Wenn ich das richtig sehe, dann bin ich heute Mittag Zeuge eines verkehrshistorischen Moments geworden: In Hannover wurde die ersten „richtigen” Veloroutenmarkierungen aufgemalt! Und zwar auf dem Rudolf-von-Bennigsen-Ufer auf der Veloroute 08 Richtung Döhren, Wülfel und weiter nach Laatzen.
Diese Route ist ja schon seit einiger Zeit in der Umsetzung. Der Abschnitt am Rudolf-von-Bennigsen-Ufer auf der Ostseite des Maschsees wurde 2021 baulich erheblich überarbeitet, an vielen Stellen breiter und mit einem komplett neuen Asphaltbelag versehen. Als ich nun heute Mittag von Norden kommend dort entlang fuhr, sah ich schon auf der gesamten Länge beidseitig Markierungen. An den großen Einmündungen und im Bereich der Löwenbastion sind zudem bereits die Radwegsymbole und grüne Markierungspunkte aufgetragen.
Dankenswerterweise sind die Markierungen kaum erhaben, sodass man sie problemlos überfahren kann.
Und kurz vor dem Strandbad ist mir dann der Markierungstrupp begegnet! Mit einer Art fahrbahrer Sprühpistole mit Peilpfeil werden die Markierungen in grüner Farbe am Rand des Weges aufgebracht und anschließend sofort mit weißem Pulver abgestreut. Das Pulver verschwindet in den nächsten Tagen und Wochen wieder, die grünen Markierungen bleiben.
Zwölf Velorouten sollen in den nächsten Jahren in Hannover die Innenstadt mit allen Stadtbezirken und teilweise mit den Umlandgemeinden verbinden. Am Ende sollen allen diese Routen mit diesen grünen Seitenlinien markiert sein und anzeigen, dass hier eine besonders gut ausgebaute Radverkehrsroute entlangführt. Der Radverkehr bekommt so eine ganz neue Präsenz im Stadtbild – grüne Markierungen gibt es ansonsten nicht und anders als punktuelle Hinweisschilder wird hier der wirkliche, durchgehende Weg dauerhaft markiert.
Auf dem Rudolf-von-Bennigsen-Ufer kann man ab heute schonmal ausprobieren, wie sich diese Zukunft anfühlt.
Die grüne Linie ist Symbolpolitik.
Im weiteren Verlauf der Veloroute 08 gibt es diese Markierung bereits (nämlich auf der Hildesheimer Straße), sie fällt (da grün) kaum auf, ist fast unsichtbar.
Wird eine Autostraße neu gebaut und ist der Deckbelag bereits aufgebracht, so wird diese Strecke geschwindigkeitsbegrenzt mit der Begründung „Vorsicht! Fahrbahnmarkierungen fehlen!”. Erst wenn die Seitenlinien aufgebracht sind und vor allem auch die unterbrochene Mittellinie, die die Fläche der Fahrbahn strukturiert, wird die Strecke freigegeben.
Auf meinen Fahrten mit dem Fahrrad erlebe ich immer wieder, wie schwer es Fahrradfahrern fällt, links und rechts zu unterscheiden, und wie schwer es Fußgängern fällt, eine Radroute gerade für schnellen Radverkehr als einen Verkehrsraum zu erkennen, der wirklich nur für den Radverkehr da ist. Speziell am Rudolf-von-Bennigsen-Ufer promenieren viel zu viele Fußgänger auf dem neu asphaltierten Radweg. Ich rechne nicht damit, daß dies mir der jetzt aufgebrachten spärliche Markierung besser wird.
Eine Wegemarkierung wie bei einer „Straße” würde allen Beteiligten die Orientierung erleichtern. Wie das aussieht, kann man beispielsweise an der Strandpromenade von Palma de Mallorca sehen:
https://www.google.de/maps/place/Palma,+Balearen,+Spanien/@39.5684624,2.6327621,70m/data=!3m1!1e3!4m5!3m4!1s0x12979259c61ac757:0xc40d5406c3d058c6!8 m²!3d39.5696005!4d2.6501603
Wenn eine Radroute so aussieht, weiß jeder Fußgänger, daß er da besser nicht laufen soll, weiß jeder Radfahrer, daß „Zweirichtungsverkehr” bedeutet, daß der Verkehr jeder Richtung sinnvollerweise auf der von ihm aus rechten Wegeshälfte bleibt, auch wenn man im Pulk unterwegs ist.
Die Mittellinie fehlt definitiv, gerade bei einer so breiten Fläche wie dem Radweg am Rudolf-von-Bennigsen-Ufer.
Zu einer echten Verkehrswende ist es noch weit.
Mit Verlaub – die gesamte Veloroute ist Symbolpolitik.
Tatsächlich findet Radverkehr de facto dort statt, wo sich Radfahrerende bewegen – sei es unter eher günstigen oder auch widrigsten Bedingungen. So sieht die Realität aus. Viel wichtiger wäre es, bestehende Radwege zu verbessern. Man denke nur an die Huckelpiste entlang der Geibelstraße ab der Sallstraße in Richtung Hildesheimer Straße. Und es lassen sich noch viele weitere Beispiele dieser Art aufzählen…
Darüber hinaus ist die wohlfeil proklamierte „Verkehrswende” eine Mogelpackung. So werden Teile der Innenstadt mühsam zur Fußgängerzone erklärt, obgleich Fußgängerzonen an sich keine neue Errungenschaft sind. Es gibt sie in Teilen der Innenstadt seit Jahrzehnten.
Dem Autoverkehr Teile der Stadt abzuringen, stellt sich außerhalb der City als ungleich größere Herausforderung dar. Insbesondere Anwohnende völlig überlasteter Verkehrskontenpunkte (Marienstraße, Podbi, Vahrenwalder und Hildesheimer Straße etc.) ächzen unter Lärm und Dreck. Doch stattdessen wird die Innenstadt „aufgehübscht”, in der vergleichsweise wenige Menschen wohnen. Fazit: Es ist scheinbar wichtiger, der Shoppingcommunity einen netten Aufenthalt zu ermöglichen, als die Lebensqualität in den großen Wohnquartieren zu erhöhen. Insofern entfaltet sich mit Herrn Onay jene Mogelpackung, die ich bereits erwartet hatte – tut mir Leid…