Wenn die Workstation unvermittelt beim MP3-Abspielen Aussetzer hat, wird man misstrauisch. Zumal wenn die lokale Auslastung unproblematisch ist. Hm. Der NFS-Server? Per ssh einloggen. Yup, zäh. Load 3,5. „qmgr” zieht Rechenzeit wie ein Großer. Was ist da los? Der Aufruf von „mailq” lässt nichts Gutes vermuten: Er scrollt und scrollt und scrollt. „tail ‑f /var/log/mail” löst Roten Alarm aus: Verbindungen in alle Himmelsrichtungen werden aufgebaut und es wird (offensichtlich so gut wie immer erfolglos) versucht, E‑Mails auszuliefern.
Panik!
Ist unser Postfix gehackt? Ein offenes Relay womöglich? Buchen wir gerade Logenplätze in den Blacklists dieser Welt???
Erstmal den ganzen Postfix anhalten. Nochmal „mailq”: Insgesamt 6037 E‑Mails sind „deferred”, werden also zurückgehalten. Urks. Einmal drüberschauen: Nur unbekannte Absender. Was geht hier vor??? Ich überlege kurz und hole dann erstmal den Eisernen Besen hervor. Mit
for i in
mailq | grep "^[0-9A-F]" | cut -c1-10 | sed /s/\*//g
; do echo $i ; postsuper -d $i ; done
leere ich erstmal die Queue. Dann vorsichtig den Postfix wieder starten. Sofort wieder High Life an Port 25. Ich reihe mich mal ein und mache meine üblichen Tests auf Relaying. Negativ. Puh! Dann beobachte ich das muntere Treiben und verstehe endlich genauer, was gespielt wird:
Unser Postfix ist – wir sind halt zu lieb – immer noch auf den empfohlenen Standard eingestellt, Zustellungen bis zu vier Tage lang zu versuchen, bevor eine E‑Mail endgültig verworfen wird. Und außerdem setzen wir Absender immer noch davon in Kenntnis, dass sie eine nicht vorhandene E‑Mail-Adresse ansprechen wollten. Leider ist die Mischung im heutigen Internet explosiv: Es wird eine Bouncemessage generiert, die aber nicht angenommen wird. Also wird nochmal versucht. Und nochmal. Und nochmal.
Userseitig habe ich den Spam ja mit spamassassin und Thunderbird schon länger im Griff. Scheint so, als ob ich mir so langsam mal Gedanken über Entlastungsmaßnahmen auf Systemseite machen muss. Vorschläge anyone?
Dem Postfix sagen, dass er Verbindungen, die Mails an unbekannte User verschicken wollen, direkt auflegen soll. Kein Bounce, kein gar nichts. Nur Verbindung schließen.
Das reduziert bei mir die Zahl der Verbindungen, bei denen tatsächlich ne Mail ausgetauscht wird auf vielleicht 20% und spart schon ganz ordentlich Last, wenn man bedenkt, dass so die Mails nicht durch den ganzen Postfix durchmüssen, zum Spamassassin und dann noch ein Bounce generiert und verschickt wird…