Seit etwas mehr als einer Woche tobt eine lautstarke Diskussion in der Piratenpartei. Es geht allgemein um die Situation von Frauen in der Partei, insbesondere aber um eine „Piratinnen”-Initiative von Lena Simon, die mit Pressemitteilung und Frauen-only-Mailingliste gestartet wurde.
Lena hat am Freitag ein halbstündiges Interview mit Georg Jähnig gemacht, das Georg als Audiodatei in seinem Blog veröffentlicht hat. Als Beitrag zur Debatte veröffentliche ich hier jetzt zunächst mal ein komplettes Transkript dieses Interviews. Ich finde es immer wichtig, sich mit den Urhebern einer Idee zu beschäftigen, bevor man in wildes Debattieren ausbricht. Und auf diese Weise werden die aktuellen Äußerungen von Lena auch für solche Leser verfügbar, die – wie ich – lieber geschriebenem als gesprochenem Text folgen.
Das Transkript ist vollständig und unkommentiert. An einigen Stellen war der Wortlaut nicht exakt zu verstehen, diese sind gekennzeichnet. Ich habe einige Schlenker oder grammatikalische Ungenauigkeiten der wörtlichen Rede im Transkript in sinnerhaltender Weise geglättet. Und ich hoffe, ich habe Georg an allen Stellen korrekt von Jörg Bühmann unterschieden, der bei dem Interview ebenfalls dabei war.
Da mein WordPress mit dem WP-Typography-Plugin das Zitieren teilweise etwas schwierig macht, gibt es das Transkript auch als einfache Textdatei zum Download. Ansonsten: Here we go:
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Georg Jähnig interviewt Lena Simon und Jörg Bühmann zur aktuell angestoßenen Genderdebatte
Transkript von Dirk Hillbrecht, CC-BY-SA 3.0
0’00
Georg Jähnig: So, es ist jetzt Freitag, der 5. März, damit sieben Tage nachdem Lena eine Pressemittelung herausgebracht hat, mit der sie die Piratinnen angekündigt hat. Eine Initiative innerhalb der Piratenpartei unter dem Schlagwort „Klarmachen zum Gendern”. Teil der Initiative ist eine Mailingliste, die nur Frauen vorbehalten ist. Lena sitzt jetzt neben mir. Erstmal hallo Lena.
Lena Simon: Ja, hallo.
Georg: Woher kennt man dich in der Piratenpartei vielleicht schon?
Lena: Naja, ich habe schon an einigen Stellen aktiv, hab sehr umfangreich in Brandenburg zum Beispiel noch Unterschriften gesammelt und hab bei dem Musikvideo mitgemacht.
Georg: Die Pressemitteilung hat große Wellen geschlagen und die Diskussion die dann drumrum lief, hat auch Jörg verfolgt. Jörg sitzt auch neben mir, ist Student aus Berlin und ist nicht Pirat, oder?
Jörg Bühmann: Nein, ich bin kein Pirat. Ich bin zwar schon von Anfang an Sympathisant der Piraten und hab die auch schon sehr lang verfolgt, also die Gründung und die ganzen Startschwierigkeiten. Auch Netzpolitik ist allgemein etwas, was mich sehr interessiert. Politik auch sonst ist für mich immer schon eine relevante Geschichte gewesen. Deswegen finde ich das, was jetzt hier die letzten Tage losgebrochen ist bei den Piraten durch diese eine Pressemitteilung, äußerst spannend.
Georg: Genau und darüber unterhalten wir uns jetzt. Ich stelle mich auch kurz vor: Ich bin Georg, bin Pirat seit einem halben Jahr, und ich habe auch die Diskussion verfolgt. – Lena, warum hast du diese Initiative gegründet?
1’24
Lena: Ja, da kommen wir gleich zum Hauptthema. Zur Hauptfrage. Die Frage wie stehen Frauen in der Gesellschaft, was haben sie für eine Position ist eine, die mich schon mein ganzes Leben begleitet. Und als ich in die Netzpolitik kam, vorrangig zur freien Softwareentwicklung, ist mir eine Sache sehr stark aufgefallen. Und zwar, dass diese ganze Entwicklung mit Internet, Computer, Digitalisierung, dass wir da ein unglaublich großes Machtwerkzeug haben. Ein Machtwerkzeug, mit dem wir jetzt uns noch gar nicht vorstellen können, was da alles noch möglich sein wird. Das ist ja auch eine der Aussagen der Piratenpartei, dass wir da jetzt aufpassen müssen, in welcher Art und Weise wir dieses Machtwerkzeug gestalten.
2’21
Und ich habe festgestellt, ich habe gemerkt, irgendwie, die meisten Freundinnen, die meisten Frauen, die ich kenne, interessieren sich gar nicht dafür. Die interessieren sich nicht für Computer, die nutzen das zwar, aber die kennen sich nicht wirklich damit aus und wollen das auch gar nicht. Eines meiner Probleme war immer die Überlegung: „Mensch, die gesamte Emanzipation war, ja, fast für die Katz’, wenn wir Frauen jetzt einfach freiwillig darauf verzichten, an diesem Machtwerkzeug teilzuhaben und daran zu partizipieren.” Und so in der Zeit, je mehr ich das festgestellt habe, was es da für Schwierigkeiten gibt, umso mehr wurde das irgendwie zu einem meiner Themen. Ich habe das auch schon häufiger versucht, auch in der Piratenpartei zu thematisieren. Und hatte immer ziemliche Schwierigkeiten damit.
Georg: Kurz gefragt: Du hattest Schwierigkeiten damit, zu thematisieren, dass Frauen sich eben nicht dafür interessieren oder zumindest nicht so präsent sind in der… Oder erklär’ das vielleicht genau selbst.
3’28
Lena: Nein. Wenn ich es thematisiert habe, dann wurde eigentlich sehr offen begegnet: „Ja, natürlich, wir wollen gerne mehr Frauen gewinnen. Ist ja auch für eine Partei ziemlich wichtig. Frauen sind ja schließlich die Hälfte der Wahlbevölkerung.” Da wurde sehr sehr positiv drauf begegnet. Nur wenn ich dann mit solchen Fragen der Gleichberechtigung und so weiter kam, wurde ich relativ schnell abgebügelt im Sinne von, also, mit dem Kommentar: „Wir sind Postfeminisus. Bei uns sind alle gleich. Wir machen keinen Unterschied. Und deshalb wollen wir da auch gar nicht drüber reden.”
Georg: Aber ist es nicht genau das Ziel, quasi keinen Unterschied zu machen?
