Zum dritten Advent gibt’s wieder einen längeren Artikel und mehr Fotos. Wir schauen uns heute zwei Orte in Hamburg an.
Hamburg ist die zweitgrößte Stadt Deutschlands. Rückgrat des öffentlichen Personennahverkehrs sind U- und S‑Bahn, die – aus vielen Richtungen kommend – an mehreren Stellen in der Innenstadt verknüpft sind. Einer dieser Knotenpunkte ist der Jungfernstieg. In den 1960er Jahren wurde hier ein äußerst leistungsfähiger Schnellbahnknoten an und unter der Binnenalster geschaffen. Einer seiner Teile ist der U‑Bahnhof der U2 zwischen den Stationen Hauptbahnhof/Nord und Gänsemarkt. Der Bau dieses Bahnhofes fiel mitten Zeit umfangreicher Ausbaupläne für die U‑Bahn und dementsprechend wurden hier nennenswerte Vorleistungen erbracht.
Auf dem Bild sieht man die äußere Bahnsteigkante eines der beiden Inselbahnsteige auf dem U2-Bahnhof unter dem Jungfernstieg. Der Gleistrog ist leer. Hier sollte den Planungen aus den 1960er-Jahren zu Folge die U‑Bahnlinie U4 von Altona kommend über den Hauptbahnhof und Mundsburg zur City Nord entlang führen. Mitte der 1970er Jahre wurde der Bau dieser U‑Bahnlinie aus finanziellen Gründen gestoppt und seither nicht mehr aufgenommen. Entsprechend liegen hier auch im Jahr 1997 noch keine Gleise und es war damals auch nicht absehbar, dass sich daran jemals etwas ändern würde. Man beachte, dass beim Bau des Bahnhofes an den Gleisen bereits Zugzielanzeiger installiert wurden, die aber niemals irgendetwas sinnvolles angezeigt haben – wo kein Gleis, da auch keine Bahn.
Zeitsprung, 13 Jahre später. Im Oktober 2010 ist der Gleistrog gefüllt. Allerdings nicht für eine U‑Bahn in der ursprünglich geplanten Relation. Seit Anfang der 2000er-Jahre wird in Hamburg eine Neunutzung der ehemaligen stadtnahen Hafengebiete geplant. Der neue Stadtteil „Hafencity” braucht einen leistungsfähigen Anschluss an den öffentlichen Personenverkehr, hierfür ist relativ früh die Wahl auf eine U‑Bahnlinie gefallen und unter einigen Alternativen hat sich schließlich eine Anbindung über die Trasse der U2 und eine Ausfädelung am Jungfernstieg durchgesetzt.
So werden denn ab 2012, wenn diese ebenfalls U4 genannte Linie in Betrieb geht, am Jungfernstieg die U4-Züge von Billstedt kommend aus der Trasse der U2 ausfädeln. In einem sehr weiten Bogen erreichen sie nach etwa 2 Kilometern Strecke den ersten Bahnhof in der Hafencity. Sie unterqueren dabei ohne Halt die südliche Innenstadt, den Baumwall und die Elbphilharmonie. Das macht die Verknüpfung mit den anderen U- und S‑Bahnlinien auf den ersten Blick suboptimal, allerdings muss man andererseits sehen, dass am Jungfernstieg sowie den folgenden Bahnhöfen Hauptbahnhof und Berliner Tor Verknüpfungen zu allen Linien bereits bestehen und die Anbindung von der Hafencity zu den zentralen Punkten Hamburgs durch diese Trassenführung sehr schnell ist. Alternative Konzepte hätten eine Ausfädelung der Hafencity-U-Bahn aus der U3 zwischen Rathaus und Baumwall oder aus der U1 am Meßberg vorgesehen, die Realisierung über Jungfernstieg ermöglicht aber letztlich als einzige ganz langfristig die Führung der U4 als eigenständige Linie, indem der Ostteil der alten Planungen zwischen Jungfernstieg und Sengelmannstraße nördlich der City Nord letztlich doch noch realisiert wird.
Und nun zu etwas völlig anderem. Der S‑Bahnhof Blankenese, weit im Westen Hamburgs gelegen, an einem Sommertag im Juli 1997. Ganz links ein Zug der Linie S11, der hier in Blankenese endet. Der Bahnsteig in der Mitte wird von der S1 angefahren, die hier auf ihrem Weg zwischen der Innenstadt und Wedel westlich von Hamburg Kopf macht. Dazu gleich mehr. Rechts sehen wir den damals noch existierenden Güterbereich des Bahnhofes, dessen Gleise zu diesem Zeitpunkt aber bereits ungenutzt sind. Über dem ganzen liegt eine leicht schläfrige Idylle, die der Lage des Bahnhofes durchaus angemessen ist.
Auch hier wieder der Vergleich mit der Situation im Herbst 2010. Auf dem Foto stehen gerade die S‑Bahnen sowohl Richtung Innenstadt als auch Richtung Wedel am Bahnsteig und warten auf die Ausfahrt. Viel interessanter im Zusammenhang mit diesem Artikel ist aber, was sich rechts der Gleise abspielt. Der Güterbereich ist vollständig verschwunden, stattdessen befindet sich dort jetzt Wohnbebauung, so wie es aussieht der eher gehobenen Sorte. Wie auch das vorangegangene Foto ist dieses Bild von der Fußgängerzugangsbrücke am östlichen Ende der Bahnsteige entstanden. Was man auf dem Foto nicht sieht: Auch diese Brücke wurde um- bzw. wohl eher neu gebaut.
