In der aktuellen Diskussion um Corona geistert eine Aussage wieder und wieder durch die Öffentlichkeit: „200 bis 300” Personen sterben pro Tag „an und mit” Corona, so warnt unter anderem Gesundheitsminister Karl Lauterbach.
Stimmt das? Und: Welche Aussagekraft hat das? In den offiziellen Statistiken macht Corona ja bis heute am Wochenende Pause, weil es in Deutschland in den vergangenen zwei Jahren nicht gelungen ist, ein konstant zeitnahes Meldesystem aufzubauen. Einen brauchbaren Überblick geben deshalb nur Betrachtungen über mehrere Tage, mindestens eine Woche. Und dieser 7‑Tage-Durchschnitt pendelt momentan (2022 – 03-12) bei 200, nachdem er über weite des Februars deutlich darunter lag. Das sind nicht „200 bis 300” pro Tag!
In diesen Zahlen sind aber, wie geschrieben, auch Fälle enthalten, bei denen die Todesursache von Corona gänzlich unabhängig war. Wenn ich vom Auto überrollt werde und Corona habe, komme ich in die Statistik. Laut einer aktuellen in The Lancet publizierten Studie betrifft dies immerhin 14% der Fälle:
Die Analyse der Sequenz der unmittelbar zum Tod führenden Ereignisse ergab, dass in 86 % der Obduktionsfälle COVID-19 die zugrunde liegende Todesursache war, während in 14 % der Fälle COVID-19 eine Begleiterkrankung war.
- First report from the German COVID-19 autopsy registry, Saskia von Stillfried et al., DOI: https://doi.org/10.1016/j.lanepe.2022.100330
So bleiben von den 200 Statistikfällen noch 172 übrig, bei denen momentan aktuellen Zahlen und Studien zu Folge eine Covid-19-Erkrankung die maßgebliche Todesursache war. Mit „200 bis 300” wird die Anzahl Todesfälle somit letztlich um mehr als 50% überschätzt und damit ein falscher Eindruck erzeugt.
Dazu kommt, dass man auch diese 172 Todesfälle einordnen muss. In Deutschland sterben im Jahr etwa 1 Million Menschen. Das sind etwas mehr als 2700 pro Tag. Die 172 Coronafälle sind davon etwa 6.3%. Zur Einordnung: Herz-Kreislauf-Erkrankungen werden mit über 30%, Krebserkrankungen mit über 20% als Todesursache erfasst.
Dies alles muss man zudem vor dem Hintergrund sehen, dass ausnahmelos jeder Mensch am Ende seines Lebens stirbt. Corona ist eine mögliche Todesursache. Solange es also Menschen gibt, die mit Corona infiziert sind, wird es auch immer Menschen geben, die „an oder mit” Corona sterben. Es ist schlicht unvermeidlich.
Am 2022-03-13 etwa 3,5 Millionen Menschen in Deutschland mit Corona infiziert (davon übrigens 99,9% mit „leichten Symptomen”).
Das sind 4,2% der Gesamtbevölkerung – mit höchstwahrscheinlich erheblicher Dunkelziffer; Kassenärztechef Andreas Gassen schätzte diese Anfang März 2022 auf bis zu 100%.
Damit liegen aber auch die 6,3% Corona-Sterbefälle in einer völlig erwartbaren Größenordnung: Wer Corona bekommt, kann daran sterben. Aber die Wahrscheinlichkeit ist nicht wesentlich höher oder niedriger als an einer beliebigen anderen Todesursache.
Fazit: „200 bis 300 Tote” ist eine verzerrte, überhöhte Zahl. Die tatsächliche Zahl liegt momentan irgendwo bei 180. Wenn man die Zahlen in Bezug zu den Gesamtsterbezahlen setzt, ergibt sich keine erhöhte Sterbequote auf Grund von Corona-Erkrankungen.