Zum heutigen Heiligen Abend öffnet sich das letzte Türchen des Nahverkehrs-Adventskalenders. Und wie bei den Schoko-Weihnachtskalendern, die an diesem Tag ja auch das größte Stückchen Schokolade herausrücken, gibt es auch hier nochmal einen besonders umfangreichen Eintrag. Und auch denjenigen, der am weitesten von Deutschland wegführt: Wir besuchen Rom. Oder genauer: Ich habe Rom besucht. Alle nachfolgenden Fotos sind im August 2009 entstanden. Meines Wissens hat es seither aber keine durchgreifenden Änderungen oder Erweiterungen des beschriebenen Zustandes gegeben.
Neben einem sehr umfassend ausgebauten Stadt- und Schnellbussystem verfügt die 3‑Millionen-Metropole Rom sowohl über ein U‑Bahn- als auch über ein Straßenbahnnetz. Beide sind klassisch voneinander getrennt. Die Straßenbahn war, ähnlich wie in vielen deutschen Städten, über Jahrzehnte ein Stiefkind des öffentlichen Verkehrs, wird aber seit etwa Anfang der 1990er Jahre wieder ausgebaut, wenn auch zögerlich. Die U‑Bahn besteht 2009 aus zwei Linien, die sich am Hauptbahnhof in der Innenstadt kreuzen. Wir werfen nun einen Blick auf beide Netze.
Die Straßenbahn von Rom
Das römische Straßenbahnnetz verläuft im gesamten römischen Stadtgebiet. Es ist aber sehr – nunja – grobmaschig. Genau genommen besteht es aus nur sechs Linien, von denen zwei weitgehend gebündelt als Halbmesserlinien einige Stadtteile im römischen Osten erschließen, eine nur eine relativ kurze Stichstrecke im Norden darstellt und eine bereits seit 2004 wegen Fahrzeugmangel und/oder fortgesetzter Bauarbeiten mit Bussen bedient wird. Es bleiben die Linie 19, die zwar das ganze Stadtgebiet durchfährt – nicht jedoch am Wochenende. Und die Linie 8, die als einzige konsequent mit modernen Niederflurfahrzeugen befahren wird. Das obige Bild zeigt ein Fahrzeug dieser Linie in der Nähe des Bahnhofes Trastevere.
Linie 8 ist die neuste Linie des Netzes. Im Außenbereich ist sie quasi auf der Trasse einer früheren Straßenbahnstrecke wiedererrichtet worden. Im Stadtzentrum endet sie momentan auf der Via di Torra Argentina am Corso Vittorio Emanuelle II. Diese Straße würde sich für eine Direktverbindung zwischen Hauptbahnhof und Vatikan anbieten, bislang gibt es aber noch keine konkreten Planungen, auch hier eine Straßenbahn aufzubauen und mit ihr die Buslinien zu ersetzen, die stattdessen momentan hier verkehren. So endet die Straßenbahn an einer Stumpfendstelle mitten in der römischen Innenstadt.
Durch die sehr grobe Stuktur des Netzes gibt es nur wenige Verknüpfungspunkte. Der einzige „echte” Knotenpunkt ist an der Porta Maggiore, wo sich immerhin vier Linien treffen und die als Kreisverkehr angelegten Schienen alle Äste miteinander verbinden. Der Schienenkreis durchfährt das historische Viadukt der Porta Maggiore, was für interessante Motive sorgt. Auf dem Bild sieht man einen Wagen des italienischen Herstellers Socimi, der als Fahrzeug anfang der 1990er Jahre durchaus innovativ war, von dem aber nie so viele Fahrzeuge in Betrieb waren wie ursprünglich geplant
Der am dichtesten befahrene Ast des Netzes führt von der Porta Maggiore nach Osten. Auf dem Bild ist die erste Haltestelle östlich der Porta Maggiore auf der Via Prenestina zu sehen. Die Straßenbahn hat hier einen eigenen Bahnsteig, der typisch für Rom nur per ampellosem Zebrastreifen zu erreichen ist. Das Fahrzeug gehört zur ältesten noch in Betrieb befindlichen Bauserie und ist mittlerweile über 60 Jahre alt. Im Hintergrund sieht man die aufgeständerte östliche Umgehungsschnellstraße um das Stadtzentrum, die hier zweistöckig geführt wird, damit die Via Prenestina von Osten komment in beide Richtungen an die Ringstraße höhenfrei angeschlossen werden kann. Hier befinden sich auch die zwei Depots des Netzes, in denen die Bahnen gewartet und abgestellt werden.
