Es gibt noch etwas aufzuarbeiten aus der vergangenen Ratswoche. Am Mittwoch tagte der Organisations- und Personalausschuss des hannoverschen Rats. Auf der Tagesordnung: Antrag der Piratenfraktion zur Einführung einer Informationsfreiheitssatzung.
0) Vorgeschichte
Der Antrag hat eine Vorgeschichte: Bereits im Herbst 2012 hatte die Piratenfraktion den Antrag eingebracht, die Verwaltung solle mit der Ausarbeitung einer Informationsfreiheitssatzung beauftragt werden. Im Januar 2013 wurde dieser Antrag von allen anderen Fraktionen abgelehnt, rot-grün hatte damals schon mit dem anstehenden Regierungswechsel und der dann folgenden Ausarbeitung auf Landesebene argumentiert. Der hier zur Beratung anstehende Antrag fordert nun nicht mehr die Verwaltung zur Ausarbeitung auf, sondern legt selbst einen Entwurf einer Informationsfreiheitssatzung vor.
1) Einführung durch Jürgen Junghänel
Jürgen Junghänel hat zu Beginn eine mit der Fraktion vorbereitete Begründung vorgetragen, deren Textform ich hier wiedergebe. Die tatsächliche mündliche Rede hat an einigen Stellen abgewichen.
Junghänel (Piraten): Bereits im August letzten Jahres haben wir als PIRATEN-Fraktion einen Antrag (Drs. 1806/2012) eingereicht, durch den die Verwaltung beauftragt werden sollte, eine Informationsfreiheitssatzung für die Stadt Hannover zu erarbeiten. Leider sprach sich die Mehrheit der Ratsfraktionen gegen diesen Arbeitsauftrag an die Verwaltung aus. Begründet wurde das u.a. damit, dass die Zeit zu kurz gewesen sei, sich dem komplexen Thema „Informationsfreiheit“ umfassend widmen zu können.
Des Weiteren wurde eine angeblich unklare Rechtslage ins Feld geführt. Die aber konnte weder von der Verwaltung noch durch die faktische Gesetzeslage bestätigt werden. Im Gegenteil: Erfreulicherweise bestätigte die Stellungnahme der Verwaltung letztlich das, was wir in unserem Antrag im August bereits ausführlich begründet haben: Es gibt kein Gesetz, das Informationsfreiheit verbieten kann! Im Weiteren hörten wir: einen rechtssicheren Satzungsentwurf anzufertigen, würde der Verwaltung enormen Arbeitsaufwand bereiten. Das sei unvertretbar. Zuletzt musste noch der hellseherisch vorausgeahnte Regierungswechsel auf Landesebene als Begründung für eine Ablehnung herhalten. Es werde dann ja bald ein Landesgesetz geben, was eigene Regelungen auf städtischer Ebene überflüssig mache.
Zwar ist mittlerweile tatsächlich ein Entwurf für ein Informationsfreiheitsgesetz angekündigt, aber er liegt bislang nicht vor. Unsere hannoversche Verwaltung wird sich also so oder so umstellen müssen. Und ich meine, je früher desto besser.
Uns PIRATEN ist ein Recht der Bürgerinnen und Bürger auf Informationen wichtig. So wichtig, dass wir der Verwaltung die beschwerliche Aufgabe abgenommen und selbst einen Entwurf für eine „Satzung zur Regelung des Zugangs zu Informationen des eigenen Wirkungskreises der Landeshauptstadt Hannover“ ausgearbeitet haben. Ein bisschen juristischer Sachverstand, aber auch die vielen bereits beschlossenen Informationsfreiheitssatzungen aus anderen Kommunen in Niedersachsen waren bei der Ausarbeitung des Antrags sehr hilfreich.
Die nun von uns vorgeschlagene Informationsfreiheitssatzung vereinfacht den öffentlichen Zugang zu Behördeninformationen auf kommunaler Ebene und räumt Bürgern zugleich weitreichende, verbindliche Informationsrechte ein.