4’06
Lena: Es gibt einen Unterschied zwischen Gleichberechtigung und Gleichstellung. Den halte ich für sehr wichtig. Und natürlich ist es ein sehr, sehr löbliches Ziel zu sagen: „Natürlich, wir wollen einfach gar keinen Unterschied machen.” Nur solange wir dieses Ziel noch nicht erreicht haben, hilft das auch nicht zu sagen: „Es ist so”, und dann ist es auch so. Also, allein zu behaupten, dass es so wäre, führt uns noch nicht dahin, dass es so ist. Dazu ist es wichtig, sich darüber bewusst zu sein, dass es eben noch nicht so ist, weil wenn man denkt, es gibt kein Problem, mit dem umgegangen werden muss, dann geht man auch nicht damit um, dann geht man auch nicht darauf ein und dann hat man überhaupt kein Bewusstsein für das Thema. Und das halte ich für so gefährlich an der Aussage, wir seien Postfeminismus. Ich wage zu behaupten, dass das einfach nicht der Fall ist.
5’05
Georg: Du hast ja in der Pressemittelung geschrieben, du willst einen Schutzraum bieten, den Frauen… aber ein Schutz wovor. Hast du vielleicht schon selbst Situationen erlebt, in denen du einen Schutzraum gehabt hättest und der dir gefehlt hat in der Piratenpartei?
5’16
Lena: Darf ich noch ganz kurz zur Pressemittelung was sagen. Es gibt nämlich hier eine große Kritik, dass ich eigenständig Sachen gemacht habe, dass Frauen sagen: Für mich spricht die gar nicht. Sie tut aber so, als würde sie das. Deswegen ist es mir ganz wichtig, noch einen fetten Disclaimer hier an der Stelle erstmal zu positionieren. Ich spreche nicht für die Piratenpartei und ich spreche nicht für alle Frauen in der Piratenpartei. Ich spreche in erster Linie für mich und wenn… Ich glaube aber, dass es auch ein paarr Frauen gibt in der Piratenpartei, die sich damit identifizieren können. Das nur nochmal, um das deutlich zu machen.
Georg: Der Schutzraum…
5’56
Lena: Genau, die Schutzräume. Ja, ich war schonmal in so einer Situation, in der ich mir gewünscht hätte, dass ich geschützt werde. Das bedeutet zum Beispiel, dass ich mir gewünscht hätte, dass mir zum Beispiel nicht eine andere Frau in den Rücken fällt, in dem Moment in dem ich versuche, etwas zu thematisieren.
Georg: Kannst du das vielleicht mal beschreiben? Ein bisschen konkreter, wie das aussah, was das war?
Lena: Zu konkret möchte ich das auch gar nicht, weil es wird dann auch persönlich und die Piraten haben ja auch das Schlagwort „Piratsphäre” geprägt…
6’30
Georg: Aber das wir einfach eine Vorstellung davon kriegen, wie Frauen sich fühlen, wenn sie sich unwohl fühlen in dem Sinne, den du meinst.
Lena: Also was zum Bespiel eine große Schwierigkeit ist, ist, wenn ich versuche, etwas zu thematisieren und zu sagen: „Hier gibt es eine Schwierigkeit damit, dass wir Männer und Frauen sind. Hier gibt es ein Problem”. Und damit dann erstmal abgebügelt werde: „Das stimmt nicht.” Zweitens mal Augenrollen ernte, weil jeder ist einfach diese Diskussion leid. Kann ich auch gut verstehen (lacht). Die wurde auch einfach schon in Arten geführt, die ich auch selber absolut nicht für richtig halte. Und das Dritte ist, dass Frauen die sagen, sie haben dasselbe nicht so erlebt, dann aber nicht in dem Moment sagen: „Ach ja, das ist ja interessant. Hab’ ich so noch nicht erlebt, aber erzähl dochmal, was genau meinst du denn”, sondern dass sie besonders laut sagen: „Also, ich habe sowas noch nie erlebt und das kommt überhaupt nicht vor und das ist Quatsch, was du sagst.” Und damit entsteht eine ganz große Schwierigkeit und dieses Phänomen, dass Frauen so heftig reagieren auf dieses Thema habe ich einem reinen Frauenkreis noch nie erlebt. Diese Aussage, Frauen äußern sich anders außerhalb, also in getrennten…, also untereinander, ist überhaupt keine Kritik an den Männern, dass sie vielleicht irgendwas falsch machen, das ist einfach nur eine Feststellung eines Phänomens, das übrigens auch nicht mehr jung ist. Und dem ich gerne mit diesem Schutzraum entgehen würde. Wo ich sagen würde: „Hier können wir auf eine andere Art und Weise kommunizieren.” Das ist alles.
8’20
Jörg: Ja, Frauen haben es in männergeprägten Situationen meistens ein bisschen schwerer. Also das kennt man ja auch, wenn man jetzt so als typischer Nerd [unverständlich] auf Computerkongressen, wo es dann nur so eine Hand voll Frauen gibt oder irgendwie auf der Rollenspielconvention, da sind’s dann auch nur drei. Und das sind in solchen Situation, in denen Frauen die Minderheiten sind, kommen ja nur die Frauen überhaupt an, die es schon allgemein einigermaßen schaffen, sich durchzusetzen gegen andere. Und trotzdem sind sie in so einer Situation dann die Minderheit. Und wenn man Teil einer Gruppe ist, aber Teil einer Minderheit in einer Gruppe, ist es natürlich schwieriger, sich dann zu äußern, weil der Rückhalt in der Gruppe nicht so groß ist.
Georg: Also, das Zitat in der Pressemitteilung war ja auch, auch die leisen Stimmen unter den Frauen sollen Gehör finden. Und ich würde gern wissen: Was unterscheidet denn leise Stimmen unter den Frauen von leisen Stimmen unter den Männern?
Lena: Die einen wurden von Frauen gesprochen, die anderen von Männern. (lacht)
Georg: Sind das dann nicht die gleichen Probleme, die beide haben.
Lena: Naja, also Jörg hat ja gerade eben von den unterschiedlichen Sorten von Minderheiten gesprochen und die leisen Stimmen der Männer sind eine Minderheit der Mehrheit. Von daher gibt es da natürlich – ist es nicht komplett gleich. Aber: Klar, es braucht natürlich auch Möglichkeiten für die schüchternen oder leisen Männer, sich zu artikulieren. Und da bin ich auch schon im Gespräch mit rka [Andreas Baum], dem Landesvorsitzenden in Berlin, genau hierfür auch Strukturen zu schaffen. Das ist völlig unabhängig davon, dass wir ein Kreis, also wir Piratinnen, einen Kreis von nur Frauen gründen wollen.
