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Diese Geschichte zum CeBIT-Verkehr 1997 startete in Teil 1 mit einem Behelfsbahnsteig am Messegelände.
Dieser ermöglichte es damals, klassische Straßenbahnwagen für einen Teil des CeBIT-Anreiseverkehrs einzusetzen. Nötig machte dies die angespannte Lage im üstra-Fuhrpark jener Tage: Die 256 einsatzbereiten Stadtbahnwagen des Typs TW6000 reichten für den normalen Verkehr plus Messeverkehr kaum aus.
So fuhren im morgendlichen Messeverkehr der CeBIT 1997 bis zu drei TW500-Triebwagen den Zulaufverkehr zwischen Peiner Straße und Messegelände, die sogenannten „U‑Boote”. Da sie an den Hochbahnsteigen nicht halten konnten, blieb nur der kurze Behelfsbahnsteig im Weichenbereich südlich des Messe-Hausbahnsteigs.
Und wie man auf den Fotos gut sehen kann, waren diese Züge wirklich nötig: Der Wagen ist sehr gut gefüllt, und das obwohl er nur vier Stationen angefahren hat.
Ich weiß, dass ich mir das ganze damals mit einem Kommilitonen zusammen angeschaut habe und dass wir anschließend im (dann leeren) Straßenbahnwagen zurück zur Peiner Straße gefahren sind. Das war vor allem deshalb sehr interessant, weil diese Triebfahrzeuge noch über eine direkte Motorsteuerung verfügten. Ein guter Fahrer konnte mit diesen Fahrzeugen wesentlich rasanter beschleunigen als mit der elektronisch geregelten Geschwindigkeitssteuerung der TW6000. Allerdings drehten auch schneller die Räder durch und wenn man zu stark beschleunigte und der Motor zu viel Strom zog, unterbrach mit lautem Krachen der Sicherungsautomat die Stromversorgung. Der Griff des Fahrers ging dann immer direkt über seinen Kopf, wo die beiden Drehgriffe waren, mit denen die Sicherung wieder „reingedreht” werden konnte.
An der Peiner Straße wendeten die Züge der U‑Bootlinie über das Gleisdreieck in der Betriebshofzufahrt und fuhren von dort wieder in die Haltestelle Richtung Messegelände.
Insgesamt war der Messezulaufbetrieb jener Tage recht rustikal: Es bedurfte eines hohen Personalaufwands um den Verkehr flüssig zu halten. Und gerade in der zweiten Hälfte der 1990er Jahre führte der Verkehr zur Messe die Technik auch mal über ihre Grenzen hinaus: Mindestens einmal in der Messewoche fiel das Stellwerk am Aegidientorplatz aus und legte damit auch den Verkehr im gesamten U‑Bahnabschnitt nördlich von Döhrener Turm über Stunden lahm.
Auch die Stromversorgung zickte rum. Im morgendlichen Anreiseverkehr am Eröffnungstag kam es zu einem Komplettausfall der Stromversorgung auf der Strecke südlich von Döhrener Turm:
Pünktlich um 9.37 Uhr gab es im Unterwerk Döhren einen Dauerkurzschluß. Nach 3 automatischen vergeblichen Versuchen den Strom wieder einzuschalten muß in der Schaltwarte Großalarm ausgelöst worden sein.
Über Funk kam als erstes die Aufforderung an alle auf der B‑Süd [interne Bezeichnung der Strecke], die Fahrzeuge auf reduzierte Netzlast zu schalten. Als das nichts gebracht hatte, wurde die verschärfte Maßnahme eingeleitet: Bügel runter für alle! Auch das half nicht. Also wurden alle Fahrer aufgefordert, die vor ihnen liegende Strecke auf Oberleitungsschäden zu überprüfen; ebenfalls erfolglos.
Als nächstes wurden die Schalter für die Einspeisung aus dem Unterwerk Döhren abgeschaltet. Der Kurzschluß war immer noch vorhanden, mußte also im Bereich zwischen Unterwerk und Streckeneinspeisung zu suchen sein. Wenigstens konnte man so einen Verbindungsschalter schließen, so daß das Unterwerk Engesohde (Altenbekener Damm) die Versorgung des Abschnitts mit übernehemen konnte. Nach ca. 15 Minuten konnten die Bahnen die Bügel wieder anlegen und die Fahrt fortsetzen.
Verkehrsgeschichtlich stellt das Jahr 1997 gleich in mehrerlei Hinsicht eine Zäsur für den Stadtbahnverkehr in Hannover dar: Letztmalig wurden in diesem Jahr – und das auch nur im hier beschriebenen CeBIT-Morgenverkehr – die klassischen TW500-Gelenktriebwagen-Straßenbahnzüge im Regelverkehr eingesetzt. Und letztmalig waren bei dieser CeBIT ansonsten nur Fahrzeuge des Typs TW6000 verfügbar. Schon bei der Industriemesse einen guten Monat später wurde das erste Exemplar des neuen Stadtbahnfahrzeugs TW2000 der Öffentlichkeit vorgestellt.
Im Laufe des Sommers 1997 kamen die ersten TW2000 auf das hannoversche Netz und zur CeBIT 1998 waren bereits ausreichend Fahrzeuge verfügbar, sodass es diesbezüglich keine Probleme mehr gab. Probleme machten nur die TW2000 selbst, die wegen unzureichender Tests im Vorfeld in der Einführungsphase zahlreiche Kinderkrankheiten auskurieren mussten. Deshalb wurden sie im Messeverkehr 1998 vor allem auf anderen Linien eingesetzt und nur sporadisch auf den Messelinien.