Zweifelsohne befördert Hannover schon jetzt partiell die Transparenz, etwa mit dem öffentlichen Sitzungsmanagement, weiteren Informationen im städtischen Internetangebot oder auch verschiedensten Publikationen. Den freien Informationszugang in eine rechtliche Form zu gießen und den Bürgern per kommunaler Satzung ausdrücklich zu garantieren – das wäre auch ein deutliches Signal der Landeshauptstadt in Richtung des Landesgesetzgebers schnell zu handeln.
Unabhängig davon können und müssen wir im Rahmen unserer kommunalen Möglichkeiten hier und jetzt tätig werden und zum gängigen Standard unserer benachbarten Kommunen aufschließen. Es kann nicht sein, dass hannoversche Stadtpolitiker von SPD und GRÜNEN, die im Kommunalwahlkampf noch vollmundig eine Informationsfreiheitssatzung gefordert haben, sich jetzt zurücklehnen und warten – warten darauf, dass eine andere, höhere Ebene tätig wird.
Hier und heute können Sie, liebe GRÜNE, durch schlichtes Heben ihrer Hand einen geltenden Basisbeschluss Ihres höchsten Organs umsetzen. Ich zitiere einen Beschluss der Landesdelegiertenkonferenz von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Niedersachsen am 5. Februar 2011 in Hannover: „Wir fordern die Räte auf, kommunale Informationsfreiheitssatzungen auf den Weg zu bringen. Damit ermöglichen Kommunen ihren BürgerInnen, zumindest in ihrem eigenen Wirkungskreis volle Akteneinsicht.“
Volle Zustimmung von unserer Seite: Wer mehr Bürgerbeteiligung fordert, muss den Bürgern auch die Möglichkeit geben sich zu informieren …
Der von uns vorgelegte Satzungsentwurf ist mit einer Befristung versehen. Damit geben wir dem Rat eine Möglichkeit, die Satzung im Falle der Nichtbewährung – oder im Falle einer Gesetzesänderung auf Landesebene – ohne neue Befassung auslaufen zu lassen.
2) Anschließende Diskussion, Abstimmung
An diesen Vortrag schloss sich eine Diskussion an, die ich hier auf Grundlage meiner Mitschrift wiedergebe. Hinweis: Wenn nicht anders angegeben, sind meine Mitschriften Aussagenprotokolle, die im Einzelfall verkürzend oder fehlerhaft sein können. Ich schreibe nach bestem Wissen und Gewissen mit, kann aber keine Gewähr für Richtigkeit übernehmen. Dies ist kein offizielles Protokoll!
Klie (SPD): Zu dem Antrag fällt mir nur ein: Niedlich! Sie weisen darauf hin, dass die Stadtverwaltung sagt, es wäre aufwändig – und dann laden Sie einfach einen Entwurf herunter – kann man machen. Ist aber nicht zielführend. Wir [von der SPD] haben die Diskussion herbeigeführt: Es soll nicht so sein, dass jede Kommune ihre eigene Satzung macht. Das ist verwirrend. Wenn man zum Beispiel umzieht, gelten am neuen Wohnort plötzlich ganz andere Regeln. Also: Sinnvoll ist es, dass auf Landesebene ein Rahmen gemacht wird. Genau das findet jetzt statt. Ich bin froh, dass wir jetzt eine gesetzeskonforme Informationsfreiheitssatzung haben können. Dann steigen wir gerne in die Diskussion ein, das Ziels steht ja auch bei uns [im Programm]. Aber jetzt werden wir den Antrag ablehnen und dann warten, was der Gesetzgeber macht.
