Da hat sie nun also ihre „Berliner Rede zum Urheberrecht” gehalten, unsere Bundesjustizministerin. Den Redetext gibt es online und Kommentare und Zusammenfassungen dazu zum Beispiel bei Heise Online oder Telepolis. Auch ich habe am Montag in der Berlin-Brandenburgischen Akademie gesessen und ihren Ausführungen gelauscht.
Bei mir hinterlässt die Rede von Frau Leutheusser-Schnarrenberger einen sehr zwiespältigen, letztlich aber negativen Eindruck. Einerseits war die Rede gespickt mit Ausführungen, die so auch auf einem beliebigen Parteitag der Piratenpartei Szenenapplaus bekommen hätten. Die Ministerin hat das Internet als gesellschaftliche Revolution bezeichnet, Wissen und Information seien viel besser und schenller verfügbar, aber auch viel einfacher und direkter erzeugbar geworden. Der kreative Mensch muss im Mittelpunkt stehen, nicht der Verwerter. Bei der digitalen Revolution müssen wir die Chancen sehen und nicht immer nur auf die Risiken starren.
All dies sind Aussagen, die ich ohne wenn und aber unterstütze. Und es tat gut, das mal so klar und deutlich aus dem Mund eines Bundesministers zu hören. Aber was nützen die schönsten Worte, wenn sie nicht konsequent zu Ende gedacht werden? Und genau das passiert nicht! Stattdessen kommt es immer wieder zu argumentativen Hakenschlägen, die all die schönen Einsichten Makulatur werden lassen.
Da erwähnt die Ministerin mehrfach, dass sich die analoge Zeit nicht ins Digitale übertragen lässt. Da formuliert sie explizit, dass das Recht keine überholten Geschäftsmodelle schützen darf. Und jedes Mal denke ich mir: „Cool, wieder eine Breitseite gegen dieses idiotische ‚Leistungsschutzrecht’.” Und dann das: Wenn Vermittler Leistungen erbringen, dann muss diese Leistung geschützt werden, zum Beispiel Zeitungsverleger. Und explizit: „Die Frage ist nicht, ob es ein Leistungsschutzrecht für Verleger geben soll, sondern wie dieses aussieht.”
Das ist ausgesprochen übel. Bis heute gibt es keine einzige mir bekannte neutrale Instanz, die auch nur formulieren könnte, wie ein „ausgewogenes Leistungsschutzrecht” aussehen könnte. Weil es ein solches schlicht nicht gibt! Der einzige etwas konkretere Text, jener Entwurf von seiten der Verleger, ist eine Ansammlung von tendenziösen Regeln, die der kleinen, in der heutigen Zeit zunehemend unwichtiger werdenden gesellschaftlichen Gruppe von Verlegern, ihre Pfründe auf Kosten der Allgemeinheit und der Werkschaffenden sichern und sie sogar ausbauen soll. Es ist der verzweifelte Versuch, überkommene Geschäftsmodelle gegen den Fortschritt zu verteidigen. Es ist die Text gewordene Antithese zu allem, was die Ministerin im Urheberrecht vorgeblich erreichen will.
Wie ernst kann man vor dem Hintergrund die gesamten Ausführungen vom Montag nehmen? Wir sollen „mehr auf die Möglichkeiten als auf die Risiken schauen”? Ja, aber! Das Urheberrecht „schützt den Urheber”? Ja, aber! Keine „Schonräume für abgelaufene Geschäftsmodelle”? Ja, aber! All die heeren Grundsätze gelten offensichtlich nur, solange keine Lobbygruppe etwas anderes will.
Zu Recht zeiht Frau Leutheusser-Schnarrenberger das Urheberrecht überbordender Komplexität und zitiert dabei sogar Linus Torvalds. Aber dann zieht sie Leistungsschutzrechtskaninchen aus dem Zylinder, die irgendwie „die Verleger schützen”, gleichzeitig aber Link- und Zitatfreiheit erhalten sollen. Zum einen erhöht dies die Komplexität der sowieso schon komplexen Gesetzeslandschaft weiter und zum anderen steht dieser gesamte Ansatz in vollständigem Gegensatz zu dem, was die Ministerin immer wieder betont: Dass das Gesetz den Urheber schützen soll. Ein wie auch immer geartetes Leistungsschutzrecht wird aber genau diesen Schutz weiter aushebeln, es beschneidet die Möglichkeiten des Urhebers massiv zu Gunsten irgendwelcher Verleger und dass der Allgemeinheit anschließend auf eine verkrüppelte Weise sein Werk weiter zur Verfügung steht, nützt ihm, dem Urheber, auch nichts.
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