Die Prismwellen schlagen immer noch hoch. Mit Kalkül – so vermute ich – werden alle 2 – 3 Tage neue Einzelheiten über die Späh- und Überwachungsstrukturen westlicher Geheimdienste gegen ihre eigenen Staaten bekannt. Und ich vermute weiter, dass da auch noch einiges kommt.
Und die Piratenpartei? Ich meine, wie war das? „Stärkung der Bürgerrechte”, „Freiheit im Internet”, vor allem aber „Transparenter Staat statt transparenter Bürger”??? Damit sind wir doch mal angetreten, oder? Damit haben wir uns gegen die Vorratsdatenspeicherung gestemmt, gegen Zensursula, gegen ACTA. Aber das ist doch alles nur Krümelkacke gegen das, was da momentan öffentlich wird. Westliche Geheimdienste schnüffeln westlichen Gesellschaften schrankenlos hinterher. Keiner weiß Genaues – es sind ja Geheim-Dienste. Ich sage: Das untergräbt die Bürgerrechte, das untergräbt die Freiheit im Internet und es ist das Sinnbild für „Transparenter Bürger statt transparentem Staat”. Es ist der exakte Gegenentwurf zu den politischen Zielen der Piratenpartei.
Und die Piratenpartei? Ok, die Demo am Samstag. 200 Teilnehmer. Und alle so: Yeah! Und sonst? Hm. Mal nachdenken. … (Stimme aus dem Off: „Streng dich an, Dirk!”) Hmmmmmm.… („Fester!”) Öööööhhhmmmmm… („Noch fester!”) … Öffff. Ich weiß nicht. 🙁 Also, ok, wenn ich auf der Webseite nachschaue, dann lerne ich etwas von einem „6‑Punkte-Plan” für ein freies Netz. Das kleine Problem: Dieser „6‑Punkte-Plan” kommt auf Nicht-Piraten-Seiten nicht vor. Und wie heißt es so schön? „Pics or it didn’t happen.”
Darüber hinaus? Ich lehne mich mal aus dem Fenster: Nichts. Keine Analysen, keine Kommentare, keine Forderungen. Keine Anklagen, keine Aufrufe, kein Protest. Nichts. Jedenfalls nichts, was irgendwie in die öffentliche Berichterstattung durchdränge.
Woran liegt’s? Nun, schauen wir mal weg von der Partei im Ganzen hin zu ihren Mitgliedern. Zu den „Köpfen”, denen, die es einfacher haben, in der Öffentlichkeit wahrgenommen zu werden. Bernd Schlömer zum Beispiel. Er ist der Bundesvorsitzende. Und in der Tat – Bernd hat sich geäußert. In einem Blogartikel mit dem schönen Titel: „Verloren im #Neuland”. Er beginnt mit
Es wirkt ein wenig belustigend
und endet mit
Liebe Bundestagsparteien, machen Sie einfach mal etwas und empören Sie sich nicht andauernd. Ihre Politik nervt langsam.
Schlömer! Mann! „Belustigend”??? Ich verrat’ dir jetzt mal ein Geheimnis: Wir sind auch eine politische Partei. Wir machen das, weil die anderen das seit Jahren nicht hinkriegen. Wir wollen das ändern. Und übrigens wollen wir auch in den Bundestag.
Du bist der Boss von dem Laden hier. Was ist das für ein Signal, wenn der Bundesvorsitzende der Piratenpartei die anderen Parteien auffordert, was „zu machen”? Ohne zu schreiben, was wir selbst machen und fordern. Ich finde: Ein schlechtes. Zumal wenn es um ur-ur-eigenste Piratenprogrammatik geht. Sozusagen die Kernzone von #Neuland. Und dann wir so: „Hey, das ist voll nich’ gut so, macht doch mal was, ihr anderen.”
???
Die anderen sind auch nicht ergiebiger: Sebastian Nerz: 1 Blogartikel, 0 Kommentare, seit 2013-06-22 nix. Markus Barenhoff: 1 Youtube-Video. Tonqualität wie in ’ner Konservendose. Erwähnungen in der Presse: Null. Das sind zumindest die Ergebnisse meiner (NSA-überwachten?) Google-Recherche. Wenn ich falsch liege, korrigiert mich gerne.
