Nein, kein Tippfehler. Ich räume gerade umfangreich auf und da ist mir dieser Bericht der von mir besuchten Veranstaltung „Tag des geistigen Eigentums” aus dem Jahr 2009 in die Hände gefallen, den ich hier gerne nochmal im Blog veröffentliche. Ich weiß nicht mehr, zu welchem Anlass ich das ursprünglich geschrieben hatte, bis auf die Links habe ich aber nichts verändert. Bitteschön:
Die Veranstaltung des BDI zum „Tag des geistigen Eigentums” fand dieses Jahr [also 2009] am 24.4. statt, da der eigentlich von der WIPO ausgerufene 26.4. auf einen Sonntag fällt. Insgesamt barg die fünfstündige Veranstaltung wenig Neues. Kernthemen der Diskussionen und Vorträge waren vor allem Produktpiraterie, Pharmapatente und die Bestrebungen zur Einrichtung einer europäischen Patentgerichtsbarkeit. Das Thema „Softwarepatente” wurde nicht direkt angeschnitten.
Die Panelteilnehmer und Einzelreferenten iterierten wieder und wieder die sattsam bekannten Mantras: Nur der Schutz geistigen Eigentums fördert Innovation, illegales Downloaden von Musik und anderen Kulturwerken bringt die Künstler um ihren Lohn, Patente sind prima. Weitestgehend unwidersprochen blieb die in verschiedenen Worten mehrfach geäußerte Ansicht, das Patentwesen bzw. die Schutzrechtsysteme allgemein dienten ausschließlich den Rechteinhabern, sie seien die einzigen „Teilnehmer des Systems”.
Höhepunkt und Abschluss der Veranstaltung war die Verleihung der Preise an die Gewinner des Schülerwettbewerbs „Ideenliebe”. Unter der Schirmherrin Zypries (die – weil ich China – nicht anwesend war) hatte hier der BDI Schulklassen aufgerufen, sich darüber Gedanken zu machen, warum gestiges Eigentum schützenswert sei. Schon in der Anmoderation wurde klar, wie das zu verstehen ist: „Das Abschreiben von Hausaufgaben ist ja auch Verletzung geistigen Eigentums.” So zeigten denn die fünf prämierten Beiträge auf verschiedene Weisen, wie böse Rechtsverletzer sich arme Ideen unter den Nagel rissen und die Rechteinhaber anschließend ideenfrei dastanden. Während der Gewinnerbeitrag das Szenario in einer pragmatischen Weise enden ließ („Ey, sorry Mann, tut mir Leid, war doof.”), wählte der drittplatzierte eine eher realistische Variante („887 Euro inklusive Anwaltskosten”).
Alles in allem hatte die Veranstaltung etwas surreales und war eher in der Tradition von „Margot Honecker prämiert die besten Gedichte an den Sozialismus” denn von kritischer Beschäftigung mit der Sache. Allerdings gab es hier ja auch keine FDJ-Ehrennadeln zu gewinnen, sondern diverse Naturalien und Einkaufsgutscheine von Adidas, eine Adidas-Werksbesichtigung (mit Einkaufsgutscheinen) und als Hauptgewinn schicke weiße Fahrräder mit Abus-Schloss (sozusagen als Schutz ncht-geistigen Eigentums), leider überhaupt nicht StVO-konform.
Ich bezweifele zwar, dass solche Indoktrinationsmaßnahmen an Schülern nachhaltige Wirkung zeigen, trotzdem sollte man sich überlegen, hier mal passend gegenzusteuern und Alternativen zur „Geistiges Eigentum”-Mühle in die Schulen zu tragen.
Ansonsten sind bei mir eher so ein paar Details hängengeblieben, die aus der Masse der immer gleichen Einlassungen (siehe oben) herausragten:
In beiden Panels, die ich besucht hatte, wurden die Teilnehmer nicht müde zu betonen, dass ein europaweit einheitliches Schutzrechtsregime nötig ist, um die Reche auch tatsächlich effektiv durchsetzen zu können. Deshalb ist auch der Europäische Patentgerichtshof unbedingt nötig. Immer wieder wurde dabei aber auch gesagt, es gehe natürlich nur um die „guten” Patente und die „echten” Innovationen. Das Problem der Patenttrolle und Trivialpatente schwebte so immer wieder im Raum, freilich ohne dass man näher darauf einging, wie man denn nun Gutes von Schlechtem trennen wollte. Eines der Kernprobleme der ganzen europäischen Patentproblematik ist halt, dass man seit Jahren immer nur über den juristischen und administrativen Überbau des Patentwesens spricht, das substanzielle Patentrecht – die Frage, was denn eigentlich patentiert werden kann – aber kategorisch außen vor lässt.