Das Straßenbahnnetz in Rom ist für die Größe der Stadt eher unterdimensioniert. Dass die modernste Linie nur als Halbmesserlinie betrieben wird und eine der längsten Linien seit Jahren als Dauer-Schienenersatzverkehr mit Bussen bedient wird, ist eher befremdlich. Allerdings dürfte der Fortbestand des Netzes einstweilen gesichert sein. Und wer weiß, vielleicht kommen ja irgendwann in der Zukunft mal die nötigen Netzerweiterungen, die die Straßenbahn wieder zum leistungsfähigen Verkehrsträger für die inneren Stadtbereiche Roms machen.
Das römische U‑Bahnnetz
Und nun zu etwas ganz anderem: Wir wechseln zur U‑Bahn. Diese besteht wie beschrieben aus zwei Linien, die unabhängig voneinander betrieben werden. Ältester Abschnitt ist der südliche Teil der heutigen Linie B vom Hauptbahnhof „Termini” durch was Weltausstellungsviertel „E.U.R.” nach Laurentina.
Der Südast der Linie B verläuft nur zu einem Teil unterirdisch. In diesen Bereichen sind die Stationen als Gewölbe mit Seitenbahnsteigen aufgebaut, wie hier am Termini zu sehen. Die römische U‑Bahn verkehrt im Linksverkehr, was angesichts ihrer vollständig unanhängigen Verkehrsführung kein Problem darstellt, aber trotzdem ein wenig gewöhnungsbedürftig ist. Oben im Bild ist die Fahrgastinformation zu sehen. Da die Endpunkte für jeden Bahnsteig eindeutig sind, bleibt als wichtigste Information die Zeit bis zur Ankunft des nächsten Zuges. Diese wird auf den Anzeigen in Minuten heruntergezählt.
Die Linie B wurde 1990 in den Nordosten Roms verlängert. Das Bild zeigt einen der typischen Züge der Linie mit seinem recht heruntergekommenen Erscheinungsbild. Die römische Metro ist ein sogenanntes „geschlossenes System”, das heißt beim Betreten ist das Passieren von Sperren obligatorisch. Die Endstation in Rebibbia ist dabei so aufgebaut, dass das Abfahrtsgleis Richtung Süden auch für ankommende Züge genutzt werden kann. Über eine Weichenverbindung vor der Station ist so ein Kurzwenden direkt am Bahnsteig möglich. Bei dem von mir beobachteten 10-Minuten-Takt wurde das durchgängig so gehandhabt.
Aus diesem Grund ist die Abstellanlage hinter der Station auch verwaist: Hier würden ansonsten die Bahnen die Fahrtrichtung wechseln. Dies ist übrigens auch die Abstellanlage, in der im Dezember 2010 in einem U‑Bahnzug eine halbfertige Bombe gefunden wurde. Offensichtlich wird dieser Bereich also durchaus genutzt, wenn mehr Verkehr ist. Im August 2009 war mir das nicht so ganz klar.
Die römische U‑Bahn ist natürlich auch für Touristen ein wichtiges Verkehrsmittel, sie verläuft unter anderem in der Nähe des Vatikans, am Colosseum, natürlich über den Hauptbahnhof und stellt eine Verbindung zum Bahnhof Ostiense mit den Vorortzügen zum Lido di Ostia her. Auf dem Bild fährt ein Zug morgens um kurz nach zehn am gut gefüllten Bahnsteig der Linie B am Termini ein.
Die Metrolinie A wurde in ihrem zentralen Abschnitt in einem Rutsch gebaut und 1980 bereits als Durchmesserlinie eröffnet. Seither hat es nur im nördlichen Abschnitt noch zwei Erweiterungen gegeben. Der durchgängige Bau hat eine große architektonische Strenge gefördert: Alle Stationen in der Innenstadt wurden (wie der gesamte Tunnel) gebohrt und haben einen Mittelbahnsteig zwischen zwei Gleisröhren. Die Außenwände sind mit Blechplatten verkleidet und in mehr als einer Station hört man dahinter Wasser plätschern. Die abgebildete Station „Repubblica” unter der Piazza della Repubblica zeigt dabei den Zustand aller Stationen. Insgesamt sind die Stationen eher dunkel und wirken durch die mittig liegenden Auf- und Abgänge ein wenig verwinkelt.