Ok, Katta. Die Frau hält das Thema hoch, sie macht das gut. Aber ist es wirklich die Strategie des Bundesvorstandes, die gesamte Öffentlichkeitsarbeit in Sachen „Prism” bei Katharina Nocun abzuladen? Ja, sie ist politische Geschäftsführerin. Aber mal ehrlich: Angela Merkel schickt auch nicht Klaus Schüler vor, um die Prism-Position der CDU unters Volk zu bringen. (Wobei: Viel schlechter könnte der es auch nicht machen…) Zudem: Kattas Thema ist der Datenschutz. „Prism” ist aber meines Erachtens im Kern kein Datenschutzproblem, sondern berührt unsere Gesellschaft viel umfassender.
Also, lieber Bundesvorstand, was soll diese wahrgenommene Nichtbefassung mit dem Thema? Ich war auch mal Bundesvorsitzender, ein bisschen kenne ich das Spiel: Die Journalie interessiert immer, was der Boss sagt. Alle unterhalb des Bosses sind Beiwerk, egal wie gut sie fachlich sind. Klingt komisch, is’ aber so. Warum sagt der Boss nichts?
Prism betrifft gleich mehrere zentrale Anliegen der Piratenpartei. Alle anderen Parteien agieren gehemmt. Sie sind angesichts ihrer früheren Aktionen und Äußerungen nur so mittelglaubwürdig. Es ist Sommerloch. Es sind Wahlen. Wo ist die Piratenpartei? Wo ist Bernd Schlömer?
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Das Problem ist nicht Bernd Schlömer. Der und die anderen machen nur das, was man ™ bei den Piraten vom Vorstand erwartet: Verwalten, nichts sagen, Maul halten.
Für öffentliche Verlautbarungen leistet man sich eben bestenfalls den PolGef. Das unterscheidet die Piraten von anderen Parteien. Eben nichts von Order di Mufti.
Bei gewissen Themen ist das sicher auch gut so. Und ein schönes Alleinstellungsmerkmal. Allerdings gebe ich Dir in diesem Fall recht. Solche Themen, die absoluter Konsenz in der Partei sind, müssen vom 1V auch offensiv vertreten werden dürfen. Es sollte ihm erlaubt sein – und vielleicht kommt dann ja mal was.
Die Zurückhaltung von Herrn Schlömer zu diesem Thema könnte natürlich auch beruflich bedingt sein.
In dem Fall, dass das beruflich bedingt ist, wäre Herr Schlömer falsch auf dem Posten, auf dem er sitzt. Wenn der Vorsitzende einer Partei mit Rücksicht auf seinen Arbeitgeber sich zu den Kernthemen und Forderungen seiner Partei nur sehr zurückhaltend äußern kann, dann läuft etwas verkehrt, und zwar so richtig.
Glaube ich auch nicht. Aber ich stimme Dirk uneingeschränkt zu: wir müssen lauter werden. Von oben nach unten und von unten nach oben. Gerade jetzt, wo uns diese Kernthemen so frei Haus serviert werden.
Ach was, „beruflich bedingt”.
Auf die Bitte „verbreitet mal bitte antiprism.de”
https://twitter.com/AntiPrismDemo/status/350652816420896769
kam nur ein lapidares:
„Wir haben gestern schon für die Demo geworben.” von BuBernd
https://twitter.com/BuBernd/status/350297432531271682
Das ist schwach, das ist lächerlich, das ist unwürdig.
Hier und da darf man nachfragen, ob der Beruf des Herrn Bundesvorsitzenden der Piratenpartei ihm tatsächlich inhaltliche Freiheit lässt und wessen Herr er eigentlich ist.
Insbesondere auch nach seinem Treffen mit Kissinger, über welchen seit gestern via Telepolis / Heise zu lesen ist:
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Eine bemerkenswerte Machtposition realisierte auch der Sicherheitsberater Henry Kissinger, lange Zeit praktisch einziger Leser der von den US-Geheimdiensten an das Weiße Haus geschickten Berichte. Nach Ausscheiden aus dem Staatsdienst gründete der Stratege die Beratungsfirma Kissinger Associates. Wer gute Geschäfte machen will, scheint beim nach wie vor exzellent verdrahteten Strippenzieher Kissinger bestens aufgehoben zu sein. Woher der vormalige Alleinherrscher über die US-Geheimdienste für seine betuchte Kundschaft Wirtschaftsinformationen bezieht, kann nur vermutet werden.
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https://twitter.com/telepolis_news/status/351667551887040512
http://www.heise.de/tp/blogs/6/154543