Es rauscht im Blätterwald. Gegen Jörg Tauss soll Anklage erhoben werden. Sagt der Staatsanwalt. Dabei ist vor allem der Verbreitungsweg der Nachricht interessant: So wie es aussieht, hat Oberstaatsanwalt Rüdiger Rehring diesbezüglich mit der Bild gesprochen. In deren Onlineauftritt findet sich jedenfalls folgendes:
Oberstaatsanwalt Rüdiger Rehring zu BILD.de: „Wir beabsichtigen, eine Anklage zu erheben.”
Soso. Das ist ja spannend. Und was heißt das? Jörg Tauss schon so gut wie vor dem Kadi? Nun, nicht ganz. Bild erklärt selbst, was nun noch passiert:
BILD erfuhr: Die Ermittlungen sind abgeschlossen, der Bericht (zwei dicke Ordner) liegt bei Tauss‘ Anwalt. Dieser hat jetzt zusammen mit Tauss die Möglichkeit, Stellung zu beziehen und gegebenenfalls weitere Ermittlungen zu beantragen.
Und vor der Anklageerhebung muss noch etwas passieren:
Zuvor wird der Immunitätsausschuss des Bundestages Einsicht in die Akten bekommen, weil der Bundestag für eine Anklage die Immunität von Herrn Tauss aufheben müsste.
Wir fassen zusammen: Die Staatsanwaltschaft hat also ihre Ermittlungen abgeschlossen. Diese liegen jetzt dem Beschuldigten bzw. dessen Anwalt vor, die darauf reagieren können. Und dann geht das ganze zum Immunitätsausschuss, der eben diese Immunität aufheben muss. Und dann, erst dann, kann die Staatsanwaltschaft Anklage erheben.
Man kann also keinesfalls davon sprechen, dass die Vorbereitungen der Anklageerhebung abgeschlossen sind. Eigentlich ist es so, dass die Staatsanwaltschaft jetzt mit ihrer internen Arbeit fertig ist und alle anderen Beteiligten die Gelegenheit haben, in den Fortgang des Verfahrens aktiv einzugreifen. Und in dieser Situation spricht der Oberstaatsanwalt mit der Bild? Kein Wunder, dass Jörg Tauss’ Anwalt tobt. Auf der Webseite seines Mandanten wird er zitiert:
Der Oberstaatsanwalt betreibt weiter eine Öffentlichkeitsarbeit, bei der es gar nicht mehr darauf ankommt, wie der Fall am Ende ausgeht: Jörg Tauss war in Rehrings Augen offensichtlich schon von der ersten Stunde der Ermittlungen an schuldig und für sein Urteil bedarf es auch keines Gerichts. Für die soziale Exekution reicht ihm die BILD- Zeitung.
Unerträglich, dass eine Staatsanwaltschaft in unserem Rechtsstaat so agieren kann und sich ihr kein Verantwortlicher in den Weg stellt.
Bei Jörg Tauss geht es um ein Strafverfahren. Im Gegensatz zu Zivilverfahren heißt es hier „Staat gegen Bürger” – und das sind zwei Beteiligte mit extrem unterschiedlichen Ausgangsvoraussetzungen: Der Staat hat letztlich immer mehr Macht und mehr Möglichkeiten als der einzelne Bürger. Deshalb müssen in einem Strafverfahren insbesondere die Rechte des Bürgers geachtet werden und der Staat muss sich auf diejenigen Mittel zur Durchsetzung seiner Interessen beschränken, die ihm vom Gesetz her zugestanden sind. Das ist einer der Kernpunkte des Rechtsstaates. Ansonsten können wir uns nämlich dieses ganze Getue mit Anklage, Rechtsanwalt und Gerichten sparen und den Verdächtigen gleich in den Fluss schmeißen.
Nun gibt es in Deutschland höchstwahrscheinlich kein Gesetz, dass es Oberstaatsanwälten verbietet, mit der Bild zu sprechen. Wenn sie dies aber in Sachen eines laufenden Verfahrens tun und dann auch noch zu einem Zeitpunkt, wo andere Beteiligte Stellung zu ihren Ermittlungsergebnissen nehmen können, dann hat das schon ein „Geschmäck’le”. Was soll uns das Interview sagen? Die Staatsanwaltschaft wird sich mit eventuellen Einwänden von Jörg Tauss oder seinem Anwalt gar nicht mehr beschäftigen, frei nach dem Motto: „Die ParteiStaatsanwaltschaft hat immer Recht”? Oder ist das ein wenig dezenter Hinweis an den Immunitätsausschuss, dort sei gefälligst auf Aufhebung der Immunität zu entscheiden? Selbst wenn dem Staatsanwalt nach den Buchstaben des Gesetzes an seinem Interview nichts vorzuwerfen ist, so hat er hier meines Erachtens deutlich die Grenze überschritten, die eine Anklagebehörde in einer rechtsstaatlichen Ordnung aus grundsätzlichen Überlegungen nicht überschreiten sollte.