Wir drehen uns um und die Zeit nochmal zurück. Nun ist links im Bild der Güterbereich, dessen Anbindung hier gut zu erkennen ist: Eine Kreuzungsweiche verbindet die Gütergleise mit der Strecke. Sie scheint zum Zeitpunkt der Aufnahme noch betriebsfähig zu sein. Auch das Ausfahrtsignal für Güterzüge ganz links existiert, zeigt aber „Halt”. Wie bei allen Hauptsignalen auf dem Bild handelt es sich um ein Formsignal. Links neben dem Güterbereich Gleis 3, ebenfalls mit einem Formhaupt- und sogar einem Formrangiersignal – wohl für Rangierfahrten in den Güterbereich. Im Hintergrund ist nach links weggehend der Streckenast nach Wedel zu sehen. Nach rechts führen die Gleise nach Hamburg-Altona (und weiter in die Innenstadt), die S‑Bahn auf dem Weg dorthin verlässt gerade Gleis 2. Ganz rechts liegt Gleis 1, zum Zeitpunkt der Aufnahme gerade ohne Zug und als einziges der Gleise nur in Richtung Hamburg angebunden und nicht in Richtung Wedel.
Ein letzter Zeitsprung. Selbe Stelle (na gut, fast), andere Zeit. Es ist wieder August 2010 und ich finde es erstaunlich, wie wenig sich gerade an dieser Stelle seit 1997 geändert hat. Gut – ganz links kann man noch den Platz für das alte Güteranschlussgleis sehen, man beachte insbesondere die Stützmauer, die das leicht hügelige Gelände von der Gleistrasse trennt und die genauso schon 1997 gestanden hat. Ansonsten gibt es aber keine substanziellen Änderungen: Nach links die Strecke nach Wedel, nach rechts die Stecke in die Innenstadt. Dorthin ist auch die S11 unterwegs, die gerade aus Gleis 1 ausfährt. Das Weichenvorfeld des Bahnhofes hat sich gegenüber 1997 nicht geändert: Noch immer sind es die Gleise 2 und 3, die von Wedel und der Innenstadt aus erreichbar sind, während Gleis 1 über separate Weichen nur von der City aus angefahren werden kann. Dabei erlaubt der Aufbau der Weichenstraße eine recht flexible Betriebsführung: Wenn ein Zug aus Hamburg kommend auf Gleis 1 einfährt, kann gleichzeitig von Gleis 2 oder 3 von oder nach Wedel gefahren werden. Eine Ausfahrt aus Gleis 1 in Richtung Innenstadt kommt keiner anderen Fahrstraße in die Gleise 2 oder 3 in die Quere. Und die durchfahrenden Züge Hamburg-Wedel können je nach individueller Abweichung vom Fahrplan entweder vor oder nach dem Halt in Blankenese kreuzen.
Es sind die Kleinigkeiten, die sich seit 1997 geändert haben: Das Rangiersignal auf Gleis 3 ist weg. Dafür haben alle Signale dreieckige Zusatz-Lichtsignale bekommen. Auch die Schwellen und damit wohl die gesamten Gleise wurden seit 1997 offensichtlich ausgetauscht. Trotzdem ist man grundsätzlich bei den alten Formsignalen an dieser Stelle geblieben, eine angesichts der vielen sonstigen Änderungen bemerkenswerte Kontinuität.
Die Fotos aus dem Jahr 1997 sind im Rahmen eines Tagesbesuches in Hamburg entstanden. Nach erfolgreich über die Bühne gebrachten mündlichen Diplomprüfungen bin ich mit einem Freund dort einen Tag lang über das S- und U‑Bahnnetz gefahren. Seinerzeit hatte ich ansonsten nur wenig mit Hamburg zu tun. Mittlerweile hat sich das geändert und die Fotos aus dem Jahr 2010 stammen von Wochenendbesuchen, die ich – stundenweise – ebenfalls für mein Hobby nutze. Im Nachhinein liegt der Juli 1997 in einem kurzen Zeitfenster, indem in Blankenese der gerade endgültig außer Dienst gestellte Güterbereich noch nicht abgebaut war, gleichzeitig aber die heute dominierende S‑Bahnbaureihe 474 noch nicht existierte: Der erste Zug kam ziemlich genau einen Monat später in Hamburg an.
Auch am Fotoequipment sind die 13 Jahre nicht spurlos vorbeigegangen: 1997 habe ich mit einer chemischen („analogen”) Kleinbild-Kompaktkamera „gearbeitet”, deren Bilder hier mit einem Flachbettscanner in den Computer gelangt sind. Mittlerweile sorgt eine digitale Spiegelreflexkamera für eine wesentlich bessere Qualität. So ändern sich die Zeiten.
Toll. Gleich mal gucken, ob es noch mehr solche Zeitvergleiche hier gibt.