Georg: Nochmal die Frage: Das Ziel ist glaube ich, gar nicht so umstritten. Die Frage ist einfach nur: Warum will man sich – wenn man schüchterne Frauen hat und auch schüchterne Männer, warum will man sich um die schüchternen Frauen trotzdem getrennt von den schüchternen Männern kümmern?
10’25
Lena: Weil das Thema nicht „Schüchternheit” ist, sondern die Problematik, als Frau in dieser Gruppe zu existieren. Und das hier einfach natürlich, hier sind Schwierigkeiten, die haben mit Schüchternheit nicht so viel zu tun, sondern es ist auch eine sehr sehr sehr lange historisch gewordene Situation, dass Frauen seit Jahrtausenden benachteiligt wurden. Und nicht ernst genommen wurden. Und wenn ich jetzt sagen möchte: „Ich fühle mich nicht ernst genommen”, in einer Gruppe, in der ich Angst habe, nicht ernst genommen zu werden – weil aus einem anderen Grund würde ich ja nicht sagen wollen, ich fühle mich nicht ernst genommen, dann habe ich eben die Angst, nicht ernst genommen zu werden. Und das heißt, genau die Thematisierung dieses Themas fällt unglaublich schwer in dem Moment, wo schon die Frage im Raum steht: Ist dieses Thema relevant.
Georg: Was sind denn so Beispiele für diese Probleme mit Frauen, also die Frauen haben, meine ich, in der Piratenpartei. Was für Diskussionen gibt es denn auf der Mailingliste, wo nur Frauen zumindest dem Titel nach mitlesen und mitschreiben?
11’35
Lena: Ja, also, ich möchte natürlich jetzt nicht zu viel darüber sagen. An einigen anderen Stellen sind ja auch schon Dinge geleakt. Man kann zum Beispiel das auch in der taz schön nachlesen. Keine Ahnung wie die daran gekommen ist.
Georg: Vielleicht war das eine Frau?
Lena: Ja, das kannn gut sein, dass sie sich da einfach eingetragen hat als Frau.
Georg: Ja, das ist ja jetzt so ein bisschen die Frage: Wenn du einen Schutzraum willst, und das ist die Mailingliste, wie kontrollierst du eigentlich, dass erstmal nur Frauen da teilnehmen können und dann auch, dass die Dinge da geheim bleiben. Geht das überhaupt?
12’04
Lena: So, jetzt hast du mich auch die erste Frage noch gar nicht antworten lassen. Aber jetzt antworte ich erstmal darauf. Auf dieser Liste kann ich das nicht feststellen. Auf dieser Liste haben wir uns jetzt drauf geeinigt, zu sagen: „Ja Mensch, zumindest müssen sich alle Männer hier als Frauen ausgeben.” Und damit haben wir ja quasi etwas geschaffen, was gegenteilig ist zu der Situation, wie wir sie in der Piratenpartei haben, wo behauptet wird, dass der Begriff „Pirat” geschlechtsneutral sei, was ich ehrlich gesagt ziemlich frech finde. Das heißt, an dieser Stelle haben wir zumindest erstmal den Spieß rumgedreht (lacht) und… Sicherstellen kann ich das nicht, das habe ich auch den Frauen in der Liste deutlich gemacht und gesagt – die sind sich dadrüber jetzt auch spätestens seit der taz bewusst. Es soll noch eine zweite Mailingliste geben, die fange ich an, sobald Bedarf angekündigt wird, die so eine Art „Web of Trust” ist. Also, das funktioniert dann ähnlich wie bei den „Häcksen”. Die machen das gleiche. Die hatten übrigens einen ähnlichen Kampf am Anfang, sind heute total etabliert und anerkannt und damit hat überhaupt keiner mehr ein Problem.
Georg: Das sind die Frauen im CCC, nur als kurze Erklärung.
13’15
Lena: Genau, das sind die Frauen im CCC. Und es haben sich auch einige Häcksen zum Beispiel gemeldet, um jetzt nochmal auf den Inhalt zurückzugehen, die gesagt habe: „Ja, ich kenne die Diskussion. Halte durch, es ist alles in Ordnung. So lief das bei uns am Anfang auch.”
Andere Sachen sind das Ziel, was ich mir gesetzt hatte, mal ein offenes Ohr dafür zu haben: Gibt es denn zum Beispiel Frauen, die aus dem Grund aus der Piratenpartei schon wieder ausgetreten sind. Gibt es vielleicht Männer, die aus dem Grund aus der Piratenpartei wieder ausgetreten sind. Beides kann ich mittlerweile bejahen, denn es haben sich Leute bei mir gemeldet.
13’55
Im Moment sind so die – Thematisch beschäftigen wir uns damit, wie möchten wir uns darstellen, was ist jetzt genau eigentlich unser Selbstverständnis. Wir diskutieren den Slogan „Klarmachen zum Gendern”. Und was auch ein wichtiges Thema ist, gerade, ist: Wie gehen wir mit den Angriffen um, die uns widerfahren. Es gibt einige Frauen, die sich auch deutlich eingesetzt haben, deutlich zum Beispiel in Blogs und so weiter deutlich gemacht haben, dass sie das Thema wichtig finden. Und die werden zum Teil hart attackiert. Also, ich werde ja auch attackiert, aber damit setzen wir uns jetzt auch auseinander.
14’40
Das heißt auch, dass die Frage ist: Sind wir über dieses Thema hinweg? Wenn ich dieses Thema nicht ansprechen kann ohne befürchten zu müssen, dass ich derart heftig angegriffen werde, und zwar eben persönlich, nicht inhaltlich, persönlich – unglaublich emotionalisiert – dann kann mir keiner erzählen, dass wir über dieses Thema schon hinweg sind, denn dann müsste es ja theoretisch ganz einfach möglich sein, auch an der Stelle eine andere Meinung zu haben.
