Piratenpartei – nötig oder überflüssig? 1


Nein, es ist momen­tan nicht leicht, Pirat zu sein. Von der Par­tei ist in den aktu­el­len poli­ti­schen Dis­kus­sio­nen nicht viel zu sehen, Mit­glie­der machen sich rar bei Aktio­nen und bei Ideen, den – lei­der immer noch vor­han­de­nen – Que­ru­lan­ten wird sich häu­fig nur sehr halb­her­zig ent­ge­gen­ge­stellt. Die Fra­ge stellt sich: „Bin ich hier noch richtig?”

Aber was ist die Alter­na­ti­ve? Eine CDU, die laut dar­über nach­denkt, Ober-Zen­sur­su­la von der Ley­en zur Kanz­le­rin­nach­fol­ge­rin aus­zu­ru­fen? Eine SPD, die kei­nen Meter von dem mit dem Alg-II-Modell („Hartz IV”) ein­ge­läu­te­ten Sozi­al­ab­bau und der fort­ge­setz­ten Gesell­schafts­spal­tung abrückt? Eine FDP, die „Frei­heit” mit „frei­er Markt” über­setzt und sich als Gene­ral­be­voll­mäch­tig­ter einer mög­lichst unre­gu­lier­ten Wirt­schaft und eines mög­lichst macht­lo­sen Staa­tes begreift? Die Grü­nen, bei denen alt gewor­de­ne 1980er-Jah­re-Alter­na­tivos den Ton ange­ben, deren Welt­bild sich seit­dem auch nicht wesent­lich wei­ter­ent­wi­ckelt hat? Von den ande­ren Par­tei­en und Grup­pie­run­gen mal ganz zu schweigen.

Ich kann es dre­hen und wen­den, wie ich will: Ich sehe für mich poli­tisch nach wie vor kei­ne Alter­na­ti­ve zu den Zie­len der Pira­ten­par­tei. Und ich bin mir sicher, dass es sehr vie­len ande­ren Men­schen genau­so geht. Es macht mich aller­dings trau­rig zu sehen, wie die Pira­ten sich momen­tan ent­wi­ckeln: Klein­ka­rier­tes Rum­ge­zän­ke, Beschäf­ti­gung mit sich selbst, kei­ner­lei wahr­nehm­ba­re Wir­kung nach außen. Jeden­falls über ver­ein­zel­te Wort­mel­dun­gen und Aktio­nen hinaus.

Dabei ist es ja nicht so, dass die The­men nicht sozu­sa­gen auf der Stra­ße lägen: Kaput­tes Bun­des­wehr­spiel­zeug; Flut­op­fer­hilfs­fonds, die einen Bruch­teil von Ban­ken­ret­tungs­gel­dern umfas­sen; Bür­ger­pro­tes­te, die von Poli­zis­ten sys­te­ma­tisch nie­der­ge­knüp­pelt wer­den – nein, nicht in der Tür­kei, son­dern hier in Frank­furt. In den USA kommt gera­de scheib­chen­wei­se ans Tages­licht, dass unter Prä­si­dent „Yes we (s)can” Oba­ma eine Super-Sta­si auf­ge­baut wur­de, die die Erichs aus dem Osten vor Neid erblas­sen hät­te las­sen. Wie schützt eigent­lich Deutsch­land sei­ne Bür­ger vor der Total­über­wa­chung der NSA?

Da sind über­all Fra­gen, die gestellt wer­den müs­sen. Und je län­ger ich mir die Par­tei­en­lis­te oben anschaue, des­to siche­rer wer­de ich: Das kön­nen eigent­lich nur die Pira­ten. Wir haben einer­seits genü­gend tech­ni­sches Know-How und ande­rer­seits die nöti­ge libe­ral-huma­nis­ti­sche Grund­ein­stel­lung. Eigent­lich. Denn durch den mas­si­ven Mit­glie­der­zu­wachs 2011/2012 sind heu­te auch vie­len Men­schen in der Par­tei, denen „Bür­ger­rech­te”, „staat­li­che Trans­pa­renz” oder „fai­res Urhe­ber­recht” zwar auch irgend­wie wich­tig sind, die sich aber viel lie­ber mit „BGE”, „Tier­rech­ten” oder „nach­hal­ti­ger Ener­gie­po­li­tik” beschäf­ti­gen. Alles viel­leicht auch wich­ti­ge The­men, aber für mich nicht die Exis­tenz­be­rech­ti­gung der Piratenpartei.

Damit die Pira­ten­par­tei „mei­ne” Par­tei bleibt, muss sie sich wie­der viel stär­ker dar­auf kon­zen­tie­ren, wo sie her­ge­kom­men ist: Bür­ger­rechts­po­li­tik im Zeit­al­ter der elek­tro­ni­schen Jeder­zeit- und Über­all-Kom­mu­ni­ka­ti­on. Wir brau­chen wie­der mehr par­tei­in­ter­nen Dis­kurs dar­über. Und wir müs­sen unse­re The­sen dazu immer wie­der prü­fen und aktua­li­si­se­ren. Vor allem aber brau­chen wir Par­tei­ver­tre­ter, die die­se The­men und unse­re Posi­tio­nen dazu stär­ker in die Öffent­lich­keit tra­gen. Und zwar vie­le davon. Kat­ta allein reicht da nicht, lie­be Mitpiraten.

tl;dr – Die Pira­ten­par­tei ist in der poli­ti­schen Land­schaft Deutsch­lands momen­tan drin­gend nötig und durch kei­ne ande­re poli­ti­sche Kraft zu erset­zen. Sie muss aber in die Strümp­fe kommen.


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