Quo vadis Urheberrecht? – Zur „Berliner Rede” der Justizministerin, Teil 2


Fort­set­zung des von Teil 1 vom Freitag

Betrach­ten wir vor dem Hin­ter­grund der Rede der Jus­tiz­mi­nis­te­rin die gesam­te Pro­ble­ma­tik noch­mal aus einem ande­ren Blickwinkel:

Der Urhe­ber eines Wer­kes ist ein Nichts, wenn sein Werk nicht ver­wen­det bzw. rezi­piert wird. Dies ist aber ein sozia­ler und inter­ak­ti­ver Pro­zess, den der Urhe­ber (und auch even­tu­el­le Ver­mitt­ler wie z.B. Ver­le­ger) schlech­ter­dings gar nicht voll­stän­dig kon­trol­lie­ren kann. Die wie ein Man­tra die gan­ze Rede durch­zie­hen­de Aus­sa­ge „Der Rech­te­inha­ber ent­schei­det, was pas­siert” ist letzt­lich eine Täu­schung. Eigent­lich ent­schei­den näm­lich die Emp­fän­ger, ob ihnen ein Werk wich­tig ist oder nicht und damit geht immer eine Beschäf­ti­gung mit dem Werk ein­her. Im Gesetz fin­den sich nicht umsonst die Schran­ken des Urhe­ber­rechts, das Zitat­recht oder die Pan­ora­ma­frei­heit.

Dass damit auch so man­che Urhe­ber ihre Pro­ble­me haben, zeig­ten übri­gens die „ein­füh­ren­den Wor­te” von Ulrich Wickert, der nicht nur erstaun­lich alt gewor­den ist, son­dern sei­ne Rede auch recht scham­los als Wer­be­ver­an­stal­tung für irgend­ein von ihm geschrie­be­nes neu­es Buch nutz­te. Er erzähl­te ent­rüs­tet, wie ihm ein Leser nach Lek­tü­re eines sei­ner vor­an­ge­gan­ge­nen Wer­ke ein alter­na­ti­ves Ende zuschick­te. Das, so Wickert, sei anma­ßend: „Mein Werk gehört mir.” Ich fin­de die­se Atti­tü­de außer­or­dent­lich arro­gant. Nie­mand for­dert von Herrn Wickert, dass er sei­ne Bücher umschreibt, aber der­ar­tig hin­ge­bungs­vol­le Leser dem Publi­kum als Stö­ren­frie­de der eige­nen Voll­kom­men­heit zu prä­sen­tie­ren – das geht ja mal gar nicht.

Genau die­se Den­ke ist es aber, die vie­ler­orts im Urhe­ber­recht vor­herrscht. Immer will irgend­je­mand sei­ne ver­meint­li­chen per­sön­li­chen Ansprü­che gesi­chert wis­sen. Dabei ent­steht sämt­li­cher Wert eines lite­ra­ri­schen, musi­schen oder ander­wei­ti­gen nicht-mate­ri­el­len Wer­kes erst durch die gesell­schaft­li­che Auf­nah­me und Ver­wen­dung. So gese­hen liegt es im urei­gens­ten Inter­es­se der Werk­schaf­fen­den, dass die All­ge­mein­heit sei­ne Wer­ke adäquat nut­zen kann. Dass sich die Arten der Nut­zung mit der galop­pie­ren­den tech­ni­schen Ent­wick­lung auch ver­än­dern, liegt in der Natur der Sache. Dies einer­seits durch­aus anzu­er­ken­nen, dann aber ande­rer­seits bei den ent­spre­chen­den Geset­zen vor einer ange­mes­se­nen Umset­zung zurück­zu­zu­cken, bringt im End­ef­fekt gar nichts. Es ist sogar kon­tra­pro­duk­tiv, wenn im Rah­men die­ses Krebs­gan­ges am Ende Murks­ge­set­ze wie ein „Leis­tungs­schutz­recht” her­aus­kom­men.

