Zum Schluss ist es Tschaikowski. Im Takt des Blumenwalzers schwingen Christian von Richthofen und Benny Greb die Vorschlaghämmer und lassen sie genüsslich auf die Karosserie des alten Opel Kadett E krachen. Motorhaube, Kofferraumabdeckung, Dach, Kotflügel – alles hin. In den Lack der Seitenfront ist das Wort „LOVE” mit dem Winkelschleifer geschrieben. Denn eigentlich, so Christian von Richthofen, ist das ganze Spektakel eine Liebeserklärung an den Kadett E, diesen „Steinway unter den Autos”.
Eineinhalb Stunden früher steht der noch weitgehend unbeschädigt auf der Bühne. Zusammen mit einem Schlagzeug. Dem Zuschauer ist eine „Rhythm-and-Crash-Performance” angekündigt und dass es dem Auto im laufe des Abends derbe an den Kragen gehen wird, wissen wir auch. Trotzdem beginnt der Abend eher gesittet: von Richthofen und Greb treten im Frack auf die Bühne und geben zunächst mal eine A‑capella-Version der Bach’schen Toccata und Fuge in D‑Moll mit lautmalerischen Elementen. Danach wird das Auto zunächst klanglich „erforscht”: In der Tat lassen sich der Karosserie durch Trommeln auf Motorhaube, Türen, Dach und Rückwand ganz unterschiedliche Geräusche entlocken. Die eingesetzten Holz- und Metallstöcke halten die Schäden dabei in Grenzen. Von Richthofen und Greb arbeiten sich durch etliche Stile, von Reggae bis zum Radetzkymarsch ist alles dabei. Immer wieder lassen sie auch von dem Auto ab und singen. Mittels eines kleinen Loop-Sequencers, den von Richthofen (fast immer) souverän mit dem Fuß bedient, entstehen dabei beachtliche mehrstimmige Klangteppiche. Zusätzlich schildert von Richthofen überzeugend als Hitler die Nöte des Führers beim TÜV („Rrrrückspägel!?! Wärr brraucht Rrückspägel?! Äch wäll einen Waagen mät Frrontanträäb!”) und Greb arbeitet sich genauso furios durch das aufgestellte Schlagzeug wie er später eine Radkappe als Perkussionsinstrument benutzt.
Plakat: Marion Lustig, Fotos: Bernd Weishaupt, Jürgen Schmalfuß
Nach der Pause wird es dann handfester. Während von Richthofen bereits vorher die Frontscheibe mit der bloßen Hand eingeschlagen hat – und ich behaupte weiterhin: Das muss weh tun – kommt jetzt die Flex zum Einsatz und die Schlaginstrumente werden größer. Zu Mozarts Türkischem Marsch bearbeitet von Richthofen zudem ein weiteres Mal die Motorhaube mit den bloßen Händen, wobei er Maestro-like auf der Klavierbank sitzt. Bevor dann das Finale dem Auto den Rest gibt, muss der soeben aus dem Publikum ernannte Sicherheitsbeauftragte Achim Helme in den ersten Reihen verteilen. Und dann geht’s – wie beschrieben – los.
Auto Auto! hat sowohl mich als auch meine Begleiterin in jeder Hinsicht begeistert: Zwei Künstler mit sichtlich Spaß an der Sache singen, tanzen und trommeln sich durch den Abend. Beide verstehen ihr Handwerk und selten wird man Zeuge einer derart zelebrierten Autoverschrottung. Dabei ist der technische Aufwand sicherlich nicht unerheblich: Dass der Opel Kadett bei seinem finalen Auftritt so gut „klingt”, liegt sicherlich auch daran, dass in der Karosserie etliche Mikrofone verbaut sein dürften, die die Klänge gut ausgesteuert auf die Lautsprecher bringen. Der stets untergemischte Hall – beim Auto weniger, beim Gesang mehr – verleihen der Akustik zusätzlichen Nachdruck. Und schließlich unterstützt auch das Bühnenlicht die Verschrottungsorgie nach Kräften.
Zum vierten Mal war von Richthofen letzten Sonntag mit Auto Auto! in Hannover. Für diese internationale Show dürfte das fast sowas wie ein Heimspiel sein – von Richthofen kommt aus Norddeutschland und einer der Hauptlieferanten für die Opel Kadetts saß vor der Bühne. Das Publikum im vollen großen Saal des Raschplatz-Pavillons war aus dem Häuschen. Im Herbst gastieren die beiden wieder in der Nähe – dann in Lehrte. Meinerseits gibt es nur eine Empfehlung: Hingehen und Anschauen!
… und für sowas kriegen die Kohle? tststs …
Wie cool ist denn sowas! 🙂 Gibt es die Show noch? Das würde ich mir ja gerne mal ansehen!