Rad- und Fußweg längs der Øresundsmotorvejen: Mehr Platz für Radler

Kopenhagen II: Auf zwei Rädern durch die Stadt


Abge­se­hen vom abend­li­chen Essen habe ich ges­tern noch genau einen Weg zu Fuß erle­digt: Den zum Fahr­rad­ver­leih. Dabei kom­me ich natür­lich an einem Not­arzt­wa­gen im Ein­satz vor­bei, der sich gera­de um einen – augen­schein­lich nur leich­ter – ver­un­fall­ten Rad­fah­rer küm­mert. Ich seh’s posi­tiv: Soll­te mir sowas pas­sie­ren, ist wenigs­tens jemand da, der hilft. – Im Vor­feld hat­te ich mich schon infor­miert und dann hat auch alles pri­ma und wie geplant geklappt: Ich habe für die Zeit in Kopen­ha­gen ein Leih­fahr­rad. Drei Gän­ge, tie­fer Ein­stieg, kei­ne groß­ar­ti­ge Fede­rung – aber für 50 Kilo­me­ter am ers­ten Tag hat’s schon­mal gereicht.

Das schö­ne an ein einer ganz neu­en Stadt ist: Es ist egal, wo man lang­fährt, es ist alles neu. Beherz­tes zwei­ma­li­ges Abbie­gen nach rechts bringt mich auf den H. C. Ander­sens Bou­le­vard – und weil es sich so gut fährt fah­re ich und fah­re und fah­re… – bis ich dann mal nach Kilo­me­tern mal nach­schaue, wo ich eigent­lich bin: Die Ama­ger­bro­ga­de ist eine Geschäfts- und Ein­kaufs­stra­ße und führt über Kilo­me­ter schnur­ge­ra­de nach Süden – bis an den Rand des Flug­fel­des des Kopen­ha­ge­ner Flughafens.

Stre­cke am 2013-09-09

Damit ist die Ent­schei­dung gefal­len: Zum Ein­stieg bin ich mal im Kopen­ha­ge­ner Süden. Dar­auf kau­fe ich erst­mal zwei Bröt­chen und fol­ge dann der Stra­ße. Sie kreuzt – bereits ziem­lich weit im Süden – die Øre­sundsmo­tor­ve­jen – die Auto­bahn und Eisen­bahn zur Öre­sund­que­rung und Flug­ha­fen­an­bin­dung. Wei­ter und wei­ter nach Süden geht die Fahrt – bis die Haupt­stra­ße einen Knick nach Wes­ten macht und ein letz­ter Stra­ßen­stum­mel direkt am Flug­ha­fen­zaun endet. Beim „Fly­ver­gril­len” könn­te ich den Flug­zeu­gen zuschau­en. Statt­des­sen sor­ge ich für den ers­ten Bruch des Tages: Fahr­rad, Ruck­sack, Kame­ra und ich sind noch nicht so recht auf­ein­an­der abge­stimmt und beim Objek­tiv­wech­sel kracht mir das Tele­ob­jek­tiv auf den Boden. Schreck­se­kun­de. Den UV-Licht­fil­ter hat es erwischt. „Mach den drauf”, hat­te mir ein befreun­de­ter Foto­graf ganz am Anfang mal gesagt, „wenn das Ding run­ter­fällt, ist nur der bil­li­ge Fil­ter und nicht die teu­re Front­lin­se kaputt.” Das hat ja schon­mal geklappt.

Flyvergrillen am Kopenhagener Flughafen

Fly­ver­gril­len am Kopen­ha­ge­ner Flughafen

Objektiv gegen Straßenbelag: 0 : 1. Zum Glück hat es nur den UV-Filter erwischt

Objek­tiv gegen Stra­ßen­be­lag: 0 : 1. Zum Glück hat es nur den UV-Fil­ter erwischt

Hier unten bin ich qua­si aus der Stadt raus. Die Tøm­me­rup­vej ist eine schon länd­lich anmu­ten­de Stra­ße ohne Fuß- und Rad­weg. Über die Ugan­da­vej fah­re ich ein gan­zes Stück nach Wes­ten, bevor es auf der Kon­ge­lunds­vej wie­der nach Nor­den geht. Bei­des sind gut aus­ge­bau­te Durch­gangs­ver­kehrs­stra­ßen und „gut aus­ge­baut” meint ins­be­son­de­re: Brei­te Rad­we­ge auf bei­den Stra­ßen­sei­ten. Die Abzwei­gung der Oli­ef­a­briks­vej ist als Krei­sel mit umlau­fen­dem Rad­weg gebaut – ansons­ten fah­re ich Kilo­me­ter um Kilo­me­ter wie­der nach Norden.

