentliche Fragen unbeantwortet bleiben.
Bitte missverstehen Sie das jetzt nicht als „Rumgeblaffe” aber ich möchte bezogen auf Ihre Aussage, „Deshalb müssen bei solch einem Projekt selbstverständlich auch die Anforderungen dieser Fortbewegungsart berücksichtigt werden und hier sind kostenfreie Firmenparkplätze ein sehr adäquates Mittel, die Fahrzeuge am Gelände zu halten und nicht über einen weiteren Umkreis zu verteilen.”, doch ganz gerne Klarheit haben, wo ich dran bin mit den Piraten. Und es wäre mir sehr lieb, wenn sie über ihre ureigenste Position hinaus auch die der Partei skizzieren könnten, falls es dort eine einheitliche Position gibt zu der Frage, die mir hier auf dem Herzen liegt.
Um auf einen vergleichbaren konkreten Vorgang hinzuweisen, zitiere ich hier aus einem jüngeren Artikel der HAZ: „Die Parkkarte (für firmeneigene Stellplätze) bekommen die Stadtwerke-Mitarbeiter allerdings nur, wenn sie ein Jobticket der Zone 3 oder 4 abonnieren, das 35 bis 42 Euro monatlich kostet. „Wir wollen damit zur Wahl umweltfreundlicher Verkehrsmittel anregen.”
Sie können den ganzen Artikel über die Parkgewohnheiten der Stadtwerkemitarbeiter rund um die Stammestraße in voller Länge hier nachlesen:
http://www.haz.de/Hannover/Aus-den-Stadtteilen/West/Stadtwerke-Mitarbeiter-parken-Strassen-zu
Zusammenfassung in Kürze:
Das Anreizangebot der Stadtwerke an ihre Mitarbeiterinnen und ‑mitarbeiter, den ÖPNV zu nutzen, heißt: Firmenparkdeck-Zugangsberechtigung nur gegen Kauf einer verbilligten Monatskarte, die auch am Wochenende mit der Familie genutzt werden kann! Und dieses Prinzip wird ad absurdum geführt, wenn Anwohner einer Firmenansiedlung verlangen, dass die Mitarbeiter auf dem Firmengelände kostenlos parken können müssen.
Wie stehen die Piraten nun zur Frage kostenlose Firmenparkplätze?
Machen sich die Piraten tatsächlich dafür stark, dass Firmenmitarbeiter, die mit dem Auto (hohe Umweltbelastung, hohe Zahl an Verkehrstoten, hoher Flächenverbrauch) zur Arbeit fahren, dafür auch noch mit kostenlosen Parkplätzen belohnt werden, weil diese Mitarbeiter andernfalls drohen, die Umgebung der Firma zuzuparken und damit die Anwohner auf die Palme treiben? Entschuldigen Sie – aber sind das nicht wirklich „Piraten-Methoden”?
Entschuldigen Sie bitte nochmals, aber diese Nebenbemerkung mocht’ ich Ihnen am Ende nicht ersparen. Interpretieren Sie sie bitte als kleine Neckerei und nicht als „Rumgeblaffe”.
Mit freundlichen Grüßen Schorsee
Guten Abend,
die Position der Piratenpartei Hannover zur Verkehrspolitik können Sie in unserem Kommunalwahlprogramm nachlesen, insbesondere in den Kapitel „Stadtentwicklung” und „Verkehrspolitik”. Ansonsten ist meinerseits alles bereits gesagt. Inwieweit es sinnvoll ist, einen Parkplatz im Gegenzug für den Kauf einer Dauerkarte für den ÖPNV zu vermieten, erschließt sich mir nicht zwingend. Das preislich günstigste, in vielen Bereichen flexibelste und gesundheitlich förderlichste Fortbewegungsmittel ist sowieso das Fahrrad – bloß dass damit nicht alle Mobilitätsbedürfnisse befriedigt werden können. Ich bilde mir nicht ein, Sie durch noch so gute Argumente von Ihrer Fundamentalopposition zum Auto als Fortbewegungsmittel abbringen zu können, deshalb werde ich es gar nicht erst versuchen. Die Position der Piratenpartei ist eine solche Fundamentalopposition aber nicht. Viele Grüße, Dirk Hillbrecht
Sehr geehrter Herr Hillbrecht,
Sie schreiben, der öffentliche Raum gehört allen und dass das Autofahrer als gleichberechtigte Nutzer mit einschließe. Wie kommt es aber, dass Autofahrer deutlich mehr öffentlichen Raum für sich in Anspruch nehmen als Menschen die beispielsweise mit dem Fahrrad mobil sind, oder die mit dem ÖPNV mobil sind?
Ihre Behauptung, bei Autofahrern handele es sich um gleichberechtigte Nutzer des öffentlichen Raumes kann ich nicht nachvollziehen.
Konkret bezogen auf das geplante Logistikzentrum gehen Sie sogar so weit, dass sie kostenlose Firmenparkplätze mit der Begründung fordern, dass es die autofahrenden Mitarbeiter davon abhalte, einen kostenpflichtigen Firmenparkplatz zu meiden, um stattdessen lieber in der Umgebung zu parken. (Wo aber die Anwohner was gegen haben.)
