Ich habe gestern meinen Austritt aus der Piratenpartei Deutschland erklärt. Dieser Schritt ist das Ende eines langen Weges, immerhin war ich fast elf Jahre Mitglied der Partei, war ein Jahr Bundesvorsitzender, ein Jahr Vorsitzender „meines” Regionsverbandes und habe fünf Jahre im Rat der Stadt Hannover im Namen der Piratenpartei gesessen. Und nun ist Schluss. Für alle Interessierten, aber auch für mein „späteres Ich”, schreibe ich hier die Gründe nochmal auf.
Zunächst habe ich mich ja schon im Dezember 2015 zu dem Thema geäußert. Im Zusammenhang mit der Aufstellung von Kandidaten für die – damals zukünftige – Kommunalwahl 2016 habe ich mein Nicht-Antreten begründet. An der Situation hat sich nichts in Positive verändert: Die inhaltliche Beliebigkeit ist weiter vorangeschritten. Schlimmer noch: Zu den mittlerweile massiven Grund- und Bürgerrechtseinschränkungen im Zuge der Terrorhysterie ist von der Piratenpartei nichts zu hören und zu sehen.
Insbesondere gilt aber weiterhin das Nachhaltigkeitsproblem, das ich damals ebenfalls schon beschrieben habe: Würde die Piratenpartei wieder hör- und sichtbar, hätte sie wieder langfristige, gesellschaftlich relevante politische Konzepte, gäbe es keine Mechanismen, die die destruktiven Prozesse der Jahre 2012 bis 2014 verhindern würden. Letztlich waren es diese destruktiven Prozesse, durch die sehr viele Menschen mit wirklichem politischen Gestaltungswillen aus der Partei vertrieben, bzw. in vielen Fällen regelrecht rausgeekelt, wurden. Die jetzige politische Blutleere ist auch eine Spätfolge von damals.
Genau dieser destruktiven Prozesse wegen und der ungelösten Frage des Umgangs mit ihnen habe ich schon letztes Jahr beschlossen, nicht wieder für die Piratenpartei für ein Mandat zu kandidieren. Ich habe diesen Entschluss keine Sekunde bereut. Das Problem stellt sich aber nicht nur für öffentliche Mandate, sondern auch für die parteiinterne Arbeit. Ich sehe keinen Sinn darin, mich in diesem Umfeld zu engagieren – wohlbemerkt: Nicht weil ich die vertretenen Inhalte falsch fände, sondern weil ich durch die jahrelang verschleppten Probleme der innerparteilichen Strukturen eine übergeordnete nachhaltige inhaltliche Arbeit in der Piratenpartei schlicht für unmöglich halte.
Ich sehe die Piratenpartei heute als gescheitertes Projekt. Die zentralen Ideen der frühen Jahre in Sachen „digitale Mitbestimmung” konnten nicht umgesetzt werden; der erbitterte Streit um „Liquid Feedback” hat der Partei schon 2010 immensen Schaden zugefügt. „Netzpolitik” ist mittlerweile auch kein Alleinstellungsmerkmal mehr – dass das wichtig ist, wissen die anderen politischen Kräfte mittlerweile auch. Wie können die technischen Neuerungen „rund ums Internet” in eine freiheitlich-demokratische Gesellschaft integriert werden? – Das ist momentan eine offene Frage. Die Piratenpartei beteiligt sich an Antwort aber weder nach innen noch nach außen wahrnehmbar. Neue Ideen oder Konzepte kommen von ihr auch nicht – wie denn auch, wenn – siehe oben – so viele von den einstmals aktiven guten Köpfen weg sind.
Persönlich habe ich meiner Zeit in der Piratenpartei auf jeden Fall einiges zu verdanken. Sei es auf den verschiedenen Posten, auf denen ich tätig gewesen bin, sei es im daraus folgenden Umgang mit den verschiedensten Medien. Ich habe bemerkenswertes Intrigantentum und unglaubliche Dummheit kennengelernt und dass Menschen sich in den seltensten Fällen ändern – noch seltener zum Guten.