15’10
Und was dieses Thema sehr deutlich auszeichnet ist, dass sehr schnell so ein Hebel umgelegt wird. Also, ich sage irgendwas wie „Feminismus” oder „Gleichberechtigung” und mir wird unglaublich viel in den Mund gelegt. Es geht sofort die Lampe an: „Ja, das ist so eine Alice Schwarzer” und mir werden sämtliche Vorurteile, die man von Emanzen hat, in den Mund gelegt. Es gab ganz häufig den Vorwurf: „Ja, ihr wollt eine Quote einführen oder dan Binnen-‚I’.” Nichts davon – habe ich niemals gesagt, weise ich auch jetzt von mir. Das ist überhaupt nicht mein Ziel. Das wurde mir aber in den Mund gelegt und dagegen wurde argumentert. Was auf meiner Seite dann ins Leere ging, weil das hatte ich nie gesagt.
15’57
Im Gegenteil, ich habe eine sehr große Kritik an diesen übertriebenen Emanzen, wie man sie ja so schön nennt, die vielleicht tatsächlich zum Ziel haben, jetzt den Spieß einfach komplett rumzudrehen. Ich möchte den Spieß nicht komplett rumdrehen. Ich möchte Gleichberechtigung. Ich möchte wirklich, dass es gleich ist. Und Leute, also Frauen, die dann sagen: „Oh, gibst du mir bitte mal die Salzstreuerin”, denen könnte ich den Hals rumdrehen. Weil das dazu führt, das ein unglaublich wichtiges Thema nicht mehr ernst genommen wird.
16’31
Georg: Du hast ja im Tweet gesagt: „Wäre Gender schon wirklich post, dann würde anders reagiert”. Ja, wie denn? Wie würde reagiert, wenn wir wirlich schon eine Postgendergesellschaft hätten und jemand würde eine Mailingliste gründen, die nur Frauen vorbehalten ist.
16’42
Lena: Ja, so what. Also, wenn ich mir vorstelle: „Ok, es ist alles ok, es ist alles in Butter, es ist alles in Ordnung” und es kommt jemand und sagt: „Für mich ist nicht alles in Butter an der Stelle”, dann sage ich: „Oh, mein Gott, erzähl mehr. Was genau ist denn das Problem?” Ich gehe auf die Person ein. Ich gehe auf sie zu und ich fange nicht an, wie ein wildes Tier irgendwie Sachen nach der Person zu schmeißen und zu sagen: „Du hast Unrecht und das ist total falsch alles.”
17’14
Georg. Also ich glaube auch eher, das Problem ist auch eher gar nicht die Thematik, sondern die Wahl der Mittel. Nämlich das Mittel sich zu isolieren, zu trennen von den anderen. Also, was du ja eben tust mit der Mailingliste. Das ist auch so eine Frage: Die Mailingliste ist nur für Frauen offen. Was ist mit Menschen, die keine eindeutige Geschlechtszuordnung haben, also Transgender? Können die auch mit drauf?
17’33
Lena: Wenn sie auf die Frauentoilette gehen. Das ist ja so eine freie Entscheidung: Als was fühle ich mich. Ich finde, mit der Toilettenwahl ist das relativ gut wiedergegeben. Wie gesagt…
Georg: Also es können auch Männer rauf, die auf Frauentoiletten gerne gehen?
17’50
Lena: (lacht) Wenn sie da nicht rausgeworfen werden und sich da wohlfühlen und sich als Frau ausgeben… Das ist ja das Ding: Im Moment kommst du auf die Liste drauf, wenn du sagst: „Ich bin eine Frau.” Ich habe ein paar Leute abgelehnt und denen gesagt: „Es ist nicht erkennbar, ob du eine Frau bist. Gib dich bitte als Frau zu erkennen”. Dann haben die geantwortet: „Ich bin eine Frau” und dann sind sie auf die Mailingliste gekommen. Das heißt, es ist schlicht und ergreifend die Aussage: Wenn ich mich als Frau identifziere, dann komme ich auf diese Liste.
18’19
Die zweite erwähnte Liste, da müssen wir dann mal schauen, wie das funktioniert mit einem Web of Trust. Das ist ja auch schwierig, gerade weil wir ja ziemlich bundesweit verteilt sind. Da müssen wir das vielleicht dann auch über Telefon und so weiter machen. Und da müssen wir das dann im Einzelfall auch einfach mit der Gruppe entscheiden.
18’36
Jörg: Zur Abkapselung würde ich noch sagen, es ist hier nicht so, dass Gruppenbildung oder sowas wie Anonymisierung ja auch was ist, was den Piraten eigentlich ein ureigenes piratiges Thema ist. Ja? Es würde dir ja jetzt kein Pirat sagen: „Ja, wir müssen TOR abschaffen, weil da können ja Leute was miteinander kommunizieren, ohne dass jemand mitkriegt, wer das was sagt oder wer mit wem sagt oder überhaupt irgendjemand was sagt.” Und genau dieses Prinzip der absoluten Transparenz ist ein Dogma, das in der Piratenpiartei weit verbreitet ist, was aber für eine Demokratie und eine freie Kommunikation hinderlich ist. Weil dann nämlich jeder, der was sagt, nicht anonym was sagen kann, nicht nur in einem begrenzten Teil was sagen kann, sondern sofort mit seinem Namen und mit seiner Person in der Öffentlichkeit steht. Das ist ja das, was Lena jetzt passiert ist. Sie geht mit einer Position in die Öffentlichkeit, mit ihrem Namen und muss jetzt die ganzen Angriffe aushalten.
19’37
Lena: Also, bei der Frage „Wir kapseln uns ab”. Das ist einfach – natürlich, bei Politik ist die Forderung der Piraten: Es muss Transparenz geben. Es muss transparent sein, wie Entscheidungen getroffen worden sind und so weiter. Wir wollen aber überhaupt keine Entscheidungen treffen. Das Ziel der Piratinnen ist nicht, die Aufgaben der AGs zu übernehmen. Es gibt die AGs und das ist was völlig anderes. Deshalb sage ich auch immer auf die Frage: „Warum bist du denn nicht zu diesen AGs gegangen”: Das ist was anderes, das hat damit nichts zu tun.
20’12
Unsere Zielsetzung ist erstmal die Piratenpartei für Frauen attraktiver zu machen. Das ist natürlich auch die Zielsetzung der AGs. Nur wir wollen eben auch den Blick nach innen mal wagen. Wir wollen aufmerksam werden, falls es Probleme gibt, dass die nicht einfach an den Piraten vorbeigehen. Dass die nicht unbemerkt ein Problem einfach an sich vorbeiziehen lassen, weil keiner davon überhaupt was mitbekommen hat. Das heißt, es muss irgendeine Anlaufstelle geben, an die ich mich wenden kann, um überhaupt… – die zusammensammelt, wo gibt es denn jetzt überhaupt die Schwierigkeiten zum Beispiel mit der Geschlechtsfrage in der Piratenpartei.
