Ein Mittel des politischen Austausches im Rat der Stadt Hannover sind die „Aktuellen Stunden”: Eine der Fraktionen – oder ein Einzelvertreter – beantragt eine solche Aussprache zu einem aktuellen Thema, daraufhin gibt jede Fraktion – und jeder Einzelvertreter – reihum eine Stellungnahme ab. Am 26. Januar waren es ausgerechnet die „Hannoveraner”, die unter der Überschrift „Reizthemen Cityring, Podbi und mehr: Was tut Hannover eigentlich für die Autofahrer?“ die Verkehrspolitik auf die Tagesordnung gesetzt haben.
Was macht man als Piratenfraktion mit dieser Konstellation? Die besagte antragstellende Fraktion neigt dann und wann zu unerquicklichem Populismus und darauf wollen wir uns auf keinen Fall einlassen. Andererseits wollen wir ihnen auch nicht das Feld überlassen. Vor diesem Hintergrund haben wir uns entschlossen, das Thema etwas allgemeiner zu betrachten als durch die bloße Aufzählung von Fakten oder eine Liste unserer eigenen Positionen. Das hannoversche Lokalfernsehen „h1” hat die aktuelle Stunde aufgezeichnet und stellt den Mitschnitt in der Mediathek zum Abruf bereit. Mein Redebeitrag beginnt bei Minute 23:30.
Im Folgenden der Text meiner Rede:
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
Herr Vorsitzender, meine Damen und Herren,
Fragen wir nicht, was Hannover eigentlich für „die Autofahrer“ tut. Fragen wir lieber: Was können „die Autofahrer“ eigentlich für Hannover tun?Einseitige Thesen wie: „Reizthemen Cityring, Podbi und mehr: Was tut Hannover eigentlich für die Autofahrer?“ bringen uns nicht weiter.
Für ein harmonisches Miteinander ist eine Spaltung in „die Autofahrer“, „die Radfahrer“, „die Fußgänger“ und so weiter nicht zielführend. Es käme ja schließlich auch niemand auf die Idee, zwei Personen, die sich im Rat „Die Hannoveraner“ nennen, mit allen Einwohnerinnen und Einwohnern Hannovers gleichzusetzen.
Meine Damen und Herren, die Stadtentwicklung ist im Wandel. Der Anteil der Nutzer des Öffentlichen Personen-Nahverkehrs sowie der Radfahrer am Gesamtverkehr soll erhöht werden. Ein wichtiges Ziel, denn nur so bleibt auf den Straßen überhaupt Platz für den Autoverkehr. Und was noch wichtiger ist: Nur so können ansprechende Verkehrsräume für die unterschiedlichen Verkehrsteilnehmer, auch Fußgänger, entstehen.
Der Masterplan Mobilität 2025 versucht eine solche langfristige Gesamtplanung darzustellen. Dies ist ein guter Ansatz, denn viele Faktoren bedingen sich gegenseitig. Ziel sollte es sein, den Verkehrsraum als Lebensraum zu gestalten, in dem sich alle Menschen wohlfühlen und an ihm teilhaben können.
Die Frage: „Was tut Hannover eigentlich für die Autofahrer?“ unterstellt, dass es momentan Probleme gäbe. Ist das so?Schauen wir uns das doch mal am Beispiel eines Autos in Hannover an: Da startet so ein armes, kleines, benachteiligtes Auto mit seinem Fahrer morgens in den hannoverschen Verkehrsdschungel. Wenn es ihm gelingt, den metertiefen Schlaglöchern zu trotzen, trifft es nur Sekunden später auf überlastete Abbiegespuren. – Und muss an großen Knotenpunkten wie dem Aegi oder am Raschplatz ewig warten, denn gefühlt fahren doch immer die anderen zuerst. Vor allem diese nervigen Radfahrer! Als ob durch die Baustellen an jeder Ecke nicht schon genug Zeit verloren ginge!
Da sucht sich unser armer Autofahrer doch lieber einen ruhigen, geschützten Platz auf einer schönen Parkpalette am Maschsee, oder in einer Tiefgarage in der Südstadt, um in Ruhe über den fließenden Verkehr fluchen zu können. Und wie gern würde unser armer Autofahrer sein liebes Fahrzeug mal wieder so richtig herausputzen und am Straßenrand waschen – allein deswegen schon, um mit Leidensgenossen ins Gespräch zu kommen. Denn geteiltes Leid ist bekanntermaßen halbes Leid. Doch selbst das wird einem heute nicht mehr gegönnt. Ja, wo bleiben denn da bloß die guten alten Werte? – Zum Glück sind es immer „die Anderen“, die bei Bedarf gegen den Fortschritt sind.
Leistungsfähige Magistralen, das Schnellwegenetz, das Stadtteile untereinander und Stadt mit Umland schnell und direkt verbindet, oder die unmittelbare Anbindung an die A2 und A7, zwei der wichtigsten Autobahnen Deutschlands – das sind Kleinigkeiten, die schon mal in Vergessenheit geraten können, wenn es um das Auto der „Hannoveraner“ geht.
