Unser heutiges Nahverkehrsfoto ist mal wieder aus älterer Zeit. Und es ist ein Dokument des Scheiterns. Wir befinden uns in Ludwigshafen, der Schwesterstadt zu Mannheim auf der anderen Rheinseite. Beide Städte betreiben ein betrieblich einheitliches Straßenbahnnetz in Meterspur. Und in den 1960er Jahren gab es für dieses Netz – ähnlich wie vor einigen Tagen schon in Essen gesehen – Planungen für eine Umrüstung auf eine normalspurige Stadtbahn mit Hochflurfahrzeugen und hohem Anteil kreuzungsfreier Wegführung.
Mit der BASF als Einnahmequelle war Ludwigshafen gut gerüstet und fing mit dem „Umbau” des Straßenbahnnetzes an. Ins Zentrum der Stadt wurde das Rathaus mit angeschlossenem Einkaufszentrum gesetzt und darunter eine Haltestelle mit nicht weniger als sechs Gleisen. „Ludwigshafen Rathaus” sollte drei der avisierten fünf Stadtbahnstrecken verknüpfen. Auf der oberen Ebene sollte es zwei Mittelbahnsteige im Richtungsbetrieb geben, unten quer dazu zwei weitere Gleise mit Seitenbahnsteigen. Auf dem Bild sind die beiden mittleren Gleise der oberen Ebene und eine Treppen-/Rolltreppenanlagen nach unten zu sehen.
Die hochfliegenden Umbaupläne für das Mannheim-/Ludwigshafener Netz wurden nie realisiert. Anders als der Essener Porscheplatz ist Ludwigshafen Rathaus aber nicht nur ein Torso geblieben, die Station konnte nie auch nur ansatzweise vollständig genutzt werden und ist heute in Teilen schon wieder geschlossen.
Die Probleme beginnen damit, dass in Ludwigshafen Einrichtungsfahrzeuge auf der Straßenbahn verkehren. Somit können die beiden (im Bild nicht zu sehenden) Außengleise der oberen Ebene gar nicht angefahren werden – die Türen der Fahrzeuge sind dafür auf der falschen Seite. Dann endet die unterirdische Trasse unmittelbar hinter der Station und die angeschlossene Straßenbahnstrecke verläuft nicht in der Achse des geplanten Tunnels, sondern eine Parallelstraße weiter, sodass eine enge S‑Kurve für die Verbindung nötig ist. Den Beginn der Kurve sieht man noch vorne im Foto. Schließlich fallen noch kleine Ungereimtheiten auf: Wie am Essener Porscheplatz enden die von oben kommenden Zugangsrolltreppen auf der Höhe des für den späteren Ausbau vorgesehenen Hochbahnsteiges, zum Straßenbahn-geeigneten Tiefbahnsteig führen dann Treppen herab, die in der Bahnsteigmitte zu sehen sind. Die nach unten führenden Rolltreppen beginnen aber auf der Höhe des Tiefbahnsteiges, sodass ein Umbau auf Hochbahnsteigniveau hier nicht so einfach möglich gewesen wäre.
Diese untere Ebene hat aber sowieso das schwerste Schicksal ereilt: 2008 wurde sie stillgelegt. Die zugehörige Tunnelstrecke, immerhin die längste in Ludwigshafen, führte so weit an allen relevanten Verkehrsströmen vorbei, dass sich ihre Bedienung schlicht nicht lohnte. Ich vermute deshalb, dass die Treppen und Rolltreppen nach unten heute nicht mehr zugänglich und abgesperrt oder sogar komplett abgedeckt sind. So werden denn heute nur noch die beiden mittleren Gleise der oberen Ebene befahren – und es deutet wenig darauf hin, dass sich daran jemals etwas ändern wird.
Dass die Stadtbahn in Ludwigshafen nach ursprünglicher Planung Hochflur-Zweirichtungs-Fahrzeuge bekommen sollte (man dachte damals an den Frankfurter U2-Typ) und die Stationen daher die hohen Bahnsteigkanten und am Rathaus auch Mittellage haben, stimmt. Von einer geplanten Umspurung von Meter- auf Regelspur habe ich in der Fach- und Primärliteratur der damaligen Zeit jedoch noch nie etwas gelesen. Daher würde ich diese Info bezweifeln.