Die Piratenpartei – Rettung möglich oder ist’s vorbei? 4


Die Pira­ten­par­tei gibt zur­zeit wenig Grund zum Freu­en. Auf Bun­des­ebe­ne hat es den Vor­stand zer­legt – das ist schon­mal schlecht. Ein außer­or­dent­li­cher Par­tei­tag soll’s rich­ten – das könn­te es bes­ser machen. Nen­nens­wer­te Tei­le der Par­tei tun aber gera­de alles dafür, dass auch die­ser Schritt mög­lichst desas­trös daher­kommt. Ich möch­te die zwei wich­ti­gen Punk­te erläutern:

1) Debat­ten­kul­tur

Foren und Nach­rich­ten­diens­te quel­len im Zuge der Vor­be­rei­tun­gen zum Par­tei­tag schon wie­der über vor übel­mei­nen­den Unter­stel­lun­gen gegen den ver­blie­be­nen Rest­vor­stand. Bereits mehr­fach konn­te ich von laut­stark vor­get­re­ge­nen Mei­nun­gen lesen und hören, die das gesam­te Vor­ge­hen des Vor­stan­des für nicht sat­zungs­kon­form oder von destruk­ti­ven Moti­ven getrie­ben abkan­zel­ten und dabei hämisch anmerk­ten, die „Kos­ten für den außer­or­dent­li­chen Par­tei­tag müss­ten die dann wohl selbst zah­len – 100.000 EUR, hehehe!”

Abge­se­hen davon, dass ich ganz per­sön­lich das Vor­ge­hen des kom­mis­sa­ri­schen Rest­vor­stan­des für durch­aus ver­tret­bar hal­te – was bezwe­cken die par­tei­in­ter­nen Anti-Vor­stands­laut­spre­cher mit ihrem Vor­ge­hen? Wollt ihr jetzt einen Par­tei­tag mit Vor­stands­neu­wahl oder nicht? Soll es mit die­ser Par­tei wei­ter­ge­hen? Dann brau­chen wir wohl eine neue Füh­rungs­spit­ze, das heißt einen neu­en Bundesvorstand.

Und dann die­se Dis­kus­si­on um „außer­or­dent­li­chen” und „nicht außer­or­dent­li­chen Par­tei­tag”, die von eini­gen mit erstaun­li­chem Elan geführt wird. Es ist, den­ke ich, rich­tig und wich­tig, dass ein Vor­stand – und sei es auch nur ein kom­mis­sa­risch arbei­ten­der Rumpf­vor­stand – der Par­tei die Mög­lich­keit geben will, so früh wie mög­lich auch wie­der inhalt­lich zu dis­ku­tie­ren und Ent­schei­dun­gen zu fäl­len. Dage­gen mit juris­tisch ange­hauch­tem Win­kel­ad­vo­ka­ten­tum zu wet­tern lässt mich erstaunt zurück – wollt ihr nicht inhalt­lich dis­ku­tie­ren? Wollt ihr kei­ne Beschlüsse?

Ins­ge­samt gibt die Pira­ten­par­tei hier mei­nes Erach­tens ein erschre­cken­des Bild nach außen ab: Statt inhalt­li­cher oder pro­gram­ma­ti­scher Arbeit und Aus­sa­gen gibt es inter­ne Strei­tig­kei­ten. Und die­se las­sen sowohl eine irgend­wie erahn­ba­re stra­te­gi­sche Rich­tung ver­mis­sen als auch – mal wie­der – an vie­len Stel­len die Grund­zü­ge sozi­al­ad­äqua­ten Ver­hal­tens. Statt – auch har­scher – inhalt­li­cher Kri­tik wird mit per­sön­li­chen Angrif­fen und Unter­stel­lun­gen auf unters­ter Kate­go­rie han­tiert. Debat­ten­kul­tur? Fehlanzeige.

2) Inhalt­li­cher Anspruch

In Hal­le soll nun Mit­te Juni ein neu­er Vor­stand gewählt wer­den. Ich fra­ge mich: Wer soll da rein? Und: In wel­che Rich­tung soll das eigent­lich gehen. Ver­schie­dent­lich geht momen­tan die Theo­rie um, die Pira­ten­par­tei wür­de „von links geka­pert”. Ich kann nicht abschlie­ßend beur­tei­len, ob das der Fall ist oder nicht. Was mir aber auf­fällt: Was auch immer da „von links” an poli­ti­schen Inhal­ten hin­ein­schwappt – es ver­drängt nichts. Einen inhalt­li­chen Anspruch schei­nen näm­lich gro­ße Tei­le die­ser Par­tei nicht zu haben.

