Am Sonntag ist der erste Wahlgang der hannoverschen Wahl zum Oberbürgermeister. Meine Wahlempfehlung lautet, Belit Onay, den Kandidaten der Grünen, zu wählen.
Zu dieser Empfehlung komme ich aus folgenden Gründen:
Mein zentrales persönliches Anliegen ist – Leser dieses Blogs ahnen es – eine wirkliche Verkehrswende. Ich möchte weniger Autoverkehr, mehr Platz fürs Rad und einen viel umfassenderen ÖPNV als heute. Hierfür hat Belit Onay als einziger Kandidat ein umfassendes Konzept vorgelegt.
Dessen wichtigster Punkt ist die „autofreie Innenstadt bis 2030”. Das ist ein klares, konkretes Ziel. Ich halte es zudem für realistisch und finde den Ansatz, den Weg gemeinsam mit allen Beteiligten zu suchen, sinnvoll.
Verkehrswende bedeutet in (deutschen) Großstädten vor allem, dem Radverkehr eine viel größere Rolle zuzuweisen. Hier haben die Grünen in den vergangenen Jahren viel Kompetenz aufgebaut, auf die ein Oberbürgermeister Belit Onay zurückgreifen kann. Platz für den Radverkehr kann man gerade in Innenstädten nur schaffen, indem andere Verkehrsträger ihn abgeben. Belit Onay hat dies mehrfach klar gesagt und – siehe „autofreie Innenstadt” – auch keinen Zweifel daran gelassen, dass dieser Platz vom Autoverkehr kommen muss. Erstaunlicherweise war der Widerspruch selbst bei einer Diskussionsveranstaltung beim ADAC bemerkenswert verhalten – die von Belit vertretenen Pläne treffen auf breiter werdende gesellschaftliche Akzeptanz.
Gerade in diesem Punkt überzeugen mich die beiden anderen Kandidaten mit realistischen Chancen zudem nicht: Eckhard Scholz möchte die „Fahrradhauptstadt”, rudert aber immer zurück, wenn es konkret wird. „Man muss an alle denken”, „Anreize statt Verbote” – das sind meines Erachtens schon die ersten Rückzugsbewegungen, bevor der Plan überhaupt angefangen hat.
Und Marc Hansmann? Von dem habe ich überhaupt nichts Konkretes gehört. Außer, dass er „Ampelphasen entkoppeln” will, was so ziemlich das schlechteste Mittel zur Förderung von Fuß- und Radverkehr ist. Damit würde die Vormachtstellung des Kfz-Verkehrs in der Innenstadt zementiert und Fußgängern und Radfahrern das schnelle und bequeme Durchkommen quasi unmöglich gemacht. Das ist das Gegenteil von Verkehrswende!
Für mich ist diese Thematik zentral. Ich kann mich aber auch sonst mit Belit Onays Wahlprogramm identifizieren. Vor allem den gesellschaftspolitischen Ansatz halte ich für wichtig: Zentral ist es, Menschen zu helfen, aus persönlichen Notlagen wieder herauszukommen. Ordnungspolitische Maßnahmen oder die Polizei können das nur flankieren – und müssen das in bestimmten Situationen auch. Aber diese Rangfolge ist entscheidend. Vorschläge anderer Kandidaten wie die „Verdoppelung des Sicherheitsdienstes” weisen da für mich in die völlig falsche Richtung.
Schließlich überzeugt mich auch Belit Onay als Person. Er ist der jüngste Kandidat und bringt als Familienvater mit Migrationshintergrund persönliche Erfahrungen mit, die auf politischer Ebene im heutigen Deutschland eher unterrepräsentiert sind. Ich habe ihn zudem als sehr ruhigen Menschen und aufmerksamen Zuhörer kennengelernt.
Im Wahlkampf kam immer wieder die Frage nach der „Führungserfahrung”. Die Verwaltung habe ja 11.000 Mitarbeiter. Wie er die denn leiten wolle?! Ich verstehe diese Frage nicht! Der Oberbürgermeister ist doch nicht so eine Art Lehrer, der von allen Mitarbeitern die Hausaufgaben kontrolliert! Er vertritt die Verwaltung nach außen. Wenn er gut ist, gibt er die Richtung vor, in die die Verwaltung insgesamt arbeitet. Da hatte Hannover meines Erachtens in den letzten Jahren ein erhebliches Defizit. Ich habe aber keinen Zweifel, dass gerade Belit Onay dies mit seiner zielstrebigen, offenen Art sehr gut kann. Eine Verwaltung ist ja kein Unternehmen, das – beispielsweise – Nutzfahrzeuge herstellt.
Um diesem Artikel einzuordnen: Ich bin im Wahlkampf-Unterstützerteam für Belit Onay. Vor allem natürlich, um den Kandidaten zu unterstützen. Ich wollte aber auch wissen, ob mein gutes Bauchgefühl erhalten bleibt, wenn ich mehr von dem Kandidaten und den anderen Menschen, die ihn unterstützen, mitbekomme. Das war vollständig der Fall! Insofern ist dieser Artikel in meinem persönlichen Blog auch meine Schlussfolgerung der letzten Monate: Für ein modernes, lebenswertes, zukunftsorientiertes Hannover empfehle ich, Belit Onay zu wählen!