20’55
Und dafür braucht es natürlich Vertrauenspersonen, von denen ich sicher sein kann, dass tröpfelt jetzt nicht mit meinem Namen und meiner gesamten Geschichte an die Öffentlichkeit, sondern die eine Zusammenfassung liefert: So-und-so viele Personen haben sich an mich gewendet mit in-etwa-solchen Problemen. Das heißt: Natürlich werden die Inahlte oder die Dinge, die bei uns in der Liste besprochen werden und hoffentlich auch später mit anderen Möglichkeiten als über eine Mailingliste, natürlich werden die an die Öffentlichkeit gebracht. Das ist Ziel der Liste. Nur sie werden nicht oder hoffentlich bald nicht mehr, wenn es nicht mehr so leakt, persönlich zitiert oder beim Namen genannt, sondern es geht darum, das zusammenzufassen und das zu sehen.
21’38
Und da ist es einfach auch ein weiter wichtiger Punkt das Bewusstsein in der Piratenpartei auf dieses Thema ein bisschen zu lenken. Und hier an der Stelle innerhalb der Piratenpartei auf das Bewusstsein einzuwirken, dass das hier sich ein anderes Selbstverständnis einstellt. Weil das ist was, was dringend ist um wirklich attraktiv für Frauen zu sein. Und das ist keine programmastische Arbeit, das sind keine Thesen, das sind keine Forderungen, die wir stellen würden, sondern das ist eigentlich eine selbstkritische Arbeit, eine Arbeit mit sich selbst: Probleme erkennen und zu versuchen, damit umzugehen. Und das ist einfach keine politische Arbeit und deswegen ist auch die Transparenzforderung an dieser Stelle nicht angebracht.
22’30
Georg: Also das heißt vom Prinzip hättest du auch nichts dagegen, wenn sich jetzt Männer in einer Mailingliste zusammenfinden und keine Frauen reinlassen. Das wäre in Ordnung?
Lena: Ja. [unverständlich] Solange sie privat gepostet ist, sowieso. Was bin ich da jemand, der das entscheiden kann. Und auch auf dem Piratenwiki hätte ich damit kein Problem, nein.
22’48
Jörg: Und es ist ja auch noch nicht so, als würde sonst zwischen einzelnen Piraten keine private Kommunikation, die die anderen nicht mitkriegen, nicht bestehen. Das ist ja immer der Fall, dass Menschen miteinander über E‑Mail und Instant Messaging kommunizieren und es gibt natürlich auch jede Menge informeller Gruppen, die sich zum Bier treffen. Es ist ja auch nicht so als wenn beim Piratenstammtisch ständig alles auf Video aufgenommen würde. Was ja übrigens, ne, auch gerade… – Kann man ja auch sagen: Ist intransparent. Aber genau diese Art von geschützter Umwelt, von einem geschützten Raum ist was, was ständig genutzt wird und was auch extrem wichtig ist.
23’34
Georg: Du hast vorhin noch gemeint, du willst eigentlich die Anrede, glaube ich, nicht ändern. Aber du hattest glaube ich schon andere Vorschläge gemacht, öffentlich, also ob man sich jetzt „Pirat” nennt oder „Piratin”. Wie sieht das genau aus?
23’46
Lena: Also grundsätzlich: Ich bin eingestiegen damals in die Berliner Mailingliste, als es da gerade eine Diskussion sehr heiß am Laufen war zum Thema „Pirat oder Piratin”, und da war so am Ende die Lösung, auf die man sich geeinigt hat: In offiziellen Texten steht nur „Pirat” und jede Frau, die sich als „Piratin” bezeichnen will, die darf das. Deswegen bin ich auch ein bisschen überrascht, warum das auch einmal jetzt nicht mehr satzungskonform sein soll, wenn ich eine Gruppe aufmache, die „Piratinnen” heißt. Ich hatte in dem Moment damit eigentlich gar kein so großes Problem. Die Piratenpartei heißt nunmal Piratenpartei und ich bin wirklich, wirklich gegen das Binnen-„I” und ich hätte es für ganz schrecklich gefunden, daraus die „PiratInnenpartei” zu machen. Und da sie nunmal „Piratenpartei” heißt, fand ich das es an der Stelle sogar legitim ist, zu sagen: „Ok, das sind halt alles Piraten.”
24’44
Meine Schwierigkeit mit der Sache ist eben zum einen, was ich vorhin erwähnt habe, dass dann frech in der Satzung steht, dass „Pirat” an der Stelle dann geschlechtsneutral sei. Das verkennt einfach das Problem, wenn dieses „geschlechtsneutral” einfach rausgestrichen würde, hätte ich mit diesem Teil der Satzung eigentlich gar nicht das Problem. Das Problem, was ich damit habe, ist das Selbstverständnis, das sich daraus ableitet. Dass sich daraus ableitet, dass Leute versuchen, dieses Wiki zu löschen, weil es nicht satzungskonform sei. Dass…
Georg: Entschuldige bitte, eine Webseite meinst du im Wiki oder was genau?
25’22
Lena: Ja, das Wiki, genau, das Piratenwiki [oder „Pirateninnenwiki”, undeutlich], also das Wiki auf der Piratenparteiseite der Piraten. Mit dem Argument, dass es nicht satzungskonform ist, sich als Piratinnen zu bezeichnen. Dass daraus hervorgeht, wir erwähnen die Frauen nie und nirgendwo mit dazu, weil darauf haben wir uns ja geeinigt, das steht ja so in der Satzung und das daraus hervorgeht, wir sind Postfeminismus. Und das sind Sachen, die werden daraus abgeleitet, die ich nicht unterschreibe.
25’50
Das heißt, ursprünglich mit der Einigung: „Wir nennen uns alle Piraten” hatte ich überhaupt kein Problem, solange mir auch erlaubt wurde, mich selber so zu bezeichnen. Das Problem ist nur, daraus folgten sehr viele Dinge. Zum Beispiel in der Schweiz wurde genau gleiche Art und Weise argumentiert, warum es kein Frauenwahlrecht geben sollte bis 1971, weil im Grundrecht nur die Männer erwähnt wurden, nur die Bürger sind das Volk, das die Demokratie hat. Und genau mit dieser Argumentation wurde Frauenwahlrecht abgelehnt. Und das ist genau das Problem: Dass sich daraus etwas ableitet, womit ich ein großes Problem habe.
