Neues von der Familienministerin. Dem Hamburger Abendblatt hat sie ein Interview gegeben und dankenswerterweise wird es dort unter dem Titel „Kampf gegen Schmutz im Internet wird verschärft” im Wortlaut abgedruckt. Ich beschränke mich mal auf einen einzigen Auszug:
Doch wir werden weiter Diskussionen führen, wie wir Meinungsfreiheit, Demokratie und Menschenwürde im Internet im richtigen Maß erhalten. Sonst droht das großartige Internet ein rechtsfreier Chaosraum zu werden, in dem man hemmungslos mobben, beleidigen und betrügen kann.
Wer auch immer an die gebetsmühlenartige Beschwörungsformel „Netzsperren nur gegen Kinderpornografie” geglaubt hat – vergesst es! Frau von der Leyen bereitet hier die Öffnung des ganz großen Fasses vor. Meinungsfreiheit, Demokratie und Menschenwürde „im richtigen Maß erhalten”. Allein das Weltbild, das aus diesem Satz spricht, ist Furcht einflößend. Grundrechte gelten in Deutschland im und außerhalb des Internets in gleichem Maße – universell und unverbrüchlich. Die wohldefinierten Einschränkungen gelten ebenfalls allgemein. Frau von der Leyens Gerede vom „richtigen Maß” für die Grundrechte im Internet ist nicht weniger als die Abschaffung der freiheitlich-demokratischen Gesellschaft. Wenn wir erstmal so weit sind, dass es Meinungsfreiheit nur noch „im richtigen Maß” gibt, dann sind wir gleichauf mit China oder dem Iran. Da darf man seine Meinung auch frei äußern – solange es die richtige ist.
Juristisch versierter hat das Udo Vetter im Lawblog auseinandergepflückt. Sein Artikel „Die Meinungsfreiheit als Sondermüll” lässt kein gutes Haar an Ursula von der Leyens Ausführungen:
[Frau von der Leyen] nennt kriminelles Handeln, welches bereits heute unter Strafe steht und verfolgt wird. Dann bringt sie die Menschenwürde ins Spiel und postuliert einen Handlungsauftrag des Staates, der weit über die Verhütung und Verfolgung von Straftaten hinausgeht. Eine zugkräftige, gleichwohl aber billige Argumentation […]. Wenn man aber nur noch eine Meinungsfreiheit zulassen will, die geschmacklose, unbequeme und für einzelne schmerzhafte Inhalte nicht umfasst, sollte man fairerweise nicht mehr von Meinungsfreiheit sprechen. Von Demokratie vielleicht auch nicht mehr.
Ich bin auch noch auf einen älteren Artikel gestoßen, der Ursula von der Leyens gedankliches Umfeld ein wenig beleuchtet. Die „World Socialist Web Site” ist zwar sicherlich kein Hort neutralen Journalismus (vielmehr dürfte es sich dabei, wenn ich den Wikipediaartikel richtig verstehe, um ein K‑Gruppensprachrohr handeln), aber der zweite Teil eines bereits 2006 erschienen Artikels über Ursula von der Leyen und das Elterngeld lassen aufhorchen. Unter dem Titel „Soziale Umverteilung auf brauner Hefe” heißt es da:
„Die Volksherrschaft”, schnaubt Albrecht, [ehemaliger Ministerpräsident von Niedersachsen und Vater von Ursula von der Leyen, in seinem 1976 erschienen Buch „Der Staat – Idee und Wirklichkeit, Grundzüge einer Staatsphilosophie”,] „vor allem die unmittelbare, ist wesensmäßig so geartet, dass die Entscheidung nicht durch die Einsicht der Einsichtigen, sondern durch das durchschnittliche Maß an Einsicht bestimmt wird, das der Mehrheit eignet.” Sowieso sei „der Massenmensch ohne rechte Seinsmitte”, meinte der spätere Ministerpräsident erkannt zu haben. „Er erscheint deshalb blass, farblos, ja im geistigen Sinne gestaltlos.” […]
Albrechts Tochter Ursula, damals [im Jahr 1990 als Albrecht in Niedersachsen abgewählt wurde] 31 Jahre alt, empfand die Abwahl ihres Vaters durch das Wahlvolk als einen üblen Affront der Straße. „Schweinerei, so nicht, dachten wir Kinder und sind in die CDU eingetreten”, sagte sie einmal der Presse. Ihr Vater sei ihr heute „ein wunderbarer Ratgeber”. Beide vereine eine gemeinsame Grundüberzeugung, die geprägt sei von einem christlichen Menschen- und traditionellem Familienbild, von ehrenamtlichem Engagement und der Haltung, dass jeder seines Glückes Schmied sei und der Staat nicht alles regeln kann und soll. (Tageszeitung, 3. März 2003)
Ursula von der Leyens Einlassungen zum Thema Internet sind und bleiben von einem fundamentalen Unverständnis geprägt. Dies vermischt sich aber zunehmend mit so einer Art Heilsbringertum, zu dem sie sich berufen zu fühlen scheint. Insgesamt eine beunruhigende Mischung und ein Grund mehr, dafür zu sorgen, dass diese Frau nach dem 27. September keinen Ministerposten mehr hat. Das ist besser für sie, ihre Familie – und für Deutschland.
Zur „World Socialist Website”:
Es handelt sich hierbei um das „Zentralorgan” der IV. Sozialistischen Internationale (Trotzkisten), die deutsche Sektion ist die „Partei für Soziale Gerechtigkeit”.
Ich hab zwar schon erlebt, dass die als Quelle für irgendwelche unterirdischen Seminarbeiten herhalten mussten (schönen Gruß, Inga), andererseits gibt’s dort aber ab und zu auch kundige Filmrezensionen ;);. All the best!!
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Zur „World Socialist Website”:
Es handelt sich hierbei um das „Zentralorgan” der IV. Sozialistischen Internationale (Trotzkisten), die deutsche Sektion ist die „Partei für Soziale Gerechtigkeit”.
Ich hab zwar schon erlebt, dass die als Quelle für irgendwelche unterirdischen Seminarbeiten herhalten mussten (schönen Gruß, Inga), andererseits gibt’s dort aber ab und zu auch kundige Filmrezensionen 😉
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Danke! Auch wenn ich bisher die konkreten Belege für die Denke der UvdL noch nicht recherchiert hatte, sind Deine Zitate der Beweis für die typische hegemonistische Struktur, die hinter dieser Frau und der ganzen Sippe zu stecken scheint. „An Albrechts Wesen soll die Welt genesen”…
Nein, danke…
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Da lag ich mit meiner Einschätzung des Von-der-Leyen’schen Größenwahns ja scheinbar doch wieder mal richtig. Im Grunde klingt das alles wie die Vorstufe zu einer Art „Christlichem Fundamentalismus”. Vielleicht sollte man der Zensursula nochmal sagen, dass es hierzulande (NOCH) die Trennung zwischen Politik & Religion gibt und auch weiterhin geben muss.
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