Bildquelle: Wikipedia, Autor: „Mbdortmund”, Lizenz: GFDL 1.2
Die heutige Ablehnung des Jugendmedienschutz-Staatsvertrages im Landtag von NRW bietet die Möglichkeit, alles nochmal auf Anfang zu setzen und das Thema grundsätzlich aufzurollen. Dabei gibt es einige Aspekte, die ich für wichtig halte.
Zuerst und zu vorderst gibt es das rechtsstaatliche Prinzip des Bestimmtheitsgrundsatzes. Wie konnten die Beteiligten von seiner Wahrung ausgehen, wo doch zum Zeitpunkt des geplanten Inkrafttretens weder die vorgesehenen Einstufungsunterstützungen für die Altersklassifikation verfügbar waren noch das genaue Vorgehen zum Einstufen eines Webangebotes noch die Grundlagen für die Einstufung in allgemein nachvollziehbarer Form vorhanden sind? Ein Gesetz, und damit auch der gesetzesgleiche JMStV, kann nicht irgendwelche schwammigen Forderungen erheben und deren Ausgestaltung anschließend Abmahnanwälten und hanseatischen Landgerichten überlassen. Genau dies war die Hauptgefahr, die überall gesehen wurde und die bereits im Vorfeld zum Schließen einiger Blogs und anderer Webpräsenzen geführt hat.
Bis zum Schluss war unklar, für wen die Regelungen denn nun eigentlich gelten. Eine Neufassung muss endlich die Realität anerkennen, dass „Medien” in Deutschland nicht mehr wenige große Anbieter sind, die ihre Empfänger berieseln, sondern dass heutzutage jeder zu einem (kleinen) „Sender” werden kann, der öffentlich Inhalte verbreitet. Regelungen wie dieser verkorkste Staatsvertrag müssen deshalb so gestaltet sein, dass diese kleinen Inhalteanbieter (wie zum Beispiel ich hier mit meinem Blog) nicht verschreckt werden und das die Regelungen für sie handhabbar sind. Der Schaden für die Gesellschaft wäre immens, wenn man in Zukunft stets mit einem Bein im Gefängnis und mit dem anderen im persönlichen Ruin stünde, nur weil man sein Grundrecht auf Meinungs- und Äußerungsfreiheit nutzt (wieder wie zum Beispiel ich hier mit meinem Blog). Damit hätte man genau den Effekt, den das Grundgesetz explizit ausschließen will. Dort heißt es kurz und knackig: „Eine Zensur findet nicht statt.”
Und wenn wir schon beim Anerkennen von Realitäten sind: Wovor soll die „Jugend” eigentlich „geschützt” werden? Inwiefern ist das Bild eines nackten Menschen für einen Jugendlichen entwicklungsbeeinträchtigend, wenn derselbe Jugendliche in der U‑Bahn mit voller Lautstärke Pornorap von „Frauenarzt” abspielt? Hier wird „Jugendschutz” propagiert, der mit dem wirklichen Leben nur wenig zu tun hat und Jugendliche meines Erachtens für wesentlich dümmer verkauft als sie sind.
Das Abstimmungsergebnis in NRW ist trotz allem aber auch ein Sieg der Zivilgesellschaft, die sich in den letzten Wochen massiv gegen den Vertrag ausgesprochen hat. Ohne dies hätten die CDU und in ihrer Gefolgschaft SPD und Grüne wohl nicht ausgerechnet dieses Thema zum Versuch der Profilierung auf Kosten des politischen Gegners gefunden. Damit ist jetzt erstmal wieder Zeit gewonnen. Zeit, die – so hoffe ich – für die fortschrittlichen Kräfte spielt. Mit jeder Wahl werden mehr Politiker in die Entscheidungsgremien einziehen, für die das Internet und die gesamte damit verbundene „neue Welt der Kommunikation” selbstverständlicher Bestandteil ihres Lebens ist. Das führt dann – so hoffe ich als unverbesserlicher Optimist – letztlich dazu, das irgendwann solche weltfremden Möchtegerngesetze wie diese JMStV-Novelle schlicht nicht mehr machbar sind. Es wäre ein großer Gewinn – nicht nur für virtuelle Communitys und Blogbetreiber, sondern für die gesamte freiheitliche-demokratische Gesellschaft.