Die CDU und die Vorratsdatenspeicherung – Spiegel Online erzählt Märchen 2


Spie­gel Online mel­det heu­te mor­gen als Auf­ma­cher: Uni­on rückt von Vor­rats­da­ten­spei­che­rung ab. Rela­tiv aus­führ­lich wird geschil­dert, wie in den ver­gan­ge­nen Tagen mit­ten in der Höchst­pha­se des Prism-Skan­dals bei der Abstim­mung des Par­tei­pro­gramms der Begriff „Vor­rats­da­ten­spei­che­rung” raus­ge­fal­len sei. Und in der Tat heißt es im Wahl­pro­gramm 2013 (das CDU und CSU ganz zurück­hal­tend „Regie­rungs­pro­gramm” nennen):

Min­dest­spei­cher­fris­ten für Ver­bin­dungs­da­ten regeln

Der Staat muss per­sön­li­che Kom­mu­ni­ka­ti­ons­da­ten der Men­schen schützen.

Man könn­te die­ses Tra­la­la glatt für ernst gemeint hal­ten, wenn der Absatz (übri­gens auf Sei­te 114, aber die PDF-Suche hilft unge­mein…) nicht wie folgt weiterginge:

Zugleich dür­fen wir jedoch Schutz­lü­cken bei Straf­ver­fol­gung und Gefah­ren­ab­wehr nicht hinnehmen.
Min­dest­spei­cher­fris­ten für Ver­bin­dungs­da­ten sind not­wen­dig, damit bei der Ver­fol­gung von schwe­ren Straf­ta­ten auf Anord­nung eines Ermitt­lungs­rich­ters oder zur Abwehr von erheb­li­chen Gefah­ren für die öffent­li­che Sicher­heit ein Daten­zu­griff erfol­gen kann. Man­che Straf­ta­ten, wie etwa die Ver­brei­tung von Kin­der­por­no­gra­phie im Netz, las­sen sich nur dar­über auf­klä­ren. Gera­de auch im Kampf gegen Ter­ro­ris­ten ist dies oft­mals ein ent­schei­den­des Mit­tel, um Anschlä­ge ver­hin­dern zu kön­nen. CDU und CSU wol­len daher eine ent­spre­chen­de Richt­li­nie der Euro­päi­schen Union
in natio­na­les Recht umsetzen.

Öhm, Spie­gel Online, ihr müsst jetzt ganz stark sein: Eure „Sen­sa­ti­ons­mel­dung” ist Kap­pes. Ein Hoax sozu­sa­gen, wenn auch sozu­sa­gen ein regie­rungs­amt­li­cher. Was ist denn bit­te­schön der Unter­schied zwi­schen Daten, die „für eine Min­dest­zeit vor­ge­hal­ten” wer­den müs­sen und Daten die „auf Vor­rat gespei­chert” wer­den? Genau! Gar kei­ner. Die CDU gibt sich mal nicht mal beson­de­re Mühe, die simp­le Worter­set­zung „Min­dest­spei­cher­frist” und „Vor­rats­da­ten­spei­che­rung” zu ver­schlei­ern: In dem Absatz oben steht als Begrün­dung ja genau der­sel­be Mist, mit dem bei CDU und CSU seit Jahr und Tag für die Prism-isie­rung des Inter­net gewor­ben wird: Ter­ro­ris­mus, Anschlä­ge und – natür­lich – Kinderpornografie.

Mit der Spie­gel-Online-Logik könn­te man mit Fug und Recht behaup­ten, die CDU habe sich noch nie für eine Vor­rats­da­ten­spei­che­rung ein­ge­setzt. Im „Regie­rungs­pro­gramm 2009″ (dan­kens­wer­ter­wei­se von unab­hän­gi­ger Sei­te archi­viert) fin­det sich der Begriff näm­lich auch nicht. Das Wort „Inter­net” kommt in dem 63 Sei­ten star­ken Kon­vo­lut genau sie­ben Mal vor, davon allein drei Mal in dem ent­schei­den­den Absatz (Sei­te 55):

Das Inter­net ist kein rechts­frei­er Raum. […] Wir wol­len Rechts­ver­let­zun­gen effek­tiv unter­bin­den. Wir wer­den auf den Aus­bau der inter­na­tio­na­len Zusam­men­ar­beit gegen Inter­net-Kri­mi­na­li­tät drän­gen. In Deutsch­land tre­ten wir für eine stär­ke­re Bün­de­lung der Akti­vi­tä­ten im Kampf gegen Inter­net-Kri­mi­na­li­tät ein. Bun­des­kri­mi­nal­amt, Bun­des­amt für Sicher­heit in der Infor­ma­ti­ons­tech­nik und die ent­spre­chen­den Ein­rich­tun­gen der Län­der sind hier­für per­so­nell und tech­nisch wei­ter zu stärken.