Es gibt einen letz­ten Aspekt der „Ber­li­ner Rede zum Urhe­ber­recht”, der mir wich­tig erscheint: Frau Leu­theus­ser-Schnar­ren­ber­ger arbei­tet immer wie­der auf einen all­ge­mei­nen Gegen­satz zwi­schen dem Urhe­ber­recht und der „digi­ta­len Welt” hin. „Digi­tal Nati­ves” wer­den da zu radi­ka­len Geg­nern urhe­ber­recht­li­cher Rege­lun­gen, die ein­fach alles für alle frei­ge­ben und sich nicht um Geset­ze sche­ren wol­len. Dafür zitiert sie sogar – man höre und stau­ne – die Pira­ten­par­tei, die „die Auf­he­bung künst­li­cher Ver­knap­pun­gen” for­de­re und nimmt dies als Beleg für die gene­rel­le Ableh­nung des Urheberrechts.

Mit Ver­laub, Frau Leu­theus­ser-Schnar­ren­ber­ger, aber das ist Quark. Die „künst­li­chen Ver­knap­pun­gen” sind das, was die Ver­mitt­ler ver­zwei­felt ver­su­chen zu hal­ten, um wei­ter­hin eine Rol­le spie­len zu kön­nen. Ansons­ten machen nicht nur wir, son­dern alle Werk­schaf­fen­den in der digi­ta­len Welt sich sehr vie­le Gedan­ken über das Urhe­ber­recht. Nicht umsonst ist in den letz­ten 15 Jah­ren eine gan­ze Klas­se neu­er Lizenz­mo­del­le ent­stan­den und mehr als ein­mal hat es da Knatsch wegen wider­recht­li­cher Nut­zung gege­ben. Es ist näm­lich auch eine Wahr­heit, dass gera­de die Ver­le­ger und Ver­mitt­ler zwar laut schrei­en, wenn sie ihre über­kom­me­nen Pri­vi­le­gi­en in Gefahr sehen, es gleich­zei­tig aber mit den Rech­ten ande­rer nicht all­zu genau neh­men. Berich­te über nicht lizenz­ge­rech­te Über­nah­men – man könn­te schlicht „Abschrei­ben ohne Quel­len­an­ga­be” nen­nen – von Wiki­pe­dia­ar­ti­keln oder ande­ren CC- oder GFDL-lizen­zier­ten Wer­ken sind längst Legion.

Wohin treibt nun das Urhe­ber­recht? Die Ver­an­stal­tung am Mon­tag war der Auf­takt eines mehr­mo­na­ti­gen Pro­zes­ses, der ver­schie­de­ne Anhö­run­gen brin­gen wird und schließ­lich in einem Geset­zes­ent­wurf für einen „Drit­ten Korb” zur Ände­rung des Urhe­ber­rechts mün­den soll. Dass das aktu­el­le Urhe­ber­recht mit sei­nen mitt­ler­wei­le extre­men Ein­schrän­kun­gen der Nutz­bar­keit kul­tu­rel­ler Wer­ke stark ver­bes­se­rungs­be­dürf­tig ist, steht außer Fra­ge. Ich sehe aller­dings die Gefahr, dass die­ser Geset­zes­pro­zess auch zu einem noch restrik­ti­ve­ren Recht füh­ren kann, wenn er nicht geeig­net beglei­tet wird. Frau Leu­theus­ser-Schnar­ren­ber­ger war mit den Inhal­ten ihrer Rede teil­wei­se wie der viel­zi­tier­te Pud­ding, der sich nicht an die Wand nageln lässt. Im Zwei­fels­fall bedeu­tet das nichts Gutes, wenn es dar­um geht, den viel­fäl­ti­gen Lob­by­grup­pen im Namen der All­ge­mein­heit ent­schie­den ent­ge­gen­zu­tre­ten. Genau das erwar­te ich aber von einer Bundesministerin.

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