Den ehemaligen Vorsitzenden der Piraten-Ratsfraktion hat es in den Bezirksrat Mitte verschlagen. Dort hat er nun einen Antrag eingebracht, den hannoverschen „Ernst-August-Platz” umzubenennen, weil Ernst August I. als Namensgeber nicht tragbar sei. Leider ist der Antrag in Form und Inhalt unsäglich:
- Die Darstellung des Ernst August I. ist nicht vollständig. Es wird auf einen bestimmten Vorgang einer immerhin 14-jährigen Amtszeit und eines 80-jährigen Lebens abgehoben. Das ist derselbe Fehler, der momentan in der gesamten Diskussion um die Umbenennung von Straßen und Plätzen gemacht wird.
- Es wird versucht, die damaligen Vorgänge nach heutigen Maßstäben zu messen. Das funktioniert aber nicht, da die Gesellschaftsstrukturen damals und heute überhaupt nicht vergleichbar sind. Allein innerhalb des Antragstextes ergibt sich ein Widerspruch in der Bezugnahme auf einen „Eid vor Gott” oder die „Königshuldigung” einerseits und die Zugrundelegung eines aufgeklärt-bürgerlichen Staatssystems andererseits.
- Es werden mehrfach Behauptungen in den Raum gestellt, die unbelegt, falsch oder mit dem Vorgang nicht zusammenhängend sind:
- Für die Beliebt- oder Unbeliebtheit des Herrschers damals werden keine Belege angeführt; es wird stattdessen dem inhaltsgleichen Wikipediasatz noch ein „sehr” hinzugefügt und dort ebenfalls erwähnte „große Anteilnahme der Bevölkerung” anlässlich der Beerdigung nicht weiter eingegangen. Zudem: Was spielt das für die heutige Zeit für eine Rolle?
- Das Ernst-August-Denkmal wurde erst deutlich nach der Herrschaftszeit von Ernst August I. aufgestellt. Die Angaben zur Bezahlung sind unbelegte Behauptung.
- Hannover im Zeitraum 1866 – 1966(!) als „Provinz” zu bezeichnen, wie in dem Antrag formuliert, ist schlicht hanebüchen. Und für die Behauptung, dies hätte was mit Ernst August zu tun liefert der Text ebenfalls weder Beleg noch Quelle.
- Vor allem aber: Dieser Antrag geht zwar umfänglich darauf ein, warum der bisherige Name schlecht ist, aber mit keinem ernsthaften Wort wird begründet, warum der vorgeschlagene neue Name gut oder wenigstens besser sei. Wie weiland Edmund Stoiber zum Münchener Flughafen-Transrapid: „Weil das ja klar ist”. Das ist in seiner Kritiklosigkeit und Banalität ja noch wesentlich schlimmer als das, was der Antragstext dem Prozess unterstellt, der zum aktuellen Namen des Platzes geführt hat.
Überhaupt keine Berücksichtigung findet zudem die Frage, welche Rolle die Bezeichnung des Platzes heutzutage als Landmal oder Identifizierung völlig losgelöst von seinem Namensträger hat. Immerhin ist der mittlerweile seit 164 Jahren tot. Diesen Namen zu ändern betrifft nämlich in erster Linie die Menschen, die *heute* leben und die auf Wirken des Namensgebers keinerlei Einfluss mehr haben können.
Ich lehne mich mal aus dem Fenster und behaupte, dass von allen Menschen, die an einem beliebigen Tag den hannoverschen Bahnhofsplatz queren oder seinen Namen hören, nur eine verschwindende Minderheit überhaupt den historischen Hintergrund des Namensträger kennt. Und von dieser verschwindenden Minderheit werden keine zwei die damaligen Vorgänge gleich interpretieren. Eine Umbenennung im Sinne dieses Antrages läuft unmittelbar Gefahr, als von oben herab erlassen – gleichsam oktroyiert – zu erscheinen.
Und damit hätte dieser Antrag dann plötzlich wieder erstaunlich viel gemeinsam mit jenem König lang vergangener Tage, an dem er sich so umfänglich abarbeitet.