Schon das Schwei­gen rund um die NSA-Vor­gän­ge und Edward Snow­den war ja letz­tes Jahr nicht zu über­hö­ren. Das The­ma geis­tert nun mitt­ler­wei­le seit Mona­ten durch die Gesell­schaft – aber immer schön an den Pira­ten vor­bei. Inhalt­li­che Set­zun­gen sind kaum zu ver­neh­men. Letz­te Woche wur­de auf euro­päi­scher Ebe­ne die ver­nied­li­chend „Vor­rats­da­ten­spei­che­rung” genann­te Total­über­wa­chung der Bevöl­ke­rung höchst­rich­ter­lich gestoppt – kein Wider­hall in der Pira­ten­par­tei. Rot-grün arbei­tet sich an die­sem Urteil ab. Pira­ten­par­tei: Nichts. In den USA steht im Mai das Soft­ware­pa­tent­we­sen vor dem Supre­me Court. Inter­es­se inner­halb der Pira­ten­par­tei: Null. Mit der C3S geht eine Gema-Kon­kur­renz an den Start, die mit­tel­fris­tig mit diver­sen Ärger­nis­sen in der deut­schen Rechts­spre­chung – Stich­wort: Gema-Ver­mu­tung – auf­räu­men könn­te. Pira­ten­par­tei dazu: Schweigen.

Und damit mei­ne ich nicht mal, dass es kei­ne öffent­lich wahr­nehm­ba­ren Äuße­run­gen der Pira­ten­par­tei dazu gibt. Auch inner­halb der Par­tei fin­det kei­ne Dis­kus­si­on statt. Die Mai­ling­lis­ten – seit Jah­ren schon im Nie­der­gang begrif­fen – sind so gut wie tot, wenn es um inhalt­li­che Dis­kus­sio­nen geht. Weit­hin beach­te­te Dis­kus­si­ons­bei­trä­ge ein­zel­ner Pira­ten, die zum Bei­spiel durch Vor­stän­de oder ande­re Pira­ten „mit Stan­ding” ver­brei­tet wür­den, gibt es auch nicht. Es scheint auch über­haupt kein Inter­es­se an die­sen The­men vor­han­den zu sein. Den The­men übri­gens, deret­we­gen die Par­tei 2006 gegrün­det wurde.

Und das macht es für mich auch so schwer, posi­tiv nach Hal­le zu schau­en. Ok, wir mögen einen neu­en Vor­stand wäh­len. Aber inhalt­li­che Arbeit pas­siert nur allein dadurch kein biss­chen. Und: Ich wüss­te momen­tan auch über­haupt nicht, wen ich in so einem Vor­stand sehen möch­te. Wo sind zumin­dest größ­ten­teils bun­des­weit bekann­te Pira­ten, die sich für ein Vor­stands­amt zur Ver­fü­gung stel­len wol­len; Pira­ten, von denen man zumin­dest eine fun­dier­te Ahnung hat, wofür sie ste­hen; und Pira­ten, die inner­halb der Par­tei einen neu­en Kon­sens mode­rie­ren und gestal­ten kön­nen, der uns allen ein Leit­fa­den sein kann, in wel­che Rich­tung wir mit dem gro­ßen Pira­ten­schiff in Zukunft segeln wol­len. Gemein­sam segeln wollen.

Mir fällt da momen­tan nie­mand ein. Und wenn mir jemand ein­fie­le: Will sich wirk­lich jemand zum Vor­tän­zer eines Hau­fens auf­schwin­gen, der ihn im Zwei­fels­fall in schwie­ri­gen Situa­tio­nen nicht unter­stützt, son­dern genuss­voll über die Plan­ke lau­fen lässt? Ich war selbst mal Bun­des­vor­sit­zen­der, schon damals – 2008 – hat­te das etwas enorm Ner­ven­zeh­ren­des und das ist defi­ni­tiv nicht bes­ser geworden.

Des­halb ist mei­ne Erwar­tung an Hal­le und an die Zeit danach äußerst ver­hal­ten: Sicher, wir mögen dort einen neu­en Vor­stand wäh­len. Aber ein neu­er Vor­stand allein reicht nicht. Und ich sehe momen­tan nicht, dass wir den Rest so gewuppt bekom­men, dass die Pira­ten­par­tei wie­der zu einer ernst zu neh­men­den poli­ti­schen Kraft in Deutsch­land wird. Des­halb bin ich übri­gens 2006 mal Mit­glied geworden.

