Die 1970er Jahre sind gerade vorbei, als mein Opa im Sommer 1980 dieses Foto mitten in der Innenstadt anfertigt. Die Bahnhofstraße ist zu diesem Zeitpunkt seit etwa fünf Jahren in dieser Form umgebaut: Es gibt nicht mehr nur die Straßenebene, sondern darunter eine eigene Fußgänger- und Einkaufsebene, die auf dem zweistöckigen U‑Bahntunnel darunter errichtet wurde: Die Passerelle.
„Runde Formen und Sichtbeton” – so kann man die Architektur dieser Zeit zusammenfassen. Und hier kommt alles zusammen: Wuchtige Betonbalustraden und Lampensockel wohin man sieht. Die Wasserkunst im Bildvordergrund hat augenscheinlich keine einzige Kante, die nicht abgerundet ist. Die Straßenlaternen, die sich die Bahnhofstraße hinunterziehen und dann im Bildhintergrund in der Karmarschstraße fortsetzen sind ebenso umfassend rund wie die Umfassung des öffentlichen Telefons unten in der Passerelle.
Die Mehrgeschossigkeit des Straßenbildes wird noch verstärkt durch die „Brücke”, die die Passerelle in der Bildmitte überspannt. Sie ist gegenüber dem Straßenniveau etwas tiefergelegt und verstärkt damit die Wirkung der verschiedenen Ebenen. Interessanterweise wurde das aber nicht bei jeder dieser Brücken so gemacht: Diejenige im Hintergrund ist „ganz normal” auf Straßenniveau.
Im Jahr 2019 präsentiert sich die Straße ganz anders: Die Passerelle gibt es noch, sie heißt heute allerdings anders. Und in dieser „Niki-de-Saint-Phalle-Promenade” beherrscht nicht mehr wuchtiger Beton, sondern wesentlich filigraneres Glas und Stein das Bild. Auch Brunnen, Telefonzellen und die ganze andere Straßenmöbelierung ist verschwunden, dafür ist die Passage in der Minus-Eins-Ebene deutlich schmaler geworden. Der Platz, der früher links und rechts überdacht war, gehört heute zu den Ladengeschäften. Ersatz schaffen die – allerdings nicht durchgängigen – Glasdächer links und rechts.
Die Beleuchtung kommt heute aus den hohen Streben in der Straßenmitte. Die Brücken über die Passage gibt es immer noch, allerdings auch deutlich filigraner und durchgängig auf Straßenniveau. Eine gewisse Auflockerung ergibt sich dadurch, dass sie nicht im rechten Winkel angeordnet sind.
Im Hintergrund ragt schließlich das in den frühen 2010er-Jahren komplett umgebaute Kröpckecenter ins Bild. Die Variante aus den 1970er Jahren war zwar mit ihrem Büroturm wesentlich größer, aber weiter zurückgezogen.