Ich habe aber auch einige wirklich tolle Menschen durch die Piratenpartei kennengelernt. Hier wünsche ich mir und hoffe ich, dass unsere Kontakte bestehen bleiben – genauso wie ich immer noch Kontakt zu vielen Menschen habe, die vor mir ausgetreten sind. Wie ich an anderer Stelle bereits schrieb: Natürlich will ich auch weiterhin als zutiefst liberaler und freiheitlich-bürgerlich denkender Mensch meine Grundeinstellungen in der Politik vertreten wissen.
Mal sehen, wohin es mich treibt. Für den Moment sage ich:
Bye-bye, Piratenpartei
Lieber Dirk, ich weiß nichts über dich, aber vielleicht doch ein Wort zu deinem Austritt. So sehr dich deine letzten Worte ehren, so gleicht es sich doch bei jedem Austritt. Die Partei macht dies nicht, das und das funktioniert nicht, die Anderen .… pipapo. Das überzeugt mich nicht. Du bist die Partei, wenn du dich engargierst. Wenn der Wille schwindet, ok, Auszeit oder was Anderes. Völlig ok. Aber DU bist derjenige, der seinen Platz nicht mehr findet. Hättest du etwas mehr über dich erzählt, wäre ich bei dir. Du zeigst aber hauptsächlich auf Andere. Das ist dünn. Alles Gute Wieland
Wenn du diesen Beitrag – und gerne auch viele andere in diesem Blog – gelesen hättest, könntest du viel über mich erfahren. Stattdessen ein solches „Deine Schuld”-Schablonenposting abzusetzen ist nicht wirklich überzeugend…
Ich kann das was du sagst, nachvollziehen.Ich kann auch verstehen, dass man von Menschen und Abläufen in einer Partei so enttäuscht Ist, dass man diese Partei verlässt. Was ich nicht so nachvollziehen kann, ist die Nabelschau die die Austretenden regelmäßig betreiben. Warum nicht denen, die weiterarbeiten freundlich alles Gute wünschen? Warum diese Abgesänge und akribisches Auflisten, was alles blöd war und ist? Warum nicht einfach leise „Tschüss” sagen und gehen. Natürlich sollte man seinen Weggefährten persönlich die Gründe mitteilen, aber muss es immer die Öffentlichkeit sein? Ist dieses Verhalten nicht gerade Das, was den Piraten immer so geschadet hat? Jeden Streit, jede Meinungsverschiedenheit, jeden Austritt mit viel Getöse öffentlich führen? Schreibst du jetzt ein Buch? Gibst du jetzt Interviews? Egal wo dein Weg hinführt, ich wünsche dir alles Gute. Aber geh den Weg leise und mit Anstand.
Liebe Grüße
Heike (Pirat seit 2009)
Die Anwürfe sind fehl am Platze. Ich nehme mir die Freiheit, meine Meinungen und meine Erfahrungen so zu publizieren, wie ich es für richtig halte – zumal hier in meinem Blog. Und wenn du meine Äußerungen hier als extrovertiert oder effektheischerisch ansiehst, dann hast du von dem, was in der Piratenpartei seit deinem angegebenen Mitgliedschaftsbeginn geschehen ist aber auch so wirklich gar nichts mitbekommen. Insofern der gut gemeinte Rat: Schau mal genauer hin.
Mein lieber Dirk, ich verstehe voll und ganz deine Entscheidung. Mir ging es vor einigen Jahren genauso. Hierzu könnte ich ein Buch über die Probleme welche die Piratenpartei sowie in Deutschland als auch in Griechenland letztendlich zum Scheitern verurteilen schreiben. Allgemein lässt sich das aber so umschreiben. Das AlleinstellungsMerkmal Basisdemokratie und direkte Demokratie wurden voll verfehlt. Dafür implementierte die Partei systemkonforme sprich Parteiprogramme die letztendlich einer repräsentativen Demokratie dienlich sind und entsprechend die Basis um die direkte Demokratie entkräften.
Mit kollegiale Grüßen
Giorgio Mariotti
Gründer PP GR
Hallo Dirk,
schade, dass es für Dich nun so endet. (zumindest vorerst) Danke für die angenehme Zusammenarbeit im Rat.
Auch andere Parteien sind nicht immer einfach. Nach dem „Diesel-Gipfel” gestern musste ich mal wieder an den alten Gag denken, dass sich die Bundesregierung als NGO registrieren lassen müsste…
Alles Gute,
Lars