26’37
Jörg: Also das heißt die Anrede „Pirat” und dass man in der Presse oder sonstwo in der Öffentlichkeit nur „Piraten” schreibt, das findest du schon in Ordnung. Das kann so bleiben.
26’44
Lena: Mittlerweile bin ich mir da mir nicht mehr so sicher, weil offensichtlich hier ein großes Thema noch ist, und ich nicht glaube, dass alle in der Piratenpartei bei „Pirat” an den geschlechtsneutralen Begriff, also an ein geschlechtsneutrales Wesen, denken. Ich denke zum Beispiel, es – auch auf deine Frage nochmal, wie würde man denn sagen, also, wenn man Postfeminismus wäre, wenn man drüber stünde – dürften ja theoretisch nach der These die Piraten gar kein Problem damit haben, einfach alle als „Piratinnen” zu bezeichnen. Das ist jetzt gar kein Vorschlag, ich möchte das jetzt nicht vorschlagen, ich sage nur, damit haben eine Menge Leute ein Problem. Da gibt es ziemlich viel Widerstand, immer wenn ich das mal so vorschlage. Es dürfte doch eigentlich kein Problem sein, wir sind so viele Männer, es… – ich glaube, keine kommt auf die Idee, wenn überall „Piratinnen” steht, dass da nur Frauen gemeint sind. Dass da natürlich auch eine Menge Männer dabei sind. Und von daher dürfte es eigentlich, wenn man doch so drüber steht, gar kein Problem sein…
27’45
Jörg: Es ist einfach kein Wort im Sprachgebrauch. Im Sprachgebrauch nutzt man, glaube ich, die Endung „-innen”, nur wenn es um Frauen geht.
27’52
Lena: Na, aber es wäre doch auch eine dieser Arten, für die die Piraten sich doch auch einen Namen machen wollen: Wir machen etwas anders. Und die ganze Genderdebatte geht uns auf den Senkel, da haben wir keinen Bock drauf. Ja gut, wenn es sich nicht irgendwie lösen lässt: Na gut, dann machen wir halt das jetzt mal so und ein Jahr lang sagen wir „Piratinnen”, das nächste „Piraten” oder wie auch immer. Das würde zum Charakter der Piraten auch sehr gut passen. Einfach frech sagen: Wir haben kein Bock, da ewig lang drüber zu diskutieren und deswegen machen wir es jetzt halt ganz anders.
28’27
Ich möchte das jetzt nicht wirklich vorschlagen. Ich sage nur: So würde das für mich aussehen, wenn wir wirklich „postgender” wären. Wenn es wirklich einfach keine Rolle mehr spielen würde. Aber an den Stellen finde ich sieht man sehr deutlich, dass das eben doch eine Rolle spielt.
28’42
Man sieht das übrigens auch daran, dass ich unglaublich viele neue Twitter-Follower habe. Das heißt nicht unbedingt, dass die mich auch alle unterstützen. Aber das Thema ist interessant. Und das finde ich zeigt schon, dass da wir da einfach noch nicht mit fertig sind. Auch wenn es vielleicht langsam anstrengend wird. Aber wenn wir mal aufhören, die ganze Zeit diese Stereotypen, die wir haben, von – die Person ist jetzt emanzipatorisch unterwegs, das heißt, sie ist eine Männerhasserin und sie fordert das Binnen-„I” und sie fordert Quoten, wenn wir von diesem stereotypen Denken mal runterkommen, dann können wir auch auf eine ganz andere Art diskutieren und alle, mit denen ich bisher geredet habe, bei denen ich es geschafft habe, im persönlichen Gespräch klar zu machen, dass es mir überhaupt nicht darum geht, und dass ich überhaupt keine von diesen „Kampfemanzen” bin, mit denen hat auf einmal eine komplett andere Unterhaltung stattfinden können.
Georg: Das klang schon fast wie ein Schlusswort. Willst du noch etwas anfügen? Oder du, Jörg?
29’42
Lena: Ja, eine Sache hätte ich noch. Also, wir sind eine Partei – und jetzt sage ich „wir” – die Piratenpartei, sind eine Partei, die eine sehr große Menge an Männern haben und das hat man eigentlich immer, wenn man eine homogene Masse hat, dass die nicht sich nicht so gut einfühlen kann, das ist einfach Fakt. Wir sind halt alle subjektiv und da kann noch keiner draus aussteigen; dass natürlich Probleme, die alle Mitglieder dieser homogenen Menge nicht haben, schwierig vermittelbar sind. Und dass die Piraten in der Gefahr sind, dadurch dass im Moment noch so wenige Frauen dabei sind – ich hoffe, es werden bald mehr – diese Probleme zu übersehen. Und dass es unglaublich schwierig wird, solche Probleme deutlich zu machen, anzusprechen, zu artikulieren, wenn sie so schnell abgebügelt werden und so schnell gesagt wird: „Das ist kein Thema bei uns.” Und deswegen würde ich sehr daran appellieren, dass ein bisschen größeres Verständnis dafür entsteht, dass es durchaus Probleme geben kann, die ich überhaupt nicht auf dem Schirm habe, von denen ich mir gar nicht vorstellen kann, dass sie überhaupt existieren, und sie sind trotzdem da und sie sind trotzdem existent und sie sollten die Piraten trotzdem interessieren.
31’05
Jörg: Da möchte ich nochmal ganz kurz nachfragen: So ein Beispiel für ein Problem, das die meisten Piraten eben nicht auf dem Schirm haben. Und was vielleicht ganz viele Frauen oder potentielle Piratinnen haben.
31’15
Lena: Das fängt an bei Sprüchen, irgendwelche dummen Sprüche, irgendwelche Kommentare, Anmachen. Das kommt alles vor. Darauf hinzuweisen wird dann mit Gegröhle nochmal kommentiert. Und darüber hinaus gibt es auch sehr gern so (seufzt) – das ist eigentlich ist das lieb gemeint und eigentlich ist das auch sehr süß – nur es ist ein bisschen so herablassend, so von oben herab: „Ja, ne, Kleine, Süße, und du siehst ja auch super aus und ich find’s ja auch ganz toll, dass du da bist, aber damals als ich auf meinem C64 schon am Computer saß, da hast du ja noch gar nichts damit zu tun gehabt.” Und ich sag: „Ja, ich bin vielleicht gleich alt, aber du hattest da einen privilegierten Lebenslauf. Du hattest Zugang zu solchen Geräten. Ich hatte so einen Zugang nicht.”