Kreisel an der Kongelundsvej: Nach rechts zweigt die Oliefabriksvej ab

Krei­sel an der Kon­ge­lunds­vej: Nach rechts zweigt die Oli­ef­a­briks­vej ab

Direkt hin­ter der Kreu­zung mit dem Øre­sundsmo­tor­ve­jen – den wer­de ich heu­te noch öfter sehen – geht es dann wie­der nach Osten. Mein Fern­ziel ist der Flug­ha­fen, aber hier ist erst­mal ein wohl zusam­men mit der dane­ben­lie­gen­den Auto­bahn ange­leg­ter Fuß- und Rad­weg. Kopen­ha­gen-typisch ist hier der Rad­weg etwa dop­pelt so breit wie der Fuß­weg und dazwi­schen eine deut­li­che bau­li­che Tren­nung – und nicht nur ein simp­ler Strich.

Rad- und Fußweg längs der Øresundsmotorvejen: Mehr Platz für Radler

Rad- und Fuß­weg längs der Øre­sundsmo­tor­ve­jen: Mehr Platz für Radler

Ich woll­te eigent­lich über die Tårn­by­vej wei­ter nach Osten, aber der Kreis­ver­kehr am Eng­lands­vej weckt mein Inter­es­se: Es ist noch zu erken­nen, dass hier mal eine wei­te­re Stra­ße in den Krei­sel ein­mün­de­te. An ihrer Stel­le fin­det sich jetzt eine lang­ge­zo­ge­ne Grün­flä­che mit mäan­dern­dem Wei­her und ruhi­gen Fuß- und Rad­we­gen. Ich zie­he die­se der Haupt­stra­ße vor und kreu­ze so wie­der die Ama­ger Lan­de­vej – in einer Fuß- und Rad­weg­un­ter­füh­rung. Hier in Kastrup blei­be ich auf Neben­stra­ßen, kreu­ze erst die Metro­tras­se zum Flug­ha­fen und schließ­lich wie­der die Öre­sund­au­to­bahn, um dann schließ­lich am Flug­ha­fen zu lan­den. Auch hier gibt es eine voll­stän­di­ge Rad­weg­ver­kehrs­füh­rung. Ich pau­sie­re am Ter­mi­nal 3, das auch direkt an die U‑Bahnendhaltestelle ange­bun­den ist.

Parkanlage an Tårnby: Grün statt Straße

Park­an­la­ge an Tårn­by: Grün statt Straße

Fuß- und Radwegunterführung unter der Amager Landevej

Fuß- und Rad­weg­un­ter­füh­rung unter der Ama­ger Landevej

Ellehammersvej am Flughafenterminal 3

Elle­ham­mers­vej am Flug­ha­fen­ter­mi­nal 3

Vom Flug­ha­fen aus geht es wie­der nach Wes­ten, wie­der auf den Ama­ger Lands­vej – und wie­der über die Øre­sundsmo­tor­ve­jen. Auf der Brü­cke mache ich dann den ent­schei­den­den Durch­bruch in Sachen Aus­rüs­tung: Durch geschick­te Füh­rung der Schul­ter­gur­te um die Sat­tel­stüt­ze gelingt es mir, den Ruck­sack sicher auf dem Fahr­rad­ge­päck­trä­ger zu befes­ti­gen. Das hat zwei Vor­tei­le: Zum einen tra­ge ich ihn nicht mehr die gan­ze Zeit auf dem Rücken und zum ande­ren kom­me ich jetzt sogar bes­ser und schnel­ler an die Kame­ra her­an. Erleich­tert set­ze ich die Fahrt fort.

Über die Salt­værks­wej geht es durch Kastrup ganz in den Osten an die Küs­te des Øre­sund. Ein aus­ge­dehn­ter – und gut bestück­ter – Yacht­ha­fen ist ein siche­res Zei­chen, dass ich mich in einer skan­di­na­vi­schen Küs­ten­stadt befin­de. Am Hori­zont liegt die Öre­sund­brü­cke im Dunst.

Yachthafen am Kastrup Strandpark

Yacht­ha­fen am Kastrup Strandpark

Öresundbrücke von Kastrup aus gesehen

Öre­sund­brü­cke von Kastrup aus gesehen

Ich fah­re nun wie­der nach Nor­den durch den Ama­ger Strand­park. Im Som­mer dürf­ten die brei­te Strand­pro­me­na­de und die Dünen­land­schaft gut besucht sein – heu­te ist kaum ein Dut­zend Spa­zier­gän­ger unter­wegs. Die wuch­ti­gen Bau­ten auf dem Gelän­de erin­nern mich ein wenig an die alba­ni­schen Beton­bun­ker der Hod­scha-Ära – die hier sind aller­dings Ser­vice­ge­bäu­de mit Kios­ken, Duschen (auch behin­der­ten­ge­recht) und Toi­let­ten. An eini­gen könn­te man sogar Seg­ways lei­hen – wenn sie denn offen wären.

