Die Piratenpartei gibt zurzeit wenig Grund zum Freuen. Auf Bundesebene hat es den Vorstand zerlegt – das ist schonmal schlecht. Ein außerordentlicher Parteitag soll’s richten – das könnte es besser machen. Nennenswerte Teile der Partei tun aber gerade alles dafür, dass auch dieser Schritt möglichst desaströs daherkommt. Ich möchte die zwei wichtigen Punkte erläutern:
1) Debattenkultur
Foren und Nachrichtendienste quellen im Zuge der Vorbereitungen zum Parteitag schon wieder über vor übelmeinenden Unterstellungen gegen den verbliebenen Restvorstand. Bereits mehrfach konnte ich von lautstark vorgetregenen Meinungen lesen und hören, die das gesamte Vorgehen des Vorstandes für nicht satzungskonform oder von destruktiven Motiven getrieben abkanzelten und dabei hämisch anmerkten, die „Kosten für den außerordentlichen Parteitag müssten die dann wohl selbst zahlen – 100.000 EUR, hehehe!”
Abgesehen davon, dass ich ganz persönlich das Vorgehen des kommissarischen Restvorstandes für durchaus vertretbar halte – was bezwecken die parteiinternen Anti-Vorstandslautsprecher mit ihrem Vorgehen? Wollt ihr jetzt einen Parteitag mit Vorstandsneuwahl oder nicht? Soll es mit dieser Partei weitergehen? Dann brauchen wir wohl eine neue Führungsspitze, das heißt einen neuen Bundesvorstand.
Und dann diese Diskussion um „außerordentlichen” und „nicht außerordentlichen Parteitag”, die von einigen mit erstaunlichem Elan geführt wird. Es ist, denke ich, richtig und wichtig, dass ein Vorstand – und sei es auch nur ein kommissarisch arbeitender Rumpfvorstand – der Partei die Möglichkeit geben will, so früh wie möglich auch wieder inhaltlich zu diskutieren und Entscheidungen zu fällen. Dagegen mit juristisch angehauchtem Winkeladvokatentum zu wettern lässt mich erstaunt zurück – wollt ihr nicht inhaltlich diskutieren? Wollt ihr keine Beschlüsse?
Insgesamt gibt die Piratenpartei hier meines Erachtens ein erschreckendes Bild nach außen ab: Statt inhaltlicher oder programmatischer Arbeit und Aussagen gibt es interne Streitigkeiten. Und diese lassen sowohl eine irgendwie erahnbare strategische Richtung vermissen als auch – mal wieder – an vielen Stellen die Grundzüge sozialadäquaten Verhaltens. Statt – auch harscher – inhaltlicher Kritik wird mit persönlichen Angriffen und Unterstellungen auf unterster Kategorie hantiert. Debattenkultur? Fehlanzeige.
2) Inhaltlicher Anspruch
In Halle soll nun Mitte Juni ein neuer Vorstand gewählt werden. Ich frage mich: Wer soll da rein? Und: In welche Richtung soll das eigentlich gehen. Verschiedentlich geht momentan die Theorie um, die Piratenpartei würde „von links gekapert”. Ich kann nicht abschließend beurteilen, ob das der Fall ist oder nicht. Was mir aber auffällt: Was auch immer da „von links” an politischen Inhalten hineinschwappt – es verdrängt nichts. Einen inhaltlichen Anspruch scheinen nämlich große Teile dieser Partei nicht zu haben.
Schon das Schweigen rund um die NSA-Vorgänge und Edward Snowden war ja letztes Jahr nicht zu überhören. Das Thema geistert nun mittlerweile seit Monaten durch die Gesellschaft – aber immer schön an den Piraten vorbei. Inhaltliche Setzungen sind kaum zu vernehmen. Letzte Woche wurde auf europäischer Ebene die verniedlichend „Vorratsdatenspeicherung” genannte Totalüberwachung der Bevölkerung höchstrichterlich gestoppt – kein Widerhall in der Piratenpartei. Rot-grün arbeitet sich an diesem Urteil ab. Piratenpartei: Nichts. In den USA steht im Mai das Softwarepatentwesen vor dem Supreme Court. Interesse innerhalb der Piratenpartei: Null. Mit der C3S geht eine Gema-Konkurrenz an den Start, die mittelfristig mit diversen Ärgernissen in der deutschen Rechtssprechung – Stichwort: Gema-Vermutung – aufräumen könnte. Piratenpartei dazu: Schweigen.
Und damit meine ich nicht mal, dass es keine öffentlich wahrnehmbaren Äußerungen der Piratenpartei dazu gibt. Auch innerhalb der Partei findet keine Diskussion statt. Die Mailinglisten – seit Jahren schon im Niedergang begriffen – sind so gut wie tot, wenn es um inhaltliche Diskussionen geht. Weithin beachtete Diskussionsbeiträge einzelner Piraten, die zum Beispiel durch Vorstände oder andere Piraten „mit Standing” verbreitet würden, gibt es auch nicht. Es scheint auch überhaupt kein Interesse an diesen Themen vorhanden zu sein. Den Themen übrigens, deretwegen die Partei 2006 gegründet wurde.