Engelke (FDP): Die Stoßrichtung des Antrags unterstützt die Ratsfraktion. Aber es ist nicht Sache von Fraktionen, ehrenamtlichen Fraktionen zumal, Satzungen auszuarbeiten. Dafür ist die Verwaltung da. Ich sehe es zudem genauso, dass wir drauf warten, dass das Land in die Strümpfe kommt, damit es dann für alle Kommunen gleich ist. Das ist eigentlich wie bei der Umweltzone, die hätte man besser auch einheitlich gemacht. (Lacher bei SPD). Wäre gerade für Handwerker landesweit sinnvoller gewesen [Amn: Engelke ist Handwerker.]. Das ist alles Käsekram. Das Land muss entsprechende Gesetze und Vorgaben machen. Aber das wird ja jetzt mit der neuen Landesregierung alles besser. (Applaus bei SPD/Grüne)
Kluck (Grüne): Das ist auch mein Ansatz. Die alte Landesregierung ist nicht aus den Strümpfen gekommen. Rot-grün wird es jetzt machen. Und dann ist es einheitlich.
Junghänel (Piraten): Das Argument mit dem Umzug hat mit beim vorangegangenen Antrag zum selben Thema schon amüsiert. Wenn Sie in Langenhagen in der Bücherei ein Buch ausleihen, dann gilt dort auch eine andere Gebührensatzung als hier. Die Stadt kann sich durchaus eine eigene Satzung geben. In Langenhagen oder Braunschweig haben sich Ihre Kollegen daran beteiligt. Also: Das Reiseargument ist nicht sinnvoll.
Pohl (CDU): Wir haben das Thema ja nun schon zum zweiten Mal. Wieder kommt das Argument mit dem Land, das erstmal Vorgaben machen soll. Wir haben schon letztes Mal gesagt, dass es einen Unterschied zwischen dem übertragenen Wirkungskreis und den eigenen Aufgaben gibt. Und das ist ein Kernpunkt der kommunalen Selbstverwaltung, für den wir alle immer wieder aufstehen sollten. Das Land kann für unseren kommunalen Bereich höchstens eine Mustersatzung ausarbeiten. Und dann kann jede Kommune für sich entscheiden, ob und wie sie diese umsetzt. Das plant das Land aber gar nicht. Die wollen bislang nur Informationsfreiheitsgesetz für die Landesebene schaffen. Die kommunalen Angelegenheiten müssen wir selbst regeln. Also: Das Argument von SPD und Grünen klingt gut, ist aber falsch. Den zur Diskussion stehenden Antrag hier kann eigentlich jeder mittragen, der eine Informationsfreiheitssatzung haben will.
Hillbrecht (Piraten): Es gibt keinen Grund, jetzt nicht eine kommunale Informationsfreiheitssatzung zu machen, insbesondere keine zeitlichen Implikationen mit Aktionen der Landesebene. Es wäre ein Zeichen der Stadt Hannover für Informationsfreiheit. Es wäre schade, wenn dieses Zeichen nicht gesetzt würde.
Abstimmung: 2:8 abgelehnt – CDU dafür; SPD, Grüne, Linke dagegen; FDP, Piraten nur mit Grundmandat; die CDU-Fraktion war um ein Mitglied dezimiert.
3) Eigene Bewertung
Nach dem Vorlauf war es nicht anders zu erwarten: SPD und Grüne in Hannover können schlechterdings einem Antrag nicht zustimmen, wenn er nicht von ihnen kommt – so ist zumindest der Eindruck, der sich aufdrängt. Der von Pohl gebrachte Hinweis, dass auch die neue Landesregierung zunächst mal ein Gesetz auf Landes- und nicht auf kommunaler Ebene anstrebt, ist für eventuelle Diskussionen anderswo in Niedersachsen wichtig. Insgesamt ist es vor dem aktuellen landespolitischen Hintergrund für SPD und Grüne aber sehr leicht, Anträge für kommunale Informationsfreiheitssatzungen abzubügeln. Darauf hätten allerdings auch wir uns im Vorfeld argumentativ noch besser vorbereiten können.