Die Piratenpartei setzt sich für einen transparenten Staat ein. Das bedeutet unter anderem, dass ein Bürger jederzeit eine Rechtfertigung von staatlichen Stellen für ihr Verhalten einfordern können soll. Ich fände es interessant zu erfahren, wie Oberstaatsanwalt Rehring sein Interview mit Bild rechtfertigt und wie er den Verdacht ausräumt, es sei ihm vor allem um Stimmungmache gegen Jörg Tauss gegangen.
Ich habe beim Eintritt von Jörg Tauss in die Piratenpartei gesagt: „Es gilt die Unschuldsvermutung.” Und dabei bleibe ich!
Nachtrag (14:03 Uhr): Mittlerweile findet auch Generalstaatsanwältin Hügel das Verhalten ihres Oberstaatsanwalts nicht so toll.
Nachtrag (14:20 Uhr): Udo Vetter schreibt im Lawblog aus jusistischer Sicht über den Staatsanwalt und die Presse.
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Und da reden alle vom Sommerloch… 😉
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Zur Rechtslage dieses Vorstoßes hat sich auch Udo Vetter von Lawblog geäußert:
http://www.lawblog.de/index.php/archives/2009/07/21/der-staatsanwalt-und-die-presse/
Erste Watschn von der Chefin: http://www.heise.de/newsticker/Behoerdenchefin-kritisiert-Staatsanwalt-im-Fall-Tauss – /meldung/142304
Wir haben einen medienträchtigen Fall und einen nicht gerade medienscheuen Beschuldigten. Wer soll da dem Staatsanwalt vorwerfen, auch mit den Medien zu sprechen (die zudem sicherlich auch von sich aus fragen werden).
Und was hat er gesagt?
Das er „beabsichtigt, Anklage zu erheben”.
Weniger kann man/er doch quasi kaum sagen?
Dass Herr Tauss da ein möglichst großes Fass zu auf macht, kann ich auch verstehen. Das würde an seiner Stelle auch; unabhängig davon, ob ich schuldig wäre oder nicht.
Ich kann nur hoffen, dass Herr Tauss der Sache am Ende nicht viel mehr schadet als hilft.
Bild auf Ruhrbarone-Niveau P-)
http://blog.hillbrecht.de/2009/07/09/ruhrbarone-auf-zensursula-niveau/
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Ein Gutes hat das Strafverfahren gegen Herrn Tauss
jedoch. Nicht ein einziges strafbares Bild wurde bei Herrn Tauss auf einem Internet-Rechner gefunden.
Die Bekämpfung von Kinderpornographie durch Internetzensur ist genauso erfolgreich wie Bekämpfung von Massenvernichtungswaffen durch den Irakkrieg. Erfolglosigkeit steht einem immensen Kollateralschaden gegenüber.
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Es ist fraglich, ob sich die Piratenpartei oder auch exponierte Mitglieder in irgendeiner Weise zur Schuld, Unschuld oder des Befreiungstatbestandes der beruflichen Verwendung einschlägigen Materials äußern sollten.
Schädlich für die Partei ist nicht die Tatsache an sich, dass sich ein Pirat möglicherweise strafbar gemacht hat. Hier habe sich die Piraten zu recht auf das Fortbestehen der Unschuldsvermutung positioniert.
Schädlich wird aber der Umgang der Partei mit der Justiz sein. Gerade diese Stellungahmen bieten Einfallstore für den politischen Wettbewerb. Nicht Tauss ist deren Ziel, sondern die piratischen Bundestagsabgeordneten.
Aus dem zitierten Gesetz kann ich aber keinen Rechtsbruch erkennen. Kannst Du da etwas konkreter werden???
Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass ein Staatsanwalt so blöd wäre – das er berechnend ist und den Sinn seiner Anstellung nicht begriffen hat sind andere, aber nicht strafbare Punkte.
Nunja, es ist eigentlich verboten, Inhalte aus laufenden Verfahren zu veröffentlichen.
http://bundesrecht.juris.de/stgb/__353d.html
Auch für Staatsanwälte.