32’08
Und das ist natürlich – keine Ahnung, ich weiß es nicht, ob ich die Möglichkeit gehabt hätte, wenn ich mich mit Händen und Füßen gewehrt hätte, irgendwie an so ein Gerät ranzukommen. Aber mir hat das überhaupt niemand vorgeschlagen oder mir die Idee unterbreitet, du könntest dich mit Computern beschäftigen. Die meisten der Frauen, die ich kenne, haben mit 16, 17, ihren ersten Rechner gehabt. Also, ich war mit 16 ein Unikum, dass ich meinen eigenen Rechner hatte. Und das sich klar zu machen, dass es keine Überlegenheit – also, natürlich ist eine Überlegenheit – aber dass es nichts ist, auf was man stolz sein sollte, und was man den Leuten noch unter die Nase reiben sollte, sondern wo klar ist, dass das ein Privileg für dich ist; sei mal froh darum und bedenke das, wenn du das das nächste Mal zu mir sagst: „Ja, du hattest das ja nicht.”
32’57
Jörg: Ich kann dazu noch was Allgemeineres zu sagen. Und zwar: Die Piraten leben ja nicht einem Vakuum. Sie tun ja immer gerne so, sie schneiden sich da irgendwie ihr kleines Politikfeld raus und sagen irgendwie: Wir wollen irgendwie anderes Urheberrecht und so ein bisschen gegen Überwachung, aber keiner kann in einem politischen Vakuum existieren. Es ist ja so: Trotzdem sind wir alle Teil der selben Gesellschaft und es ist nunmal kein Geheimnis, dass in Deutschland Frauen für die gleiche Arbeit weniger verdienen als Männer, dass Frauen allgemein… – Das liegt nicht nur daran, dass sie sozusagen schlechter bezahlte Jobs haben, sondern dass Frauen in technischen Berufen unterrepräsentiert sind und so weiter und so weiter. Das ist ja jetzt nichts Neues.
33’36
Und genau das gleiche passiert natürlich in der Piratenpartei auch. Das heißt: Alle gesellschaftlichen politischen Probeme, die draußen in der Gesellschaft sind, die treten in der Piratenpartei auch wieder auf, da sie ja Teil dieser Gesellschaft sind. Und das ist, glaube ich, die große Herausforderung für die Piraten, auch sich dem zu stellen und auch das wird nicht nur das erste Poltikfeld sein, sondern in anderen wird sich das auch entwickeln, dass die Piraten sich mit sich selbst und mit ihrer eigenen wie sie selbst funktionieren und wie sie Teil der Gesellschaft sind, das noch ein bisschen besser reflektieren lernen.
34’12
Georg: Ok, ich bedanke mich sehr bei euch beiden und ich wünsche mir auch, dass die Diskussion vielleicht ein bisschen mehr an Ruhe gewinnt und an Konstruktivität. Ok, danke.
Die Frau eines guten Freundes, sie angesprochen auf die Existenz der Piratenpartei, meinte einst „Ja sind denn da auch Frauen dabei?” und weigerte sich vor Internetrecherche mit positiver Beantwortung dieser Frage rigoros, schonmal vorab einen fluechtigen Blick ins Parteiprogramm zu werfen…
Muss man die Existenz einer „Mindestmenge weiblicher Personen innerhalb der Partei” vielleicht als genau den „Schutzraum” begreifen, der von [manchen] Frauen zwingend benoetigt wird, um der Partei ueberhaupt beizutreten oder vorhandene Entfaltungsraeume auszunutzen?
So naemlich dann diese ’notwendige Mindestmenge’ nicht vom Himmel faellt, entsteht sie entweder gar nicht, oder nur durch Zutun von Frauen, die eben genau diesen Schutzraum nicht fuer iniziell notwendig erachten oder vorhandene Raeume als zumindest vorerst ausreichend akzeptieren und dort voranzuschreiten beginnen.
Solcherlei Voranschreitenden erstmal meinen persoenlichen Dank vorab!
Ich unterstelle einmal, dass ich, Mann, persoenlich weniger Wert auf „das Gefuehl” im Allgemeinen lege, als manch andere Person.
Es entsteht bei mir beispielsweise nicht der persoenlich „gefuehlte Wunsch” nach einem „mit Rosenblaettern bereitetem Himmelbett”, nur weil’s vielleicht ‚kuscheliger’ waere, als ein asketisches Bettgestell mit ordentlicher Matratze und sauberen Laken. Entsprechend gehe ich ersterem nicht nach und bin mit rein funktionaler Schlafstatt i.A. persoenlich absolut zufrieden.
Nun stelle man sich vor, dass notwendige Bedingung des besucht werdens meiner Person durch diverse Gaeste waere, dass ich Himmelbett mit Rosenblueten anbieten koennte! „Du musst Rosenblueten im Schlafzimmern verstreuen und hier und da noch eine Duftkerze anzuenden!” klaengen vielleicht die Hinweise von diversen Seiten.
Doch kann es wirklich mein Ziel sein, mit Effekthascherei und dennoch recht primitiven Lockmitteln den Besuch anzulocken? Den Besuch, dem ich bereits bei Einladung direkt und [un]bekannterweise auch eine Beziehung/Wohngemeinschaft „Auge in Auge” angeboten habe – mit den damit verbundenen Rechten, das gemeinsam zu bewirtschaftende Haus nach eigenem Gutduenken mitzugestalten?
Wieviele Besucher kann ich ungescholten nacheinander mit Duft halb aethertrunken ins Haus hineinlocken, bevor sie merken, dass auf diesem Weg alles nur auf einer billigen sinnlichen Betoerung basiert – und nicht auf einer willentlichen logischen Entscheidung, welche ja in Folge viel fruchtbarer sein koennte?! Will frau wirklich von der Piratenpartei den orangenen Teppich ausgerollt bekommen und mit Handkuss geschmeichelt werden?
Stellen wir uns nun einen Gast vor, der direkt nach ausgesprochener freundlicher Einladung eine Forderungen an die Gastgeber richtet, welche durch ihren Ohren als Erpressungsversuch empfangen werden koennte. Ala „Ich will natuerlich auch gedimmtes Licht und Pralinen, oder ich komme nicht!”. Wuerden die Gastgebenden die Einladung genau dieses Gastes mit Freuden wiederholen?
Wuenschenswert ist eine Zeit der Ungezwungenheit, in der ein Gast das, was ihm fehlt, ggf. auch selber einbringt. Sei es das eigene Sueppchen oder das Schnuckeltuch fuer unter’s Kopfkissen.
