Das vor knapp einer Woche aufgedeckte „Prism”-System der US-Geheimdienste wirft viele Fragen auf. Zwei Aspekte erscheinen mir besonders wichtig. Fangen wir mit dem ersten an:
Zum einen sickert ja momentan scheibchenweise durch, dass nicht nur die USA, sondern auch andere Länder ähnliche Systeme betreiben oder an den Datensammlungen partizipieren. Nur in Deutschland war man auf Regierungsebene angeblich völlig ahnungslos, hat alles aus der Zeitung erfahren und weiß ansonsten überhauptnicht, was da gemacht wurde.
Hallo??? Geht’s noch?! Ich meine, Deutschland ist geopolitisch eines der wichtigsten Länder Europas, bestimmt die kontinentale Wirtschaftspolitik, ist eine der wichtigsten Handelsnationen weltweit und ist Rahmen von „Prism” Europas wichtigste – nunja – Datenquelle. Und die Bundesregierung hat keine Ahnung??? Das glaubt ihr doch selbst nicht! Entweder es ist wahr – dann wäre die Ahnungslosig der führenden deutschen Politikköpfe erschreckend. Oder es ist eine Lüge – dann wäre die Dreistigkeit der führenden deutschen Politikköpfe erschreckend.
„Prism” verstößt kapital gegen unsere gesellschaftlichen Grundsätze und Grundwerte – selbst nach deren fortgesetzter Aufweichung der letzten Jahre. Unabhängig von jeder Parteizugehörigkeit erwarte ich von einer deutschen Regierung, dass sie die Bürger (a) umfassend aufklärt und (b) in ihrem und im Sinne der Gesellschaft handelt und Deutschland und die hier lebenden Menschen vor der transatlantischen (und vor jeder anderen) Totaldurchleuchtung schützt. Und zwar ohne Wenn und Aber!
Muss man eigentlich die Geschichte von De-Mail vor dem Hintergrund der Prism-Enthüllungen neu beleuchten? Experten sind ja schon seit geraumer Zeit irritiert, dass das System mit einer kryptografischen Sollbruchstelle implementiert wird, die weder unvermeidbar noch wirklich nötig ist. Also, wenn man will, dass die Daten sicher sind. Will man hingegen eine prinzipielle Abhörbarkeit, dann ist die Klartextumwandlung und Neuverschlüsselung der Daten auf ihrem Weg äußerst praktisch.
Ein Schelm wer Böses dabei denkt.
Die Piratenpartei spricht sich gegen jede Form von staatlicher Überwachung und für Datensparsamkeit aus. „Prism” ist vor diesem Hintergrund ein Projekt mit erheblichen gesellschaftlich-politischen Auswirkungen. Natürlich kann man ein solches System technisch implementieren. Aber: Will man es implementieren? Lässt die Gesellschaft es zu? Finden sich genügend Menschen, die solche Systeme umsetzen? Hier muss man meines Erachtens ansetzen. Die politischen Kräfte in Deutschland diskreditieren sich da gerade auf bemerkenswerte Weise selbst.
…und De-Mail gehört bezüglich der verschlüsselten Ende-zu-Ende-Kommunikation nochmal gründlich überarbeitet.
Im 2. Teil geht es um das Whistleblowing, das zur Veröffentlichung von „Prism” geführt hat und seine gesellschaftliche Relevanz und Notwendigkeit.
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