Die gesamte Linie A verläuft unterirdisch mit einer Ausnahme: Der Tiber wird auf einer Brücke überquert. Das Bild zeigt diese Brücke von der Fußgängerüberführung auf der östlichen Tiberseite aus. Der Zug rechts im Bild ist auf dem Weg nach Osten am Vatikan vorbei und dann zum Vorort Battistini. Es handelt sich hierbei um einen grundsätzlichen anderen Fahrzeugtyp als auf der Linie B. Die Züge der Linie A sind weiß, graffitifrei, im Inneren vollständig durchgängig (wie zum Beispiel die Baureihe H der Berliner U‑Bahn) und ganz offensichtlich neueren Datums als ihre Kollegen auf der Linie B.
Nach 30 Jahren Nutzung sind insbesondere die innerstädtischen Bahnhöfe der Linie A stark heruntergekommen und sanierungsbedürftig. Im August 2009 ist dies bei einer Station bereits passiert: Manzoni präsentiert sich frisch renoviert mit weißen Wänden, hellem Boden und hell glänzenden Außenwänden an den Gleisen. Auch die Rolltreppen und Fahrstühle sind in dem neuen Look gehalten. das ganze wirkt wesentlich freundlicher als die noch nicht renovierten Stationen.
Es stünde der Metro sicher gut zu Gesicht, wenn auch die übrigen Stationen der Linie A eine entsprechende Frischzellenkur bekämen. Die Stationen außerhalb der Innenstadt sind in einem wesentlich besseren Zustand, aber alle Stationen haben ein völlig einheitliches Design ohne jede individuelle Note oder architektonischen Kniff. Es wird spannend sein zu beobachten, ob bei der Sanierung der Stationen spezielle Gestaltungsmerkmale Einzug halten.
Rom ist ja sowieso immer eine Reise wert. Dieser kleine Reisebericht zeigt, denke ich, dass das insbesondere auch zutrifft, wenn man sich nicht nur für Geschichte und historische Relikte interessiert, sondern auch für so profane Dinge wie den städtischen Personenverkehr. Von Deutschland aus ist Rom gut per Flugzeug oder – wenn man will – per Nachtzug zu erreichen. Letztlich ist das Verkehrsmittel aber eigentlich egal, denn wie wir ja wissen, führen sowieso alle Wege dorthin…
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Zum Schluss
Dies war nun der letzte Beitrag meines „Nahverkehrs-Adventskalenders”. Es war ein Experiment für mich; zum einen, ob ich es denn nun schaffe, täglich einen entsprechenden Artikel zu schreiben und zum anderen, ob es irgendjemanden gibt, der diese Artikel auch liest. Ersteres kann ich klar mit „ja” beantworten: Jeden Tag waren die Artikel pünktlich fertig und mit einer Ausnahme habe ich sie immer um neun Uhr freigeschaltet. Und es gibt auch deutliche Zeichen, dass sich der eine oder andere Leser und sogar Stammleser gefunden hat. Neben einigen Kommentaren hier im Blog oder auf Twitter habe ich auch persönliche Rückmeldungen bekommen und die eine oder andere Anregung für Folgebeiträge hier im Blog bekommen. Zudem sind die Zugriffszahlen auf das Blog seit der Adventskalender-Artikelserie merklich und konstant angestiegen.
Also, liebe bekannte und unbekannte Leser: Ich hoffe, ihr hattet ähnlich viel Spaß beim Lesen der Arikel wie ich beim Schreiben. Die Artikel bleiben hier im Blog verfügbar und so kann es ja durchaus sein, dass sich auch in Zukunft der eine oder andere Leser hierher verirrt. Auch diesen sei an dieser Stelle ein „Herzlich Willkommen!” zugerufen.
Die Reise durch 24 deutsche und europäische Nahverkehrsnetze ist nun abgeschlossen. Es lohnt sich aber sicher, auch in Zukunft dann und wann hier vorbeizuschauen. Neben Politik wird das Verkehrswesen und insbesondere der ÖPNV auch weiterhin thematischer Schwerpunkt dieses Blogs sein. Da bin ich jedenfalls ziemlich sicher – schließlich ist es ja mein Blog. Fürs Erste wünsche ich aber uns allen schöne und unfallfreie Weihnachten und einen rein metaphorischen Guten Rutsch ins neue Jahr!