Heute erinnert nur noch wenig an die Verhältnisse Ende der 1990er Jahre: TW2000 und TW6000 sind längst gleichberechtigt im hannoverschen Netz unterwegs. Durch den breiteren Wagenkasten und die Möglichkeit, bis zu 100 Meter lange Vierwagenzüge zu bilden, erhöht der TW2000 zudem die Kapazität eines einzelnen Zuges erheblich. Und schließlich ist das Messegelände heute gleich von drei Seiten vom Schienenverkehr erschlossen.
Neben der Anbindung über Döhren und Mittelfeld gibt es seit der Expo 2000 noch eine weitere Stadtbahnstrecke über Bemerode und den Kronsberg, die in der Nähe der entgegengesetzten Ecke des Messegeländes endet. Die beiden Stationen heißen deshalb heute „Messe/Nord” und „Messe/Ost”. Und dazu kommt noch das leistungsfähige S‑Bahnnetz, das Hauptbahnhof und Flughafen direkt mit dem Messegelände verbindet und einen Großteil des Verkehrs aus der Region aufnimmt. Im ebenfalls zur Expo neu gebauten Fernbahnhof „Hannover Messe/Laatzen” halten zudem die Fern- und Regionalzüge der Nord-Süd-Fernstrecken. Trotzdem stellt der Messeverkehr auch heute noch eine Belastungsspitze des hannoverschen Stadtbahnnetzes und insbesondere der Linien 8 und 18 dar.
Ein weiterer wichtiger Unterschied zwischen 1997 und 2010 ist, dass mittlerweile sämtliche Bahnsteige zwischen der Tunnelausfahrt und dem Messegelände hochflurig sind. Das war auf dieser Strecke besonders aufwändig, weil hier alle Bahnsteige für 100-Meter-Züge ausgelegt wurden – und nicht für die sonst üblichen 75 Meter eines dreiwagigen TW2000-Zuges. Dadurch sind aber die Haltestellenstops kürzer geworden, weil zum einen die Zeit zum Einfahren der Klapptrittstufen nicht mehr nötig ist und zum anderen die Fahrgäste schneller ein- und aussteigen.
Und der Behelfsbahnsteig an der Messe? Nun, auch der ist lange Geschichte. Heute findet sich hier ein Oberleitungsmast und ein Schaltkasten. Außerdem ist der Hochbahnsteig ein paar Meter verlängert worden, damit die 100 Meter langen Vier-Wagen-TW2000-Züge dranpassen. Die Straßenbahnwagen sind verkauft oder verschrottet worden, mir ist nicht bekannt, ob überhaupt ein solcher Breitraum-Gelenktriebwagen überlebt hat. Bei der letzten großen üstra-Sause, dem Betriebshoffest an der Glocksee 2008, stand jedenfalls keiner in der Fahrzeugparade auf dem Gleisfeld.
So schließt diese Rückblende mit einem letzten Foto aus dem Jahr 1997, das nochmal das Wagenmaterial jener Zeit gemeinschaftlich zeigt.
Nachtrag: Das Internet ist schon toll. In einer Diskussion auf Drehscheibe Online sind mittlerweile einige kleine Korrekturen zu meinen Ausführungen aufgetaucht. Teilweise finden sich sich auch in den Kommentaren unten. So waren anno 1997 nicht drei, sondern fünf TW500 im „U‑Booteinsatz”. Zudem hat es auch nach 1997 noch U‑Booteinsätze mit den alten Straßenbahnwagen gegeben, und zwar bis zum Jahr 2002. Ich denke aber, dass man 1997 trotzdem als das Jahr der eigentlichen Zäsur in dieser Sache sehen kann: Später waren die alten Wagen nur noch sehr sporadisch und eher unter „Liebhaberaspekten” im Messeverkehr unterwegs. Im Jahr 1997 hingegen war der Einsatz durchgängig die gesamte Messe über und maßgeblich der Wagenknappheit geschuldet. Besagten Drehscheibe-Artikel empfehle ich übrigens auch deshalb zur Lektüre, weil sich dort einige sehr schöne Fotos aus jenen Tagen finden. TW400, TW6000 und TW2000 in einer nicht gestellten Betriebshofsituation nebeneinander findet man wahrlich nicht alle Tage…
Hallo
Zur Cebit 1997 waren bis zu fünf (nicht) drei Gelenkwagen im Einsatz (503, 514, 517, 519 u. 522).
Es liefen auch in den Jahren 1998, 1999, 2001 und 2002 zur Cebit früh sporadisch Altwagen aus dem Museums-Bstand zw. Döhren und Messe.
Eingesetzt waren die Tw 522, 478 und 178 (nicht alle auf einmal).
Siehe Beitrag auf Drehscheibe-online zu dem Thema.
Von den Gelenk-Triebwagen ist der 522 aufgearbeitet wieder in beige und mit Schaffnerplatz als Museumswagen bei der üstra erhalten mit dem zugehörigen Vierachs-Bw 1513.
Im HSM Wehmingen stehen Tw 503, Bw 1509 in grün, der Bw 1519 dient als Café-Wagen.
Vom vierachsigen Vorgänger-Typ (ohne Gelenk, sog. „Breitraumzüge”) sind bei der üstra Tw 478 und Bw 1464 betriebsfähig erhalten, in Wehmingen stehen Tw 427 und Bw 1424, die Ende der 60er/Anf. der 70er mit Klapptrittstufen für Einsatz an Hochbahnsteigen ausgerüstet worden waren!
Diese wurden aber nie im Linienverkehr im Tunnel eingesetzt, die letzten beiden derartigen Züge wurden zum 1. Juni 1985 außer Dienst gestellt und standen deshalb nicht für o. erwähnte Sondereinsätze zur Verfügung.
Gruß