Einziger kritischer Geist im Panel über die Patentgerichtsbarkeit war Prof. Harhoff. Nur von ihm gab es Aussagen, dass Patente eben nicht nur aus der Sicht der Patentinhaber betrachtet werden müssen, sondern dass man auch die „andere Seite” berücksichtigen müsse und die Auswirkungen, die die Monopolansprüche auf Forschung und Gesellschaft allgemein haben. So ganz überzeugt schien er nicht von den Einlassungen, die geplante europäische Patentgerichtsbarkeit hätte ja ein klar definiertes Einspuchs- und Nichtigkeitsverfahrensrecht, aber in der Kürze der Zeit wurde das im Rahmen des Panels nicht weiter erörtert.
In verschiedenen Zusammenhängen gab es Sorge über eine Entwicklung, dass Streitigkeiten über geistige Eigentumsrechte zunehmend „privat” unter Ausschluss der Öffentlichekeit verhandelt würden. Beispiele waren diverse Patentstreitigkeiten, die nicht mit einem Urteil endeten, sondern mit unveröffentlichten bilateralen Absprachen oder auch der momentan in den USA laufende Streit zwischen Google und diversen Verlegern über die Digitalisierung von Büchern. Bei letzterem läuft der Vorgang darauf hinaus, dass Google eine am Urheberrecht vorbei gehende Einigung mit den Verlegern erzielt und sich so quasi auf „privatem” Wege und ohne dass Staat oder Öffentlichkeit eine Einflussmöglichkeit haben die Nutzungsrechte sichert.
Sehr interessant war zudem eine Erläuterung über den weiteren Fahrplan für das europäische Patentgericht von (meine ich mich zu erinnern) Claude Rakovsky von der GD Wettbewerb der EU-Kommission. Momentan befinden sich die Vertragsentwürfe immer noch in den Verhandlungen, das Hauptproblem sind, wie schon seit Jahren, die Sprachen: Was passiert, wenn ein – sagen wir mal – deutscher Patentinhaber vor einem rumänischen Gericht verklagt und die Verhandlung auf rumänisch geführt wird? Sollte hier Einigkeit erzielt werden (aktuelle Überlegungen gehen in Richtung maschinelle Übersetzung), müsste der gesamte Vertragsentwurf allerdings erstmal dem Europäischen Gerichtshof vorgelegt werden, der dann prüft, ob die Einrichtung einer europaweiten Gerichtskammer auf der Grundlage eines zwischenstaatlichen Abkommens überhaupt rechtlich möglich und erlaubt ist. Man scheint sich in der EU-Kommission den Zeithorizont Ende 2010 gesetzt zu haben, d.h. dass das Projekt nach aktuellem Stand scheitert, wenn es nicht spätestens durch die belgische Ratspräsidentschaft in der 2. Hälfte 2010 auf den Weg gebracht wird.
Mein Highlight aber der Vortrag von Francis Gurry, immerhin Generaldirektor der WIPO. Sein Vortrag begann schon mit der klaren Aussage, dass das gesamte System des geistigen Eigentums momentan unter Druck von außen steht. Unter anderem in Bereich der Musik sieht er das Phänomen, dass es im Jahr 2008 einerseits 40 Milliarden „illegale” Musikdownloads gegeben habe, die es ohne die neuen digitalen Datennetze und Techniken nicht gegeben hätte, andererseits die Musiker aber eben genau diese neuen Techniken selbst mit Begeisterung einsetzten. Eigentlich existiert hier also ein Markt. Die von ihm in den Raum gestellte Frage: Ist das ganze jetzt ein rein juristisches Problem, bei dem man die unerlaubten Downloads gerichtlich bekämpft, oder haben wir es hier mit einer fundamentalen Änderung zu tun, wie ein Kulturgut verbreitet wird und wie vor allem seine Produktion finanziert werden kann. Seine selbst gegebene Antwort weist klar auf die letztere Schlussfolgerung hin und sein Fazit in dieser Sache war, dass man wohl doch nochmal grundsätzlich über dieses Problem nachdenken muss.
Und das vom Generaldirektor der WIPO. Ich war beeindruckt.