Nun könn­te man anders her­um sagen: „Ok, 2009 war das mit der Vor­rats­da­ten­spei­che­rung ja schon geges­sen. Müs­sen sie also nichts schrei­ben.” Was steht also zu dem The­ma im Wahl­pro­gramm 2005 der CDU:

Rich­tig: Nichts! Noch viel bes­ser: Der gan­ze Begriff „Inter­net” ist 2005 im Wahl­pro­gramm der CDU nicht zu fin­den. Aber die Vor­vor­gän­ger­pro­sa der 2013er-„Nicht-Vorratsdatenspeicherung” liest sich so (Sei­te 31/32):

Wir ver­tei­di­gen Recht und Frei­heit gegen Ter­ror und orga­ni­sier­te sowie grenz­über­schrei­ten­de Kri­mi­na­li­tät. […] Wir wer­den ein gemein­sa­mes Infor­ma­ti­ons- und Ana­ly­se­zen­trums sowie gemein­sa­me Anti-Ter­ror-Datei­en von Poli­zei und Nach­rich­ten­diens­ten schaf­fen, […] die Erhe­bung und Spei­che­rung von Tele­kom­mu­ni­ka­ti­ons- und Ver­bin­dungs­da­ten ver­bes­sern, […] Wir bekämp­fen wirk­sam Kri­mi­na­li­tät und geben dazu den Poli­zei­en von Bund und Län­dern sowie der Jus­tiz die not­wen­di­gen recht­li­chen Ein­griffs­mög­lich­kei­ten. Dazu gehört die DNA-Ana­ly­se. Sie muss zum Fin­ger­ab­druck des 21. Jahr­hun­derts wer­den. Sexu­el­ler Miss­brauch von Kin­dern muss grund­sätz­lich als Ver­bre­chen bestraft werden.

Mit Spie­gel-Online-Logik könn­te man auch sagen: „Schon 2005 woll­te die CDU kei­ne Vor­rats­da­ten­spei­che­rung ein­füh­ren.” – Genau das hat sie dann aber 2006 gemacht. Tol­le Wurst!

Aber ich über­se­he bestimmt was, oder? Von einer simp­len Wort­ver­än­de­rung wer­det ihr Qua­li­täts­jour­na­lis­ten euch doch bestimmt nicht übers Ohr hau­en las­sen haben, gell?!

Die CDU will kei­ne Vor­rats­da­ten­spei­che­rung. Und das hier ist kein Mikrofon.

Nach­trag: Das schrei­ben Andere:


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2 Gedanken zu “Die CDU und die Vorratsdatenspeicherung – Spiegel Online erzählt Märchen

  • Ottmar

    Neu­sprech, Mär­chen und Lügen von Schwarz / Gelb die 2 te:
    die CDU und auch die soge­nann­te libe­ra­le FDP haben die Vor­rats­da­ten­spei­che­rung gera­de neu­lich, durch die Hin­ter­tür beschlossen.
    Und zwar durch das neue Gesetz zur Bestandsdatenauskunft! 

    Immer schön Scheib­chen­wei­se, damit die Wäh­ler ja nichts mitbekommen… 

    Alle Han­dy ‑PIN und Mail ‑Pass­wör­ter kön­nen jetzt ohne rich­ter­li­chen Beschluss von der Poli­zei abge­fragt werden! 

    Auch die Daten von Straf­ver­tei­di­gern, Ärz­te und Geist­li­che nicht aus­ge­schlos­sen! Nichts mehr mit Ter­ro­ris­mus also.. Und es darf ab sofort sogar bei Falsch­par­ken eine hip­pe Bestands­da­ten­aus­kunft ein­ge­holt werden. 

    Per­sön­lich­keits­rech­te, Daten­schutz oder das Recht auf infor­ma­tio­nel­le Selbst­be­stim­mung wur­den von Uni­on und FDP dezent übersehen… 

    Eine Ver­fas­sungs­kla­ge gegen die Bestands­da­ten­aus­kunft wur­de durch die Pira­ten­par­tei bereits initiiert!