Ich muss also zu mei­nem gro­ßen Bedau­ern fest­hal­ten, dass ich momen­tan rat­los bin und nicht weiß, ob und wie die Pira­ten­par­tei wie­der flott zu bekom­men ist.


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4 Gedanken zu “Die Piratenpartei – Rettung möglich oder ist’s vorbei?

  • Saibot Ffohein

    Der wie viel­te Ver­such einer Analyse.
    Der wie viel­te gute Ansatz.
    Der wie viel­te Blog zu die­sem Thema

    Die wie viel­te .… ach bringt nichts. a wie Auf­lö­sung ! #aBPT

  • 10010101000101001001

    In der Pira­ten­par­tei geht es sdchon lan­ge nicht mehr um the­men son­dern nur noch um Macht­kampf. Ein Macht­kampf der mit allen Mit­teln aus­ge­tra­gen wird.

    Wir hat­ten die Snow­den Affä­re, jetzt das TTIP. The­men mit denen sich locker sehr vie­le Wäh­ler errei­chen lie­sen. Aber gibt es von der Pira­ten­par­tei zu TTIP irgend­ei­ne Kam­pa­gne zur Euro­pa­wahl ? Nein, nicht im gerings­ten. Außer ein par News auf der Haupt­sei­te und ein par ver­spä­te­ten Pres­se­mit­tei­lun­gen pas­siert da nichts mehr.

    Denn die­je­ni­gen die mal wegen der The­men ein­ge­tre­ten sind haben doch schon zum gro­ßen teil frus­triert auf­ge­ge­ben. Was bleibt ist ein hau­fen ideo­lo­gen die ihre ideo­lo­gi­schen Gra­ben­kämp­fe aus­füh­ren. Anti­fa, Gen­der usw, davon hört man ganz viel (Meist nur shit­s­torms gegen die jeweils ande­re ideo­lo­gi­sche Gruppe).

    In Öster­reich hat die Pira­ten­par­tei die­sen Pro­zess schon hin­ter sich, hat sich dort im Dau­er­streit zer­legt und ist nun mit der „Kom­mu­nis­ti­schen Par­tei Öster­reichs” ein Wahl­bünd­niss ein­ge­gan­gen und in die Bedeu­tungs­lo­sig­keit abge­sackt. Das glei­che Schick­sal steht nun auch der Pira­ten­par­tei Deutsch­land bevor.

  • OEPirat

    Die Sache ist die, dass es 2 Din­ge gibt, die eine Par­tei tun muss:

    1.) Ein Pro­gramm bestim­men – das funk­tio­niert demo­kra­tisch sehr ein­fach und gut
    2.) Die eige­nen Inhal­te nach Außen trans­por­tie­ren – das ist viel Arbeit, man muss gut ver­netzt sein, braucht fähi­ge Leu­te, ist eine sehr müh­sa­me Arbeit, die wenig sicht­bar ist, unheim­lich vie­le Res­sour­cen frisst und Ver­ant­wort­li­che in den Burn­out treibt.

    Wenn die Pira­ten­par­tei wie­der flott gemacht wer­den soll, dann müs­sen Stra­te­gien erar­bei­tet wer­den MEHR Mit­glie­der in Arbei­ten der Kate­go­rie 2 ein­fach ein­bin­den zu kön­nen, es gibt vie­le Mit­glie­der, deren ein­zi­ge Mög­lich­keit es ist Kri­tik an den gewähl­ten Ver­tre­tern zu üben, da sie kei­nen Ein­fluss dar­auf haben, wie die­se arbei­ten oder dar­an mit zu arbei­ten (zum Teil wol­len die es auch garnicht).
    Ich denk mir halt jeder der mit­be­kommt – direkt oder indi­rekt – wie viel Auf­wand das ist wird sich danach mit sei­ner Kri­tik zurück halten.
    Dan­ke für den net­ten Artikel
    LG

  • Georg von Boroviczeny

    sehr pes­si­mis­tisch, die­ser blog.….
    lei­der nur zu wahr.….
    ob das die ‚Laut­spre­cher’ lesen und vor allem auch noch die rich­ti­gen Schlüs­se dar­aus ziehen?
    Ich hab’ da so mei­ne Zweifel