Dieses Bild zeigt mehrfach Dinge, die es heute nicht mehr gibt. Aufgenommen ist es im November 1997 in Frankfurt an der Kreuzung von August-Bebel-Ring und dem Straßenzug Offenbacher Landstraße/Frankfurter Straße. Seinerzeit befand sich hier noch ein Wendedreieck, das im Linienbetrieb erst seit 1996 regelmäßig genutzt wurde, nachdem Offenbach die aus Frankfurt kommende Straßenbahn von seinem Stadtgebiet verbannt hatte. Wenn man ganz genau ist, müsste man sagen, dass wir uns hier gerade schon auf Offenbacher Gebiet befinden, die Grenze liegt etwa zehn Meter westlich des Fotostandpunktes.
Das Foto ist in dem Moment aufgenommen, als ein Fahrzeug der Linie 16 in das Stumpfgleis des Wendedreiecks einfährt. Und dieser Moment und dieses Fahrzeug haben es in sich. Es handelt sich dabei um die Baureihe „R” der Frankfurter Straßenbahn. Diese Fahrzeuge waren zwar technisch hochambitioniert, hatten aber mit einer ganzen Reihe technischer Probleme zu kämpfen. Eines davon sieht man hier in Aktion: Während bei mehrteiligen Fahrzeugen die Fahrgestelle üblicherweise unter den Gelenken zwischen den einzelnen Teilen des Wagenkastens liegen, wurde das mittlere Gestell beim „R‑Wagen” in die Mitte des mittleren Wagenkastens eingebaut. Dadurch waren die Gelenke sozusagen freischwebend. Beim Durchfahren von Kurven konnte es dann aber passieren, dass sich das ganze Fahrzeug wie eine Ziehharmonika verdrehte und sich nach der Kurve erst wieder nach mehreren Pendelbewegungen geradeziehen musste. Genau dieser Effekt tritt hier gerade auf. Man beachte vor allem den vorderen Zugteil: Dort ist das Gleis schon wieder gerade, trotzdem schwingt der Wagenkasten gerade wild aus.
Durch den Einbau zusätzlicher Federn konnte man dem R‑Wagen dieses besonders wilde Pendeln mittlerweile bis zu einem gewissen Punkt abgewöhnen. Andere Designschwächen wie fehlende Klimaanlage oder nicht vorhandene Kupplungen schleppt das Fahrzeug bis heute mit sich herum, was es nicht gerade beliebter macht. Historisch gesehen ist der R‑Wagen interessant, weil er das erste komplett niederflurige Straßenbahnfahrzeug war, das zudem die erste Fahrzeugneuentwicklung darstellte, nachdem man in Frankfurt die Grundsatzentscheidung zur Beibehaltung der Straßenbahn getroffen hatte. Er ist aber auch ein gutes Beispiel, warum man bei Fahrzeugneukonstruktionen dieser Komplexität immer mit Vorserienfahrzeugen und intensiven Testphasen arbeiten sollte. Die Skepsis, mit der der Niederflurtechnik vor allem in den 1990er Jahren vielerorts begegnet wurde, gründete sich auch auf die durchwachsenen Erfahrungen mit diesem Fahrzeug. Etliche seither entstandene Niederflurbaureihen zeigen, dass man sowas auch in gut bauen kann.
Das Wendedreieck wurde einige Zeit nach dem Entstehungszeitpunkt dieses Fotos abgebaut. Heute wenden die Züge stumpf an einem neu gebauten Mittelbahnsteig noch in der Offenbacher Landstraße. Pläne für eine erneute Weiterführung nach Offenbach gibt es nur sehr vage.