Servicepoint am Amager Strandpark

Ser­vice­point am Ama­ger Strandpark

Dünenlandschaft im Amager Strandpark

Dünen­land­schaft im Ama­ger Strandpark

Øresundsstien am Nordende des Amager Strandpark

Øre­sundss­ti­en am Nor­den­de des Ama­ger Strandpark

Als ich am Nor­den­de des Strand­parks ankom­me und über den Øre­sundss­ti­en wie­der aufs „Fest­land” fah­re, erweist sich der Wet­ter­be­richt lei­der als zutref­fend: Es fängt an zu reg­nen: Erst seicht, dann stär­ker, dann so, dass es ärger­lich wird. Ich mache erst­mal eine Ein­kaufs­pau­se bei Lidl und war­te dann an der Ecke Øresundsvej/Amager Strand­vej ab. Nein, es wird nicht bes­ser. Und der Wet­ter­be­richt – ich habe Inter­net! – sagt, dass es die nächs­ten Stun­den wei­ter­reg­nen wird. Also schlägt die Stun­de des Equip­ments: Ich hole das Regen­zeug raus und set­ze die Fahrt fort – und zwar so wie geplant und nicht auf dem direk­ten Weg ins Hotel; „wir sind doch nicht aus Zucker”, pfleg­te mei­ne Oma in sol­chen Situa­tio­nen immer zu sagen.

Unge­zu­ckert, dafür von innen und außen zuneh­mend durch­feuch­tet, geht es also wei­ter: Auf der Øre­sundsvej durch Ama­ger Øst, dann auf der Eng­lands­vej durch Ama­ger West, auf der Vej­lands Allé am Ama­ger­fæl­led vor­bei und dann ist plötz­lich der Rad­weg zu Ende. Wie? Nein, 20 Meter von der Stra­ße ent­fernt geht er gut aus­ge­baut wei­ter. Ich war ent­we­der unauf­merk­sam – was auf Grund des Wet­ters kein Wun­der wäre – oder hier ist tat­säch­lich eine Lücke in der Aus­schil­de­rung der Radspuren.

Auf dem gut aus­ge­bau­ten – und ab hier auch wie­der kom­plett beschil­der­ten – Rad­weg geht es wei­ter. Auf der Sjæl­lands­bro­en nach Syd­havn. Es reg­net wei­ter vor sich hin, aber ich bin alles ande­re als allein auf dem Rad­weg. So lang­sam beginnt der Fei­er­abend­ver­kehr. Und den merkt man hier nicht nur auf der Stra­ße, son­dern eben auch auf dem Rad­weg. Und das massiv.

Es hat sei­nen Grund, war­um die Rad­we­ge hier breit genug für zwei Räder neben­ein­an­der sind: Das ermög­licht das Über­ho­len. Wenn man wie ich mit mitt­le­rer Geschwin­dig­keit unter­wegs ist, stellt sich dabei schnell so eine Art „Auto­bahn­ge­fühl” ein: Bevor man zum Über­ho­len ansetzt: Immer schau­en, ob von hin­ten jemand kommt. Und häu­fig kommt jemand. Kopen­ha­ge­ner sind geüb­te Rad­fah­rer und ehe ich mich’s ver­se­he, ste­he ich mit­ten in einem Pulk von 20 Rad­lern an einer Ampelkreuzung.

Wenn das Wet­ter etwas bes­ser gewe­sen wäre, hät­te ich in vol­len Zügen genos­sen und sicher­lich etli­che Fotos gemacht. Da ich aber mer­ke, dass ich trotz Regen­zeug lang­sam voll­stän­dig durch­wei­che, fah­re ich in eins durch und lan­de über die Eng­ha­ve­vej und die H. C. Ørs­teds Vej am Åbou­le­vard und schließ­lich im Hotel, wo ich das Fahr­rad auf dem Hof abstel­le und mich erst­mal unter die Dusche verziehe.

Der Abend bringt dann nur noch ein lecke­res Sushi in der Nach­bar­schaft und ein biss­chen Scho­ko­la­de aus dem Super­markt. Mer­ke: Wer 50 Kilo­me­ter Fahr­rad gefah­ren ist, der darf sich auch mal eine Extra­por­ti­on gön­nen. Und all­zu­vie­le Extra­por­tio­nen wird es ange­sichts des all­ge­mei­nen Preis­ni­veaus in Kopen­ha­gen wohl nicht geben…

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