Aus einem Flugblatt zum Regierungsprogramm der CDU:
Es darf nichts unversucht bleiben, insbesondere unsere Kinder mit allen rechtstaatlich [sic!] zulässigen Möglichkeiten zu schützen. Wir wollen den Kindesmissbrauch grundsätzlich wieder als Verbrechen bestrafen.
Man halte einfach nur §1631 BGB, §225 StBG oder §177 StGB dagegen um klar zu erkennen, dass die implizite Aussage, Kindesmissbrauch würde momentan grundsätzlich nicht als Verbrechen bestraft, hanebüchener Blödsinn ist. Es bleiben eigentlich nur drei Möglichkeiten, diesen Auszug zu deuten:
- Die CDU möchte bei Kindesmisshandlungen den Grundsatz „Hilfe statt Strafe” abschaffen, der staatlichen Stellen einigen Ermessensspielraum bei der Verfolgung von Kindesmisshandlungen, vor allem im familiären Bereich, gibt. Das würde zwar zu der obrigkeitsstaatlichen Attitüde unserer Familienministerin passen, wäre aber mal wieder ein Schritt weg von den gesellschaftlichen Errungenschaften der letzten 40 Jahre.
- Es geht nicht wirklich um Kinderschutz. Die CDU hat bloß mal wieder ein paar markige Worte fallen lassen wollen. Und wenn dabei der Rechtsstaat in Frage steht, kommt der Verweis auf „irgendwas mit Kindern” immer besonders gut. Das würde auch erklären, warum der krude Satz ausgerechnet in einem Blatt über „Innere Sicherheit” auftaucht.
- Auf dem Papier waren noch zu viel weiße Stellen und der Praktikant hat einfach fröhlich drauflosfabuliert.
Angesichts der Tatsache, dass der CDU Chancen eingeräumt werden, nach der Wahl die größte Fraktion zu stellen, weiß ich nicht, welche dieser drei Erklärungen mich am meisten beunruhigt…
Zum Glück gibt’s am 27. September ja auch Alternativen: Piratenpartei wählen!
@5 (Frank) Ich denke, der Nichtjurist ist sich nicht immer bewusst, dass im Gesetz zwischen „Vergehen” und „Verbrechen” unterschieden wird. Daher fragt er natürlich keinen befreundeten Juristen o.ä., weil er es nicht für nötig erachtet. Ich hätte es auch nicht getan, wenn ich in den Kommentaren nicht aufgeklärt worden wäre.
@2 (André Jagusch) Danke für den Hinweis.
Wer sich an den Skandal in Sachsen erinnert wird sicher auch die Passage mit den KF aus Nachbarländern in Erinnerung haben. Nun wer ist erste Kraft in Sachsen und moppt alles was aufklären will – ja richtig die CDU. Hr. k. Nolle weiter so!!!
Dirk, du verstehst nicht wie Washkampfreden und Kommunikation funktionieren. Dabei geht es gar nicht um rationale Rede, sondern um lebendiges Träumen beim Zuhören.
Es geht es viel mehr um die sprachliche Schablone.
„Es darf nichts unversucht bleiben, insbesondere unsere Kinder mit allen rechtstaatlich [sic!] zulässigen Möglichkeiten zu schützen. Wir wollen den Kindesmissbrauch grundsätzlich wieder als Verbrechen bestrafen.”
„Bitte lassen Sie mich durch, WEIL ich es eilig habe.” funktioniert.
Es geht hier mehr um eine Phrasenwolke, die auf den Zuhören herummassiert. Die meisten Leute verstehen nicht einmal die Tagesschau, sie sind unkonzentriert, sie lesen nicht so aufmerksam wie du. Sie machen sich Sorgen um die Kinder. Sie wurden vielleicht selbst missbraucht und haben deshalb Gewaltphantasien. Sie wünschen sich hartes Durchgreifen, nicht ladida Realitätssinn.
