Ich war gestern auf einer spannenden Veranstaltung: Der niederländische Anbieter „Swapfiets” ist in Hannover gestartet und hat ein durchaus zünftiges Eröffnungsevent gefeiert.
„Fiets” ist ein niederländisches Wort für „Fahrrad”. Und damit ist der zentrale Geschäftsinhalt schon benannt: „Swapfiets” vermietet Fahrräder. Allerdings nicht stunden- oder tageweise, sondern – sozusagen – dauerhaft: Für 17,50 EUR im Monat (Studenten 15 EUR) mietet man sein „eigenes” Fahrrad, das man dauerhaft allein nutzen kann. Das unterscheidet Swapfiets grundsätzlich von Anbietern wie Mobike, bei denen man üblicherweise für jede Nutzung ein anderes Fahrrad nutzt.
Aber nicht nur das: Swapfiets übernimmt auch sämtlichen Service: Abgenutzte Bremsbeläge, klemmende Gangschaltung, platter Reifen, defektes Licht: In all diesen Fällen (und allen anderen) ruft man den Swapfiets-Service, der dann im Stadtgebiet von Hannover vorbeikommt und das Fahrrad repariert. Bei größeren Reparaturen heißt das: Das Rad wird gegen ein gleichartiges anderes Rad ausgetauscht, mit dem man dann weiterfährt. „Swap fiets”, Fahrradtausch halt.
Ich konnte bei der Eröffnung die Fahrräder ausgiebig in Augenschein nehmen. Sie machen den Eindruck, als habe sich da mal jemand Gedanken gemacht: Der Rahmen hat einen halbhohen Einstieg, Lenker und Sattel sind höhenverstellbar. Anders als das niederländische Modell haben die Fahrräder für den deutschen Markt zwei Bremsen und eine 7‑Gang-Nabenschaltung. Die Kette ist halbgeschützt montiert: So macht man sich beim Fahren nicht dreckig, aber Service artet nicht zum Geduldsspiel aus, weil man erstmal einen vollummantelnden Kettenkasten demontieren muss.
Vorne hat das Fahrrad einen LED-Scheinwerfer mit Nabendynamo, das Rücklicht ist aber leider nur ein Batterielicht. Erst bei der Nachfolgebauserie soll es auch an den Dynamo angeschlossen sein. Etwas schade ist auch, dass es nur einen Gepäckträger vorne gibt. Hinten ist lediglich ein Schutzblechplastik montiert. Immerhin macht der Gepäckträger vorn aber einen stabilen Eindruck. Sehr clever finde ich das montierte Schloss, das eine Kombination aus Felgensteckschloss und Befestigungskette ist, die nur gemeinsam verschlossen werden können.
Die Räder haben teflonverstärkte Decken; diese werden als „pannensicher” vermarktet, aus eigener Erfahrung weiß ich aber, dass mit genug Pech auch mit diesen Decken ein Schlauch perforiert werden kann. Charakterisch ist schließlich der blaue Vorderreifen, den jedes Swapfiets hat.
Swapfiets hat eine bemerkenswerte Unternehmensgeschichte, wie auch ein (englischsprachiger) Artikel aus dem Jahr 2017 zeigt: Erst 2017 haben die vier Gründer laut Unternehmensfilm angefangen, Räder zu vermieten. Am Anfang waren es ausgemusterte oder Second-Hand-Räder, die instand gesetzt und zunächst im Freundes- und Bekanntenkreis vermietet wurden. Dann setzte ein furioses Wachstum ein: Ende 2017 waren es schon 20.000 Räder in allen wichtigen niederländischen Städten, jetzt im November 2018 ist die 80.000-Rad-Marke geknackt und die Expansion in Europa in vollem Gange.
Unter anderem auch in Deutschland. Hannover ist die fünfte und bis jetzt größte Stadt, in der Swapfiets in Deutschland seine Dienstleistung anbietet. Innerhalb des Unternehmens hat dieser Start augenscheinlich eine hohe Wichtigkeit: Diverse Manager für Deutschland und aus den Niederlanden – darunter einer der Gründer – waren anwesend. Zudem habe ich mit einer ganzen Reihe von Regionalverantwortlichen aus den verschiedensten deutschen Städten gesprochen, in denen jetzt auch ein Start erfolgt oder kurz bevorsteht. Es ist eine bemerkenswert energische Expansion, mit der Swapfiets in den Markt geht.