Und das macht es für mich auch so schwer, positiv nach Halle zu schauen. Ok, wir mögen einen neuen Vorstand wählen. Aber inhaltliche Arbeit passiert nur allein dadurch kein bisschen. Und: Ich wüsste momentan auch überhaupt nicht, wen ich in so einem Vorstand sehen möchte. Wo sind zumindest größtenteils bundesweit bekannte Piraten, die sich für ein Vorstandsamt zur Verfügung stellen wollen; Piraten, von denen man zumindest eine fundierte Ahnung hat, wofür sie stehen; und Piraten, die innerhalb der Partei einen neuen Konsens moderieren und gestalten können, der uns allen ein Leitfaden sein kann, in welche Richtung wir mit dem großen Piratenschiff in Zukunft segeln wollen. Gemeinsam segeln wollen.
Mir fällt da momentan niemand ein. Und wenn mir jemand einfiele: Will sich wirklich jemand zum Vortänzer eines Haufens aufschwingen, der ihn im Zweifelsfall in schwierigen Situationen nicht unterstützt, sondern genussvoll über die Planke laufen lässt? Ich war selbst mal Bundesvorsitzender, schon damals – 2008 – hatte das etwas enorm Nervenzehrendes und das ist definitiv nicht besser geworden.
Deshalb ist meine Erwartung an Halle und an die Zeit danach äußerst verhalten: Sicher, wir mögen dort einen neuen Vorstand wählen. Aber ein neuer Vorstand allein reicht nicht. Und ich sehe momentan nicht, dass wir den Rest so gewuppt bekommen, dass die Piratenpartei wieder zu einer ernst zu nehmenden politischen Kraft in Deutschland wird. Deshalb bin ich übrigens 2006 mal Mitglied geworden.
Ich muss also zu meinem großen Bedauern festhalten, dass ich momentan ratlos bin und nicht weiß, ob und wie die Piratenpartei wieder flott zu bekommen ist.
Der wie vielte Versuch einer Analyse.
Der wie vielte gute Ansatz.
Der wie vielte Blog zu diesem Thema
Die wie vielte .… ach bringt nichts. a wie Auflösung ! #aBPT
In der Piratenpartei geht es sdchon lange nicht mehr um themen sondern nur noch um Machtkampf. Ein Machtkampf der mit allen Mitteln ausgetragen wird.
Wir hatten die Snowden Affäre, jetzt das TTIP. Themen mit denen sich locker sehr viele Wähler erreichen liesen. Aber gibt es von der Piratenpartei zu TTIP irgendeine Kampagne zur Europawahl ? Nein, nicht im geringsten. Außer ein par News auf der Hauptseite und ein par verspäteten Pressemitteilungen passiert da nichts mehr.
Denn diejenigen die mal wegen der Themen eingetreten sind haben doch schon zum großen teil frustriert aufgegeben. Was bleibt ist ein haufen ideologen die ihre ideologischen Grabenkämpfe ausführen. Antifa, Gender usw, davon hört man ganz viel (Meist nur shitstorms gegen die jeweils andere ideologische Gruppe).
In Österreich hat die Piratenpartei diesen Prozess schon hinter sich, hat sich dort im Dauerstreit zerlegt und ist nun mit der „Kommunistischen Partei Österreichs” ein Wahlbündniss eingegangen und in die Bedeutungslosigkeit abgesackt. Das gleiche Schicksal steht nun auch der Piratenpartei Deutschland bevor.
Die Sache ist die, dass es 2 Dinge gibt, die eine Partei tun muss:
1.) Ein Programm bestimmen – das funktioniert demokratisch sehr einfach und gut
2.) Die eigenen Inhalte nach Außen transportieren – das ist viel Arbeit, man muss gut vernetzt sein, braucht fähige Leute, ist eine sehr mühsame Arbeit, die wenig sichtbar ist, unheimlich viele Ressourcen frisst und Verantwortliche in den Burnout treibt.
Wenn die Piratenpartei wieder flott gemacht werden soll, dann müssen Strategien erarbeitet werden MEHR Mitglieder in Arbeiten der Kategorie 2 einfach einbinden zu können, es gibt viele Mitglieder, deren einzige Möglichkeit es ist Kritik an den gewählten Vertretern zu üben, da sie keinen Einfluss darauf haben, wie diese arbeiten oder daran mit zu arbeiten (zum Teil wollen die es auch garnicht).
Ich denk mir halt jeder der mitbekommt – direkt oder indirekt – wie viel Aufwand das ist wird sich danach mit seiner Kritik zurück halten.
Danke für den netten Artikel
LG
sehr pessimistisch, dieser blog.….
leider nur zu wahr.….
ob das die ‚Lautsprecher’ lesen und vor allem auch noch die richtigen Schlüsse daraus ziehen?
Ich hab’ da so meine Zweifel