Nachdem das Bundesverfassungsgericht der Vorratsdatenspeicherung einen Riegel vorgeschoben hat, kommen jetzt wieder die besonders dämlichen Argumente. Eine schöne Sammlung davon findet sich heute bei Welt Online. Da wäre zunächst der Bund Deutscher Kriminalbeamter, BDK, dessen Vorsitzender folgendes artikuliert:
Der Vorsitzende des Bundes Deutscher Kriminalbeamter, Klaus Jansen […] mahnte eine schnelle Neuregelung an. […] In zwei von drei Fällen sei die Polizei bei ihren Ermittlungen inzwischen auf Vorratsdaten angewiesen. sagte Klaus Jansen. In der „Passauer Neuen Presse“ ergänzte er: Es müsse nun schnell ein Gesetz auf den Weg gebracht werden, „das uns als Kriminalisten wieder handlungsfähig macht“.
Herr Jansen hat offensichtlich nicht den Funken einer Ahnung, über was er da herumschwadroniert. Ich fände es jedenfalls verwunderlich bis besorgniserregend, wenn die Polizei bei zwei Drittel aller Ermittlungen auf Daten zugreift, die laut Verfügung des Bundesverfassungsgerichts nur „mit Genehmigung eines Ermittlungsrichters und im Zusammenhang mit schweren Straftaten” verwendet werden dürfen – zumal auch dann nur, wenn „ein durch Tatsachen begründeter Verdacht vorliegt, und andere Ermittlungsmöglichkeiten wesentlich erschwert oder aussichtslos sind.” (Zitate: Wikipediaartikel „Vorratsdatenspeicherung”)
Übertroffen wird diese Einlassung noch durch die Nichtargumente des Vorsitzenden der Gewerkschaft der Polizei:
[Der GdP-Vorsitzende Konrad] Freiberg verwies darauf, dass die Telefonverbindungsdaten etwa bei den Ermittlungen gegen die terroristische „Sauerland-Gruppe“ eine wichtige Rolle gespielt hätten.
Bei Herrn Freiberg ist offensichtlich das Raum-Zeit-Kontinuum in gehörige Unordnung geraten. Wie sonst kann er den Zugriff auf die sogenannte „Sauerlandgruppe” am 4. September 2007 als Argument für die Vorratsdatenspeicherung bringen, die doch erst am 1. Januar 2008 gestartet ist. Das ist dumm, dreist und in höchstem Maße verlogen. Tatsächlich wäre das nämlich ein schlagendes Argument dafür, dass sich auch Terroristen aufdecken lassen, ohne dass man zur Generalüberwachung der Bevölkerung greifen muss.
Die Herren Polizeifunktionäre argumentieren arrogant und faktenbefreit. Man kann dies nicht laut und häufig genug sagen. Die in dem Welt-Artikel ebenfalls zitierte Justizministerin hat da schon ganz recht:
Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger betonte in den ARD-„Tagesthemen”, auch bis Juni 2008, als es noch keine Vorratsdatenspeicherung gab, seien sehr erfolgreich Straftaten verfolgt worden. „Hier muss keiner Sorge haben, dass wir jetzt in eine Sicherheitslücke schliddern.”
Schreibt’s euch hinter die Ohren, ihr Lautsprecher!
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Die Politiker und Funktionäre in unserem Land glauben allen Ernstes, wer am lautesten brüllt, habe recht. Ich kann nur hoffen, dass das Volk sowas anders und richtig interpretiert. Hier noch was zum Thema: http://www.guedesweiler.wordpress.com
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Die Aussage des Vorsitzenden des Bundes Deutscher Kriminalbeamter finde ich – wenn sie von ihm denn tatsächlich so getätigt worden ist und nicht von den Medien aus dem Sinnzusammenhang gerissen wurde – wirklich erschreckend. Sie ist für mich sehr enttäuschend.
Anscheinend hat Herr Jansen leider wirklich keine Ahnung, wovon er da redet, wenn er behauptet, dass bei zwei Drittel der Ermittlungen auf die Vorratsdatenspeicherung zurückgegriffen werde. Er weiß anscheinend nicht, wie die normale alltägliche Arbeit bei den örtlichen Polizeidienststellen und auf den Revieren aussieht. Vielleicht mag diese Aussage bezüglich der Kriminalpolizei sogar stimmen, denn die Kriminalpolizei bearbeitet nur die schwerere Kriminalität. Nimmt man jedoch die Arbeit der „normalen” Polizei dazu, bleiben davon vielleicht noch maximal 10 bis 20 Prozent übrig. Okay, sie blieben, denn jetzt ist vorübergehend erst mal Feierabend damit … 😉
Die Aussage des Vorsitzenden der Gewerkschaft der Polizei hingegen ist übrigens wohl gar nicht verkehrt. Sie passt nur absolut nicht in den Sinnzusammenhang. Es stimmt wahrscheinlich, dass Telefonverbindungsdaten bei den Ermittlungen gegen die terroristische Sauerland-Gruppe eine Rolle gespielt haben. Es handelte sich aber sicher nicht um solche aus einer [seinerzeit noch nicht vorhandenen] Vorratsdatenspeicherung, sondern um solche aus gezielten und richterlich genehmigten Einzel-Überwachungsmaßnahmen. Gegen diese hat sicher auch kein rechtschaffender Bürger was, solange die Richter die Fälle mit der notwendigen Sorgfalt prüfen.
Ich finde es natürlich richtig und wichtig, dass wirkliche Straftäter auch im Bereich des Internets und über die/bei der Nutzung anderer Telekommunikationsdienste effektiv verfolgt werden können. Dafür muss die Polizei auch technisch auf der Höhe der Zeit ist, um den Tätern „Paroli” bieten zu können. Dem ist leider in vielen Fällen alleine von der Ausstattung der Polizei nicht so.
Aber: Wer glaubt denn im Ernst, dass richtige Schwerkriminelle noch nichts von Anonymisierdiensten undsoweiter gehört haben. Die richtigen „Profis” im Verbrecher„gewerbe” werden heute bestimmt nicht mehr offen über das normale Telefon oder über das Internet miteinander kommunizieren. Es lassen sich von Profis zwischenzeitlich selbst falsche Telefonnummern erzeugen. Außerdem kann man natürlich auch mit geklauten oder ausländischen Handys kommunizieren. Und anonym über das Internet kommunizieren können ja schon normale EDV-Profis ohne jegliche kriminelle Absichten. Das heißt, über die Vorratsdatenspeicherung findet man am Ende wahrscheinlich überwiegend Kleinkriminelle und nur selten die wahren „Profis” und Schwerverbrecher.
Die Vorratsdatenspeicherung gehört daher abgeschafft, und zwar dauerhaft. Ich bin in einer Diktatur (DDR) geboren und ich möchte in circa 50 – 70 Jahren in einem freiheitlichen, offenem und demokratischen Staat sterben – nicht in einem Polizeistaat, der dem System „DDR” immer näher kommt.
Wenn man die Vorratsdatenspeicherung in Teilen wirklich haben will, dann ist es umso wichtiger kleinere Straftaten und Ordnungswidrigkeiten von einer Verfolgung über diesen Weg auszunehmen. Dies klingt zwar erstmal etwas seltsam, komisch und ungewöhnlich, ist aber sehr wichtig für eine funktionierende Demokratie und eine freie Kommunikation.
Sonst traut sich Herr Meier nicht mehr, seinen Freund, den früheren Rechtsanwalt Herrn Müller anzurufen und ihm am Telefon zu erzählen, dass er Fahrerflucht begangen hat und ihn zu fragen, was er jetzt tun soll …
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