Ich finde Swapfiets aus zwei Gründen spannend. Erstmal bietet es ein meines Wissens bislang tatsächlich einzigartiges Konzept: Das Fahrrad als Rundum-Sorglos-Paket. Man hat quasi sein eigenes Rad, fährt damit und wenn es kaputt geht, kommt jemand und macht es wieder heile. Oder tauscht es aus. Auf jeden Fall hat man keinen Stress. Ich weiß aus eigener Erfahrung, dass Fahrradreparaturen immer Zeit und Geld und oft genug auch Nerven kosten. Wenn einem dies komplett abgenommen wird, ist das schon ein Komfortgewinn.
Damit könnten dann auch Menschen das Fahrrad als Verkehrsmittel entdecken, die sich momentan aus genau diesem Grund noch davor scheuen. Und das ist ein bisschen meine Hoffnung aus verkehrspolitischer Sicht: Es ist ja schön (vor allem für Swapfiets), wenn Menschen, die sowieso schon Rad fahren, jetzt von einem eigenen auf ein Swapfiets wechseln. Noch schöner ist es aber, wenn neue Menschen dazukommen. Denn jeder neue, zusätzliche Radfahrer ist ein zusätzliches Argument für eine gute und sichere Radverkehrsinfrastruktur, an der es in Hannover ja nach wie vor massiv mangelt.
Zum anderen weht bei Swapfiets auch ein bemerkenswert frischer Wind. Das ganze leitende Management ist in seinen 20er- und 30er-Jahren, der Umgang ist angenehm locker, das Geschlechterverhältnis wirkt zumindest ausgeglichener als man das sonst so sieht. Da ist ein junges, hippes Startup – und es vermietet Fahrräder. Bike- statt Bio- oder Fintech. Einen derartigen Stellenwert für den Radverkehr wünsche ich mir an so manch anderer Stelle.
Eine Expansion wie sie Swapfiets momentan hinlegt, ist ohne Investitionskapital nicht machbar. Dieses kommt wohl vor allem von mittelständischen Investoren. Und es ist augenscheinlich – jedenfalls bis jetzt – in ausreichender Menge da. So kann Swapfiets eine sehr begrüßenswerte regionale Entwicklungsstrategie umsetzen: Die Filialen in den bedienten Städten werden von Regional- und Stadtmanagern vor Ort betrieben und verantwortet – und nicht aus überregionalen oder gar im Ausland angesiedelten Zentralen. Das dürfte ein wichtiger Faktor für die Servicequalität und die Ortsverbundenheit sein.
Momentan hat Swapfiets nur einen Fahrradtyp im Angebot. Dessen Überarbeitung ist schon geplant, im Jahr 2019 sollen auch E‑Bikes dazukommen. Ich bin mit einem bemerkenswert positiven Gesamteindruck nach Hause gefahren. Ich halte das Konzept und die Umsetzung für gut und tatsächlich einen neuen Weg, ein Fahrrad zu benutzen. Ich hoffe, dass ich in den kommenden Monaten viele Fahrräder mit dem blauen Vorderrad im hannoverschen Straßenverkehr entdecken kann.
Hinweis: Ich war als Vertreter des ADFC Hannover auf der Eröffnungsveranstaltung. Der Bericht hier spiegelt aber ausdrücklich und ausschließlich meine eigene Meinung wider.
Schwere Chinaräder, dessen Preis die 200 Euro kaum überschreiten mag. Dafür knapp 20 Euro pro Monat, wer das Geld hat oder aufgrund dert falschgewachsenen Hände sein eigenes Fahrrad nicht warten kann soll sich dran erfreuen. Sonst kann man so eine Kiste jedes Jahr im Supermarkt holen und dan wegschmeissen – ist günstiger