Ein Radfahrer wiederum fühlt sich vielleicht von den lauten Autos bedrängt, wünscht sich breitere Radwege. Und ist genervt von den langen Wartezeiten vor den vielen Ampeln. Denn: Auch für ihn dürfen „gefühlt“ immer die Anderen zuerst fahren. Andererseits freut er sich auf die erholsame Fahrt durch die Eilenriede, die vielen Möglichkeiten sein Fahrrad sicher anzuschließen, oder es auch mal in der Bahn mitzunehmen.
Jemand, dem gerade die Straßenbahn vor der Nase weggefahren ist, flucht über die üstra, während die Fahrgäste in der Bahn sich über die Vorrangschaltung freuen, die andere Verkehrsteilnehmer wiederum verärgert. Ich könnte diese Liste jetzt beliebig weiterführen, hoffe aber, das Prinzip ist klar geworden.
Meine Damen und Herren, die Frage zu dieser Aktuellen Stunde wurde falsch gestellt. Öffentlicher Raum ist begrenzt. Es allen Verkehrsteilnehmern immer recht zu machen, das ist nicht möglich. Schändlich aber, meine Herren Hannoveraner, schändlich ist es, die verschiedenen Verkehrsteilnehmer gegeneinander ausspielen zu wollen!
Die Frage kann doch nur lauten: Wie gestalten wir unsere Stadt, unsere Verkehrswege so, dass wir alle hier gut leben können? Autofahrer, aber auch Radfahrer, Motorradfahrer, der Öffentliche Personennahverkehr – und natürlich Fußgänger, große und kleine, alte und junge – alle eben!
Der erste Paragraf der Straßenverkehrsordnung drückt das zeitlos und schlicht aus. Dort heißt es: „Die Teilnahme am Straßenverkehr erfordert ständige Vorsicht und gegenseitige Rücksicht.“ Und: „Jeder Verkehrsteilnehmer hat sich so zu verhalten, dass kein Anderer geschädigt, gefährdet oder mehr, als nach den Umständen unvermeidbar, behindert oder belästigt wird.“
Dem habe ich nichts hinzuzufügen -
Ach ja: Und im Übrigen bin ich der Meinung, dass der D‑Tunnel gebaut werden muss!
Vielen Dank!
Ich war Freitag das erste Mal bewusst in Hannover unterwegs. Ziel: U‑Bahn-Haltestelle Lister Platz. Mehr kenne ich also nicht. Und in dem Zusammenhang frage ich mich schon, wieviele Stationen man auf der kurzen Strecke (zurück bin ich sie gelaufen) noch unterbringen soll. Naja, wenn ich in Hannover wohne, werde ich eh idR Fahrrad fahren.
Was können die Autofahrer eigentlich für Hannover tun?
Diese Frage aus der Eröffnung Ihrer Rede bleibt unbeantwortet.
Daher mache ich hier mal einen konkreten Vorschlag: Überall in der Stadt, auf der Marienstraße – in der Südstadt gleich mehrfach – gibt es so genannte Fußgänger-Schutzinseln, die Fußgängern das Überqueren stark befahrener Straßen erleichtern sollen. Ich machte die Probe: In Höhe einer „Fußgängerschutzinsel, am Straßenrand stehend, hob ich als Fußgänger die Tasche in meiner Hand, um dem Autoverkehr zu signalisieren, ich möcht jetzt hier die Straße überqueren.
Die Reaktionen der Autofahrer waren sehr unterschiedlich: Einige bremsten und signalisierten Wartebereitschaft, bis ich die Fußgängerschutzinsel in der Mitte der Fahrbahn erreicht hatte. Mit viel Glück reagierten die auf der Gegenfahrbahn herannahenden Autofahrer genau so und ermöglichten mir damit ein zügiges Queren der Fahrbahn.
Das ist das, was ich von den Autofahrern in Hannover erwarte! Sie sollen den Fußgängern an solchen Stellen, die ja mit Bedacht ausgewählt wurden, den Vorrang gewähren! Das entspricht auch dem von Ihnen zitierten Satz aus der StVO: „Die Teilnahme am Straßenverkehr erfordert ständige Vorsicht und gegenseitige Rücksicht.“ Und: „Jeder Verkehrsteilnehmer hat sich so zu verhalten, dass kein Anderer geschädigt, gefährdet oder mehr, als nach den Umständen unvermeidbar, behindert oder belästigt wird.“
Allerdings verhalten sich längst nicht alle Autofahrer in der von mir weiter oben beschriebenen Art und Weise. Über die Details (wütende Beschimpfungen, Hupen etc., bis zur Gewaltandrohung) will ich mich hier mal nicht weiter auslassen.
Was meinen Sie dazu Herr Hillbrecht, wie sollen sich denn nun Autofahrer verhalten?
Ist die Idee, den öffentlichen Nahverkehr unter die Erde zu verbannen, wo er weniger stört, nicht selbst ein wenig autogeprägt? Stationsdichte und Aufenthaltsqualität sinken, der Aufwand, die Station zu erreichen, steigt, die Kosten ebenso. Das Gegenteil müsste jeweils der Fall sein, sollen die „Öffis” ihren Anteil steigern.
Warum soll der D‑Tunnel gebaut werden? Was bekommt man dort mehr für das Geld, als die Investition an anderer Stelle bringen würde?