Nun die Kosten, die entstehen, sowohl für den Parkplatz in der Umgebung als auch für einen auf dem Gelände wird in jedem Falle von der Gemeinschaft getragen und damit auch von den Leuten, die mit dem ÖPNV oder dem Fahrrad kommen und sehr viel weniger Öffentlichen Raum (bzw. Firmen-Parkraum) nutzen.
Wie können Sie da von „gleichberechtigter Nutzung” sprechen? Die einen zahlen und die anderen nutzen trifft es wohl eher!
Sehr geehrter Herr Hillbrecht, Sie schreiben:
„Die kostenlosen Mitarbeiterparkplätze hingegen halte ich in diesem Zusammenhang hingegen für durchaus nötig und sinnvoll.”
Warum halten Sie es für notwendig und sinnvoll, dass ein Unternehmen kostenlose Mitarbeiter-Parkplätze anbietet?
Oder anders herum gefragt, warum sollten Mitarbeiter eines Unternehmens, die mit dem Auto anreisen, kostenlos auf dem Firmengelände parken dürfen, während Mitarbeiter, die mit dem ÖPNV anreisen keine adäquate Vergünstigung bekommen?
Schon mal über Job-Ticket nachgedacht?
Siehe auch: http://de.wikipedia.org/wiki/Jobticket
Das Prinzip: Nur diejenigen Mitarbeiter, die ein ÖPNV-Jahresabo erwerben, erhalten die Möglichkeit kostenlose Parkplätze auf dem Firmengelände in Anspruch zu nehmen. Selbstverständlich ist hier auch die Stadt bzw. die Region in der Pflicht, kostenfreies Parken in der näheren Umgebung des Logistiktentrums zu unterbinden!
Oder ist es den Piraten etwa recht, wenn ganz in „Piraten-Manier”, der öffentliche Raum von Blechkisten geentert wird? Dass ist nämlich das Ergebnis der ohnehin schon hoch subventionierten Anfahrt zur Arbeit mit dem Umweltverschmutzer und Subventionenverschlinger Nummer Eins, dem Auto. Oder glauben Sie etwa den Märchen von Tante Merkel, die uns weismachen will, dass Mineralöl- und KFZ-Steuer nicht nur den gesamten Straßenbau, die Straßen-Instandhhaltung, Verkehrsmangementzentralen, Winterdienste, unfallbedingten Verdienstausfälle etc., etc. finanziert, sondern darüberhinaus noch einen beträchtlichen Teil des übrigen Staatshaushaltes?
Machen Sie und die Piraten sich für eine Förderung des ÖPNV stark? Und kommen Sie mir jetzt bitte nicht mit freier Fahrt in Bussen und Bahnen für alle. Der ÖPNV verschmutzt bei gleicher Personentransportleistung zwar deutlich weniger die Umwelt als der MIV (=Motorisierter Individualverkehr) und der ÖPNV nimmt deutlich weniger Platz in Anspruch, aber auch für den ÖPNV gilt: Es gibt keinen Grund die Menschen ans Herumgefahre zu gewöhnen, denn das ist auch im ÖPNV nicht ganz ohne Umweltbeeinträchtigung zu haben.
Bislang bietet die Piratenpartei zu dieser Thematik keine glaubwürdigen und zukunftsträchtigen Ideen. Im Gegenteil: Die Versuche, die Grünen in Mobilitätsfragen als Autospaß-Bremser und Bevormunder zu brandmarken nähren den Verdacht, die Piraten werden in dieser zukunftsweisenden Frage der Mobilität unserer Gesellschaft lediglich von einer infantile Neigung zum Rumgerase geleitet.
Wie sollte auch sonst jemand auf die Idee kommen, kostenlose Mitarbeiterparkplätze für sinnvoll zu halten?
Lieber anonymer Kommentator,
ich würde Sie bitten, Ihren Ton zu mäßigen und sich kurz zu fassen. Ich mag solch Rumgeblaffe nicht in meinem Blog.
Ansonsten kann man durchaus das eine tun ohne das andere zu lassen. Die sehr gute ÖPNV-Anbindung wurde wiederholt als wichtiges Argument für den Standort ins Felde geführt. Insofern ist ein Jobticket sicherlich sinnvoll und wird im weiteren Prozess Thema werden.
Nichtsdestotrotz wird es immer Situationen geben, in denen motorisierter Individualverkehr die einzige sinnvolle Möglichkeit ist, ein Mobilitätsbedürfnis zu befriedigen. Deshalb müssen bei solche einem Projekt selbstverständlich auch die Anforderungen dieser Fortbewegungsart berücksichtigt werden und hier sind kostenfreie Firmenparkplätze ein sehr adäquates Mittel, die Fahrzeuge am Gelände zu halten und nicht über einen weiteren Umkreis zu verteilen. Um diese Befürchtung ging es auch im Rahmen der Diskussion.
In der Tat stehe ich voll hinter der verkehrspolitischen Position, die die Piratenpartei zur Kommunalwahl definiert hat: Der öffentliche Raum gehört *allen*. Das schließt Autofahrer ausdrücklich als gleichberechtigte Nutzer mit ein. Anders als Sie versuche ich nicht, verschiedene Verkehrsträger gegeneinander auszuspielen. Eine Politik, die das in Ihrem Sinne versucht, würde ich nicht mittragen.
Viele Grüße,
Dirk Hillbrecht