Lieber Herr Hillbrecht, ich stimme Ihnen in vielen Punkten zu und schätze ihren Blog ob seiner Gedankenschärfe sehr. Aber ich verstehe nicht, wieso Sie Hrn. Onay unterstützen. Ich kann nachvollziehen: Alternativen zu den Grünen sind verkehrspolitisch nicht wirklich vorhanden. Aber die Grünen? Haben doch in den vergangenen Jahren deutlich gezeigt, dass sie in Punkto Nahverkehr und Rad keinen Fortschritt wollen. Die halbe Innenstadt ist mit Anstoß durch die Expo durch Rot-Grün umgestaltet worden. Radfahrer wurden dabei praktisch nicht berücksichtigt. Kein Radweg auf dem Ernst-August-Platz, in der Karmarschstraße; Radwege, die im NIrwana enden wie in der KSS und an der Goseriede; Pseudo-Radwege wie in der Königstraße. Und diese grüne Truppe soll es richten? Also man kann ja immer glauben, dass ein neuer Kopf etwas ändert. Aber rechnet man die bisherige Politik hoch, bring Onay nichts. Beim Onays Nahverkehrsplänen sieht’s ähnlich aus. Keine Sachpolitik, sondern unsinnige Symbolpolitik. Das will Onay: das 1‑Euro-Ticket, das laut HAZ rund 200 Millionen kostet, möglicherweise keine Fahrgäste bringt – Wien sagt das deutlich! -, aber Ausgaben für mehr Angebot und eine bessere Infrastruktur blockiert. Rot-Grün wollte auch einen 25-Prozent-Anteil für die Öffis in Hannover. Und ist da was passiert? Gab oder gibt es eine Strategie, dieses Ziel zu erreichen? Nein. Es gibt keine Plan, es gibt keine Strategie, es gibt gar nichts. Auch nicht bei Onay. Statt dessen Verweigerungshaltung: 10/17 war die Verweigerung von Investitionen in einen leistungsfähigen Nahverkehr, hier entlang der D‑Strecke. Und Onay macht genau da weiter: keinen 5‑Minuten-Takt auf der Linie 10, der viele Fahrgäste brächte und wirtschaftlich wäre; keine Anbindung von Ahlem-Nord oder des MHH-Neubaus, kein Ausbau der S‑Bahn und speziell des Hauptbahnhofs. Dafür unsinnige Symbolpolitik: die autofreie Innenstadt gehört dazu. Sie selbst haben doch über den geringen Autoanteil bei Fahrten in die City geschrieben. Das heißt doch mutmaßlich auch: Der Auto-Verkehr in die und aus der Innenstadt ist angesichts des Gesamtverkehrsvolumen ziemlich irrelevant. Ob Onay seine autofreie Innenstadt umsetzt oder nicht: Es ändert an den Parkplatzproblemen in der Südstadt wohl genauso wenig wie am Lärm in der Vahrenwalder oder an den Staus auf der Berliner Allee. Eine Verkehrswende muss am Rad und an einem besseren Angebot der Öffis ansetzen. Dafür hat Onay letztlich keinen Plan. Was er zu den Öffis sagt, ist wolkiges Blabla. Und die autofreie Innenstadt lenkt vom Nichtwollen und Keinenplanhaben ganz wunderbar ab. Sie setzt an der Mär an, die Sie selbst so schön entlarvt haben: Dass das Auto den Innenstadtverkehr dominiert. Dafür garantiert das Ziel einen jahrelangen Straßenkampf zwischen Autofetischisten in CDU, SPD und FPD und denen Grünen, Onay inklusive. Ein Kampf, der Ressourcen bindet und Fortschritt verhindert. Schöne Grüße, Oliver Züchner
Hallo Herr Züchner, vielen Dank für Ihren ausführlichen Kommentar. Natürlich ist nicht alles perfekt und in der Tat hat die rot-grüne Ratsmehrheit in den vergangenen Jahrzehnten einiges falsch gemacht – ich selbst bin ja ein scharfer Kritiker der aktuell realisierten Innenstadtstrecke für die Linien 10 und 17. Ich sehe aber, dass – auch und gerade bei den Grünen – in den letzten Jahren viel Wissen um guten Radverkehr hinzugewonnen wurde – leider zu spät für viele der von Ihnen angesprochenen Projekte. Auch stimme ich nicht mit Ihnen überein, Belit Onay hätte keinen Plan für die Radverkehrsförderung. Er ist vielmehr der einzige Kandidat, der hier ein ziemlich umfangreiches Konzept vorgelegt hat (Link oben im Artikel), das ich auch in sich schlüssig finde. Bezüglich der Auswirkungen des Autoverkehrs sehe ich das Problem, dass der in der Tat recht geringe Autoverkehrsanteil am City-Verkehrsmix einen stark überproportionalen Flächenbedarf hat – die recht wenigen Autos nehmen sehr, sehr viel Platz weg. Insofern würde ich es andersherum sehen. Autos raus aus der Innenstadt wäre nur für relativ wenige Autonutzer spürbar, würde allen anderen aber ein enormes Plus an Platz und Aufenthaltsqualität bringen. Die dazugehörigen Konzepte wie Parkraumreduktion und Platzschaffen für Rad- und Fußverkehr lassen sich dann auch auf andere Stadtteile umsetzen – und ich bin mir sicher, dass diese Diskussion sehr schnell beginnt, wenn die Vorteile in der Innenstadt sichtbar werden. Insgesamt traue ich einem Oberbürgermeister Onay ein viel konsequenteres Vorantreiben einer echten Verkehrswende zu als einem Oberbürgermeister Scholz. Und das ist die Wahl, vor der wir jetzt stehen.