Bild, Tauss und wie die Staatsanwaltschaft Stimmung macht 15


Es rauscht im Blät­ter­wald. Gegen Jörg Tauss soll Ankla­ge erho­ben wer­den. Sagt der Staats­an­walt. Dabei ist vor allem der Ver­brei­tungs­weg der Nach­richt inter­es­sant: So wie es aus­sieht, hat Ober­staats­an­walt Rüdi­ger Reh­ring dies­be­züg­lich mit der Bild gespro­chen. In deren Online­auf­tritt fin­det sich jeden­falls fol­gen­des:

Ober­staats­an­walt Rüdi­ger Reh­ring zu BILD​.de: „Wir beab­sich­ti­gen, eine Ankla­ge zu erheben.”

Soso. Das ist ja span­nend. Und was heißt das? Jörg Tauss schon so gut wie vor dem Kadi? Nun, nicht ganz. Bild erklärt selbst, was nun noch passiert:

BILD erfuhr: Die Ermitt­lun­gen sind abge­schlos­sen, der Bericht (zwei dicke Ord­ner) liegt bei Tauss‘ Anwalt. Die­ser hat jetzt zusam­men mit Tauss die Mög­lich­keit, Stel­lung zu bezie­hen und gege­be­nen­falls wei­te­re Ermitt­lun­gen zu beantragen.

Und vor der Ankla­ge­er­he­bung muss noch etwas passieren:

Zuvor wird der Immu­ni­täts­aus­schuss des Bun­des­ta­ges Ein­sicht in die Akten bekom­men, weil der Bun­des­tag für eine Ankla­ge die Immu­ni­tät von Herrn Tauss auf­he­ben müsste.

Wir fas­sen zusam­men: Die Staats­an­walt­schaft hat also ihre Ermitt­lun­gen abge­schlos­sen. Die­se lie­gen jetzt dem Beschul­dig­ten bzw. des­sen Anwalt vor, die dar­auf reagie­ren kön­nen. Und dann geht das gan­ze zum Immu­ni­täts­aus­schuss, der eben die­se Immu­ni­tät auf­he­ben muss. Und dann, erst dann, kann die Staats­an­walt­schaft Ankla­ge erheben.

Man kann also kei­nes­falls davon spre­chen, dass die Vor­be­rei­tun­gen der Ankla­ge­er­he­bung abge­schlos­sen sind. Eigent­lich ist es so, dass die Staats­an­walt­schaft jetzt mit ihrer inter­nen Arbeit fer­tig ist und alle ande­ren Betei­lig­ten die Gele­gen­heit haben, in den Fort­gang des Ver­fah­rens aktiv ein­zu­grei­fen. Und in die­ser Situa­ti­on spricht der Ober­staats­an­walt mit der Bild? Kein Wun­der, dass Jörg Tauss’ Anwalt tobt. Auf der Web­sei­te sei­nes Man­dan­ten wird er zitiert:

Der Ober­staats­an­walt betreibt wei­ter eine Öffent­lich­keits­ar­beit, bei der es gar nicht mehr dar­auf ankommt, wie der Fall am Ende aus­geht: Jörg Tauss war in Reh­rings Augen offen­sicht­lich schon von der ers­ten Stun­de der Ermitt­lun­gen an schul­dig und für sein Urteil bedarf es auch kei­nes Gerichts. Für die sozia­le Exe­ku­ti­on reicht ihm die BILD- Zeitung.

Uner­träg­lich, dass eine Staats­an­walt­schaft in unse­rem Rechts­staat so agie­ren kann und sich ihr kein Ver­ant­wort­li­cher in den Weg stellt.

Bei Jörg Tauss geht es um ein Straf­ver­fah­ren. Im Gegen­satz zu Zivil­ver­fah­ren heißt es hier „Staat gegen Bür­ger” – und das sind zwei Betei­lig­te mit extrem unter­schied­li­chen Aus­gangs­vor­aus­set­zun­gen: Der Staat hat letzt­lich immer mehr Macht und mehr Mög­lich­kei­ten als der ein­zel­ne Bür­ger. Des­halb müs­sen in einem Straf­ver­fah­ren ins­be­son­de­re die Rech­te des Bür­gers geach­tet wer­den und der Staat muss sich auf die­je­ni­gen Mit­tel zur Durch­set­zung sei­ner Inter­es­sen beschrän­ken, die ihm vom Gesetz her zuge­stan­den sind. Das ist einer der Kern­punk­te des Rechts­staa­tes. Ansons­ten kön­nen wir uns näm­lich die­ses gan­ze Getue mit Ankla­ge, Rechts­an­walt und Gerich­ten spa­ren und den Ver­däch­ti­gen gleich in den Fluss schmeißen.

Nun gibt es in Deutsch­land höchst­wahr­schein­lich kein Gesetz, dass es Ober­staats­an­wäl­ten ver­bie­tet, mit der Bild zu spre­chen. Wenn sie dies aber in Sachen eines lau­fen­den Ver­fah­rens tun und dann auch noch zu einem Zeit­punkt, wo ande­re Betei­lig­te Stel­lung zu ihren Ermitt­lungs­er­geb­nis­sen neh­men kön­nen, dann hat das schon ein „Geschmä­ck’­le”. Was soll uns das Inter­view sagen? Die Staats­an­walt­schaft wird sich mit even­tu­el­len Ein­wän­den von Jörg Tauss oder sei­nem Anwalt gar nicht mehr beschäf­ti­gen, frei nach dem Mot­to: „Die Par­teiStaats­an­walt­schaft hat immer Recht”? Oder ist das ein wenig dezen­ter Hin­weis an den Immu­ni­täts­aus­schuss, dort sei gefäl­ligst auf Auf­he­bung der Immu­ni­tät zu ent­schei­den? Selbst wenn dem Staats­an­walt nach den Buch­sta­ben des Geset­zes an sei­nem Inter­view nichts vor­zu­wer­fen ist, so hat er hier mei­nes Erach­tens deut­lich die Gren­ze über­schrit­ten, die eine Ankla­ge­be­hör­de in einer rechts­staat­li­chen Ord­nung aus grund­sätz­li­chen Über­le­gun­gen nicht über­schrei­ten sollte.

Die Pira­ten­par­tei setzt sich für einen trans­pa­ren­ten Staat ein. Das bedeu­tet unter ande­rem, dass ein Bür­ger jeder­zeit eine Recht­fer­ti­gung von staat­li­chen Stel­len für ihr Ver­hal­ten ein­for­dern kön­nen soll. Ich fän­de es inter­es­sant zu erfah­ren, wie Ober­staats­an­walt Reh­ring sein Inter­view mit Bild recht­fer­tigt und wie er den Ver­dacht aus­räumt, es sei ihm vor allem um Stim­mung­ma­che gegen Jörg Tauss gegangen.

Ich habe beim Ein­tritt von Jörg Tauss in die Pira­ten­par­tei gesagt: „Es gilt die Unschulds­ver­mu­tung.” Und dabei blei­be ich!

Nach­trag (14:03 Uhr): Mitt­ler­wei­le fin­det auch Gene­ral­staats­an­wäl­tin Hügel das Ver­hal­ten ihres Ober­staats­an­walts nicht so toll.

Nach­trag (14:20 Uhr): Udo Vet­ter schreibt im Law­blog aus jusis­ti­scher Sicht über den Staats­an­walt und die Pres­se.


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