Mitte September 2023 hat die Verwaltung der Stadt Hannover (endlich!) das Innenstadt-Mobilitätskonzept vorgelegt. Kernpunkte sind die Konzentration des Autoverkehrs auf die Parkhauszufahrten, Verhinderung von Durchgangs- und Parksuchverkehr, viel mehr Raum für Fuß- und Radverkehr bei gleichzeitiger Verbesserung der Situation für den ÖPNV. Es ist der (nicht nur von mir) erhoffte große Wurf und hat bislang bemerkenswert wohlwollenden Wiederhall in der Stadtgesellschaft und darüber hinaus gefunden.
Am Freitag nun war die erste öffentliche Diskussionsveranstaltung zu den Plänen. Oberbürgermeister Belit Onay und Stadtbaurat Thomas Vielhaber präsentierten die Pläne höchstpersönlich im aufhof und stellten sich anschließend eine Stunde lang Fragen aus dem Publikum. Dieses war mehrere hundert Mensch stark erschienen – und die positive Grundstimmung setzte sich fort.
Onay und Vielhaber hielten zunächst kurze Impulsvorträge. Beide betonten die Notwendigkeit der Änderungen, näherten sich dem Thema aber aus unterschiedlichen Perspektiven: Onay hob die klimatischen Veränderungen hervor, auf die sich die Stadt durch mehr grün, weniger Autos und mehr Aufenthaltsflächen einstellen müsse. Vielhaber zeichnete die historische Entwicklung nach, insbesondere die bis heute prägenden Elemente der „autogerechten Stadt” meines Fast-Namensvetters und Nachkriegsstadtbaurates Rudolf Hillebrecht.
Gerade vor dem Hintergrund dieser jahrzehntelang verfolgten Grundsätze verengt sich die Wahrnehmung und Diskussion immer wieder auf den Kfz-Verkehr. Dementsprechend viel Raum bekam dieser Aspekt auch in der Veranstaltung. „Wir ziehen keine Stadtmauer hoch,” betonte Onay. Die Stadt sei weiterhin mit dem Auto erreichbar, es werden bloß klarere Zuordnungen getroffen und die Räume neu verteilt. Die Parkhäuser, deren etwa 10.000 Parkplätze momentan nur zu 50% ausgelastet sind, bieten genug Reserve; für die Höchstlastzeiten und generell als Angebotsverbesserung werden die Park-And-Ride-Angebote von momentan 6000 auf 9000 Plätze erheblich ausgebaut.
Zu diesem Themenkomplex kamen erwartbar auch die meisten Nachfragen. Onay und Vielhaber haben mehrfach betont, wie die stärkere Strukturierung des Autoverkehrs letztlich insbesondere ihm selbst zu Gute kommt: Parksuchverkehre entfallen, wenn die Belegung der Parkhäuser bekannt ist und es andere Parkmöglichkeiten schlicht nicht mehr gibt. Damit ist dann aber auch endlich mehr Platz für Spezialanforderungen wie Lieferverkehre oder Behindertenparkplätze. Natürlich kamen auch in dieser Veranstaltung wieder die üblichen Fragen nach Parkplätzen für Handwerker/Arztbesuche/Kunden mit 3 Autos aus Übersee, aber wenn die Fragesteller sich nur einmal auf die grundlegende Struktur einließen, wüssten sie selbst, dass das alles keine neuen „Probleme” sind und es für alles Lösungen gibt: Parkausweise, Ein-/Ausstiegszonen, Parkhäuser oder schlicht andere Verkehrsmittel sind längst vorhanden und funktionieren.
Mir persönlich liegt ja der Radverkehr besonders am Herzen. Sehr wohlwollend habe ich deshalb zur Kenntnis genommen, dass die Planungen diesem zukünftig deutlich mehr Platz geben wollen und einige extrem unerfreulich gestaltete Bereiche wie die Schillerstraße oder die Fernroder Straße künftig viel besser zu nutzen sein werden.
Konkret wird dies als Erstes wohl in der Langen Laube, die ihrer Widmung als „Fahrradstraße” momentan absolut nicht gerecht wird.
Erhalten bleiben soll die stark frequentierte Bushaltestelle am Kröpcke vor der Oper. Hierhin schicken üstra und Regiobus ja mittlerweile diverse Buslinien – teilweise weit aus dem Umland. Leider hat Hannover es ja sowohl in den 1990er- als auch in den 2010er-Jahren versäumt, das Stadtbahn-Tunnelnetz um den vierten Innenstadttunnel zu ergänzen und so eine langfristig leistungsfähige Grundstruktur zu schaffen. So werden sich denn auf der Georgstraße zwischen Oper und Aegi zukünftig Busse und Radfahrer die Fahrbahnen teilen.
Ein erklärtes Ziel der gesamten Innenstadtumgestaltung ist die Aufwertung des öffentlichen Raumes insgesamt. Auf einem Teil der Schmiedestraße ist der neue Straßenquerschnitt seit einigen Tagen fertig gestellt. Die Umgestaltung des Steintorplates – leider bislang ohne angemessene Berücksichtigung des Radverkehrs – soll nächstes Jahr beginnen. Ambitionierte Pläne gibt es für das „Kulturdreieck” südlich des Thielenplatzes und die „bahnhofsnahen Plätze”. Gerade bei letzteren blieb aber die Frage offen, wie mit der latenten Ausbreitung von sozial herausforderndem Sucht- und Obdachlosenmilieu umgegangen werden kann. Ich halte das angesichts der aktuellen Zustände im Bereich Fernroder Straße/Volgersweg für ein durchaus relevantes Problem – dort findet gerade eine regelrechte Verslumung statt, die mittlerweile bis an den Ernst-August-Platz heranreicht.
Davon abgesehen: Belit Onay und Thomas Vielhaber haben das Mobilitätskonzept souverän und überzeugend dargestellt. Das sah augenscheinlich nicht nur ich so, sondern die allermeisten Bürger, die sich im aufhof eingefunden hatten. Langer Applaus nach den Einführungsvorträgen und immer wieder in der Veranstaltung haben das deutlich gemacht.
Man muss hier auch nochmal deutlich sagen: Dieses Mobilitätskonzept ist auch Ergebnis des „Innenstadtdialogs”, in dem in den vergangenen Jahren über 150(!) Interessenvertretungsgruppen in vielen Veranstaltungen diskutiert haben. Vor diesem Hintergrund finde ich die Einlassungen der lokalen SPD und ihrer Vertreter Lars Kelich und Adis Ahmetovic irritierend, die als zentralen Kritikpunkt „fehlende Bürgerbeteiligung” ausgemacht haben. Herr Kelich saß am Freitag bis zum Ende der Veranstaltung im Publikum. Ihm sollte die große Zustimmung der Anwesenden nicht entgangen sein. Es wäre, meine ich, unredlich von ihm und den Genossen, das Mobilitätskonzept jetzt mit fadenscheinigen Ausflüchten zu verzögern. Es würde die Zukunft der hannoverschen Innenstadt für fragwürdige parteipolitische Profilierungsversuche aufs Spiel setzen.