Gestern war ich – mal wieder – im Bezirksrat Bothfeld-Vahrenheide. Im Rahmen der Bezirksratssitzung fand dort eine Anhörung zum Thema „Hochbahnsteige” statt. Bothfeld wird in Nord-Süd-Richtung durch die Stadtbahnlinie 9 erschlossen und alle fünf Haltestellen im Stadtteil sind noch ohne Hochbahnsteig. Über diese wenig erbauliche Situation und die Pläne zu ihrer Verbesserung wollte der Bezirksrat sich durch Vertreter von Region und üstra informieren lassen.
Christian Weske vom Fachbereich Verkehr der Region Hannover gab einen Überblick. 70% der Stadtbahnhaltestellen sind mittlerweile barrierefrei, es fehlen aber immer noch so ca. 50 – 60 Haltestellen im gesamten Netz. Da die Region etwa 1 Mio EUR pro Bahnsteig trotz Fördergeldern dazusteuern muss, sind nur 2 – 3 Bahnsteige pro Jahr finanzierbar. Da jeder Hochbahnsteigbau mit Vorbereitung und Durchführung etwa 4 Jahre dauert, gibt es zudem noch lange Vorlaufzeiten für die Bauvorhaben.
Unter all diesen Umständen wird es den ersten Hochbahnsteig in Bothfeld wohl erst im Jahr 2017 an der Kurze-Kamp-Straße geben, 2020 könnte die Endstation umgerüstet werden (die dafür komplett umgebaut werden muss, und um 2020 bis 2022 Bothfelder Kirchweg, wobei diese Baumaßnahme mit der Grundsanierung der Trasse in der Sutelstraße zusammenhängt. Das sind jedenfalls die Zeiträume, mit denen die Verwaltung im Nahverkehrsplan 2014 – 2019 arbeitet, der nach der Sommerpause vorgestellt wird und dann bis Anfang/Mitte 2014 durch die Gremien läuft.
Die Bothfelder Abgeordneten und Bürger waren – nunja – so mittelbegeistert. Der hohe Anteil älterer Einwohner wurde erwähnt, die die Stadtbahn gar nicht nutzen können und so die Fahrgastzahlen (die auf dem Bothfelder Ast relativ niedrig sind) geringer als möglich ausfallen lassen. Die Ballung von Alten- und Behinderteneinrichtungen rund um die Haltestelle „Bothfeld” ließ die Frage aufkommen, ob diese Station nicht eigentlich viel wichtiger sei. Und „Bothfelder Kirchweg” zeichnet sich bislang durch das völlige Fehlen eines Bahnsteigs aus – die Fahrgäste steigen auf der Straße aus. Auch die ebenfalls geladenen Anhörungsgäste Frau Hamann, die Behindertenbeauftragte der Stadt Hannover, sowie Frau Stadtmüller, die Vorsitzende des Seniorenbeirats, äußerten sich in diese Richtung.
Herr Weske führte nochmal aus, dass Reihenfolge der Haltenstellenumrüstung sich nach verschiedenen Kriterien richtet: Neben der Fahrgastfrequenz spielen unter anderem auch die Entfernung zur nächstgelegenen barrierefreien Haltestelle, die Erreichbarkeit öffentlicher Einrichtungen und die Umsteigebeziehungen und Infrastruktur vor Ort eine Rolle. Deshalb soll die zentral gelegene Kurze-Kamp-Straße mit Einkaufsmöglichkeiten und P+R‑Parkplatz auch den Anfang machen.
Mein Eindruck: Es ist kompliziert. Seit Beginn der 1990er Jahre werden die oberirdischen Stadtbahnhaltestellen barrierefrei umgerüstet. Dieses Projekt funktioniert nur langfristig und kommt es zwangsläufig dazu, dass Haltestellen oder Haltestellengruppen länger nicht umgerüstet werden als andere Haltestellen. Bothfeld hat da leider gerade besonderes Pech, aber mein Eindruck ist, dass sich an den Zeitplänen nach aktuellem Stand nur wenig ändern lässt. Jeder Bahnsteigumbau, der in Bothfeld vorgezogen würde, würde anderswo im Stadtgebiet einen Umbau nach hinten schieben. Der langsame Fortschritt bei den Bahnsteigumbauten ist ja auch auf fehlende finanzielle Mittel zurückzuführen – und ein Mehr an Geld ist nicht abzusehen.
Andererseits sind die nächsten 9 – 12 Monate die Gelegenheit, die Planungen zu beeinflussen. Der Nahverkehrsplan wird in allen politischen Gremien behandelt und gibt die generelle Planungsrichtung für den Nahverkehr vor – also auch die Planungsreihenfolge für die Hochbahnsteigbauten. Mit guten Begründungen könnten Bezirk und Stadtrat durchaus Prioritätenänderungen einbringen, die mehr oder frühere Hochbahnsteige nach Bothfeld bringen. Auf die Diskussionen des Nahverkehrsplans freue ich mich schon – ganz unabhängig von Bothfeld.
Ein wenig merkwürdig fand ich übrigens den Tagungsort des Bezirksrats: Der Kirchsaal der Freien evangelischen Gemeinde Hannover. Diese besteht aus „Menschen, die an Jesus Christus glauben und durch ihn Frieden mit Gott und neues Leben empfangen haben” – so die Webseite. Nun kann man zu Glaube und Religion stehen wie man will, aber kommunale Beschlussgremien sollten zu kirchlichen (und anderen weltanschaulichen) Einrichtungen eine – freundliche – Distanz wahren. Sie sind eben für alle Menschen da, unabhängig von deren Glaube und Weltanschauung. Einen Raum mit unübersehbarem großen Kreuz im vorderen Bereich finde ich da mindestens grenzwertig. Sollten die sechs fehlenden Bezirksratsmitglieder – diese Anzahl schien den Bezirksbürgermeister zu erstaunen – auch auf Grund dieses Tagungsortes der Versammlung fern geblieben sein, wäre das ein deutliches Signal, sich in Zukunft wieder an weltanschaulich neutralen Orten zu treffen.
hallo,
aufgrund der Bauvorhaben an der Burgwelder Str. /Hilligenwöhren ist das Angebot , an der Kurzen Kamp Strasse einen ersten Hochbahnsteig einzurichten sicher gut. Eine Nachbarin muss bisher mit dem Rollstuhl vom Auguste-Ravenstein-Weg bis zur Noltemeyer-brücke bzw. Spannhagenstrße fahren, um am öffentl. Nachverkehr teilnehmen zu können; das ist sehr weit.
Ich hatte gehört, dass dieser kirchl. Raum genutzt wurde, weil er barrierefrei erreichbar ist; grunds. wären auch Kulturtreff Sahlkamp bzw. Vahrenheide in Frage gekommen.