Eine „geschlossene Mailingliste fuer Frauen” finde ich so interessant, wie eine zu einer Feier mitgebrachte Flasche Wein. Erst nach der Entkorkung wird man letztlich feststellen koennen, wieviele gute Schoppen darin enthalten sind.
„es ist nunmal kein Geheimnis, dass in Deutschland Frauen für die gleiche Arbeit weniger verdienen als Männer”
Nein, das ist nicht nur kein Geheimnis, sondern eine glatte Lüge…
Das ist mittlerweile alles so dermassen grotesk, dass man das nur noch auf die Spitze treiben kann
Recht so:
http://wiki.piratenpartei.de/Berlin/Crews/Fliegende_Luftbr%C3%BCcke/CPS/14032010
Weil Frauen, einer nicht selbst erlebten Erfahrung anderer
Frauen gegenüber sketisch sind, aber nur wenn „Männer” anwesend sind, ihre Skepsis sich aber in Wohlgefallen auflöst, wenn sie unter sich sind,brauchen sie „Schutzräume”.
Sie brauchen also Schutzräume, um sich vor Frauen zu
Schützen, schuld sind aber die „Männer”!
Wenn Männer in der Minderheit sind, sind sie trotzdem in der Mehrheit, umgekehrtes gilt für Frauen!
DAS IST DOCH NICHT EUER ERNST.….….ODER?????
Ich habe ein richtiges Kommentar vermieden, denn das geht
nur noch als Satire, ohne sich lächerlich zu machen!!
mfg Mas
Okay, Lena Simon hebt also eine sexistische Mailingliste aus der Taufe, und in mehreren Medienbeiträgen wirkt es rein zufällig so, als würde Lena für die Mehrheit der weiblichen Piraten sprechen, die von frauenfeindlichen Kerlen unterdrückt werden. In Wahrheit bezieht die übergroße Mehrheit dieser Frauen gegen Lenas Vorgehen Stellung. Soweit habe ich diese Strategie begriffen, und Lena hat es damit ja auch geschafft, dass ihr Name ganz groß im Gespräch ist.
Was ich aber noch nicht verstanden habe: Auf dieser Mailingliste tauschen sich jetzt seit Wochen mehrere Frauen ganz ohne den störenden Einfluss von Männern aus. Da muss es doch schon zu ersten Ergebnissen gekommen sein. Welche Probleme wollen die „Piratinnen” denn konkret auf welche Weise angehen? Welche frauendiskriminierenden Strukturen in der Piratenpartei sollen denn überwunden werden?
Warum wurden denn diese ganz konkreten Fragen nach Zielen und Anliegen dieser Mailingliste nicht gestellt? Die „AG Männer” in der Piratenpartei kann diese Ziele und Anliegen nennen. Die „AG frauen” liegt seit über einem Monat brach, nachdem sie von der zuständigen Moderatorin an die Wand gefahren wurde. Lena Simon hat sich in keiner der mittlerweile vier (!) Geschlechter-AGs engagiert. Und jetzt gibt es von ihr ein weiteres Interview, in dem sie endlos schwafelt, ohne irgendetwas Konkretes zu sagen. Wir erfahren, was sie nicht will (das Binnen‑I), aber fast nichts darüber, was sie und ihre Unterstützerinnen wollen. Eine Liste von Wünschen und Forderungen („Wir wollen erstens, zweitens, drittens …”) wäre inzwischen mal ganz nett. Andernfalls gelangt man zu dem Einschluss, es handele sich um eine reine Luftnummer aus Gründen der Selbstdarstellung, weil sich taz & Co. begeistert auf alles stürzen, was sich mit dem Label „feministisch” bewirbt.
@Dirk
Danke für den Text. Du hast meinen Respekt dafür das auch noch aufzuschreiben 🙂
5’56
Lena: Genau, die Schutzräume. Ja, ich war schonmal in so einer Situation, in der ich mir gewünscht hätte, dass ich geschützt werde. Das bedeutet zum Beispiel, dass ich mir gewünscht hätte, dass mir zum Beispiel nicht eine andere Frau in den Rücken fällt, in dem Moment in dem ich versuche, etwas zu thematisieren.
—-
Sehr sinnig, sie fordert also den Schutzraum ohne Männer, weil ihr andere Frauen in den Rücken gefallen sind. Muss man, glaube ich, als einigermassen logisch denkender Mensch wohl nicht verstehen …
Robert
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Das ganze „Post-„Diskriminierungs-Phenomen
ist mal super bei South Park behandelt worden.
http://www.southpark.de/clips/sp_vid_103452/
Lena moechte ich einfach nur antworten:
Denk mal darüber nach!
Klingt ja alles schön und gut und würde ich auch zu 99% unterschreiben, was Lena da sagt. Es passt aber irgendwie nicht zu http://piratenfrau.net/?p=218
Handwerklich und zeitlich ist diese Diskussion/Pressemitteilung eine Katastrophe für die Partei und beschädigt ihren Ruf. Lena damit haben sie Ihrer Partei einen wahren Bärendienst erwiesen.
Inhaltlich gebe ich Lena zumindest teilweise recht.
in min. 25’50 ist dir ein link in den text gerutscht ‚)
Ja potzblitz, in der Tat! Wie ist denn der da hin gekommen? Egal, ist korrigiert. Danke für den Hinweis.
Danke für’s Transkribieren; bin immer sehr dankbar, weil ich nur 768 kb/s kann.
Welch ein Sturm im Wasserglas? Lasst die Lena doch ihr Ding einfach machen, ist doch nicht schlimm. Erst wenn’s ausarten sollte, kann man ja mal höflich intervenieren. Abgesehen davon gibt es sicherlich wichtigere Dinge, womit sich die Piratenpartei beschäftigen sollte, anstatt in den eigenen Reihen einen Geschlechterkampf auszutragen, den keine Seite je gewinnen kann. Der ganze Sachverhalt ist so kindisch, dass man glauben könnte, im Sandkasten tobt der Vorschulkrieg um die Plastikschaufel. Wie wär’s denn zur Abwechslung mit einem anderen Thema: Vorratsdatenspeicherung – Präkognition der längsten Praline der Welt(www.guedesweiler.wordpress.com)
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Nun muss ich gestehen, dass ich das ganze überhaupt nicht verstehe. Ich beschwere mich aber nicht darüber, das nicht zu vertehen, mache Anderen aber keinen Vorwurf, dass sie mir beim Nichtverstehen nicht den Rücken stärken.
Herzliche Grüße aus Tostedt
von DAS Pirat
Gert-Rainer MAntwill