Les den Text der CDU jemanden vor, und frage ihn dann, was Du geforderst hast. Was bleibt hängen?
„Verbrecher bestrafen” klingt ok
„rechtstaatlich” natürlich.
„Kinder” müssen geschützt werden.
„Es darf nichts unversucht bleiben” – die meinen es wirklich ernst mit dem Schutz der Kinder.
Der Witz ist also, dass du diese Sprache auf dem falschen Level liest.
Wenn man Deinen Blogbeitrag liest, kommt man auf „oder wie?”, „hanebüchener Blödsinn”, „krude”, „hat bloß mal wieder ein paar markige Worte fallen lassen wollen”. „kommt immer besonders gut”, „der Praktikant hat einfach fröhlich drauflosfabuliert.”, „mich am meisten beunruhigt”.
Was für eine Sprachmaske ist das? Teilweise klingt es nach machtlosem Gestänker. Wie klingt „Wahrheit”?
Obamas größte Leistung im Wahlkampf war, dass er richtig geklungen hat.
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Jetzt mal ehrlich, Ihr werdet doch irgend einen Juristen kennen (und sei es ein student im ersten Semester, da wird das nämlich gelehrt), der Euch den Unterscheid zwischen einem Verbrechen und einem Vergehen erläutert. Und zwar bevor man aus der Hüfte versucht einen Skandal zu konstruieren. Puh, wenn das der Piraten-Style wird.. na ja.
Ach ja: „Mit dem Absenden des Kommentars willigen Sie ein, dass der angegebene Name, Ihre E‑Mail-Adresse und die IP-Adresse Ihres Zugangs im Zusammenhang mit Ihrem Kommentar gespeichert werden.” Ohne Worte.
Okay durch die Verlinkung von §176 StGB im Posting von André ist mein vorhergehendes Posting wertlos geworden, denn in diesem Gesetz geht es bei sexuellem Missbrauch anscheinend nur um die direkte Handlung mit dem Kind und nicht „vor” dem Kind.
Leider habe ich diesen beim Schreiben meines anderen Postings noch nicht gesehen.
Jo, da geht es eigentlich nur um den Begriff „Verbrechen”.
Wobei mich der Begriff „Kindesmissbrauch” stört. Bei Wikipedia werde ich da zu Kindesmisshandlung umgeleitet und das klingt mehr nach Gewalt. Missbrauch klingt – vielleicht fälschlicherweise – eher nach sexuellen Handlungen (evtl. ohne Geschlechtsverkehr).
Ich habe mir das jetzt mal auf Wikipedia angesehen: http://de.wikipedia.org/wiki/Sexueller_Missbrauch_von_Kindern
„Sexueller Missbrauch von Kindern bezeichnet willentliche sexuelle Handlungen mit, an oder vor Kindern.”
Im Auge dieser Definition, darf ich mit reinem Gewissen behaupten, dass die CDU spinnt. Wenn sich jemand vor einem Kind, an seinem Glied herumspielt, ist das kein Grund, jemanden für ein Jahr einzusperren.
Wenn das allerdings unter §225 StGB (bei Dirk verlinkt) fiele und als „Störung der seelischen Entwicklung” gewertet würde, dann wäre es auch heute schon ein Verbrechen.
Kenne mich bei diesen Gesetzen leider nicht aus.
Ich habe es auch schon oft genug via Twitter richtiggestellt, aber dann auch nochmal hier:
Es ist eine Tatsache, dass § 176 I StGB derzeit keinen Verbrechenstatbestand nach § 12 I StGB darstellt. Es ist ja keine (große) Schande, das nicht zu wissen. Aber man sollte sich dann bei Nichtwissen nicht so künstlich aufregen, wüste Theorien entwickeln… sondern sich nach Erkennen auch einfach mal entschuldigen. 🙂
Ähm, Dirk. Lies mal den Absatz 1 von dem da: http://dejure.org/gesetze/StGB/12.html