Am gestrigen Freitag hat der hannoversche ADFC mal gezeigt, wie man ein besonders gruseliges Stück „Radweg” so gestaltet, dass man dort tatsächlich Rad fahren kann. Auf der Münzstraße, neben dem Stadtbahnsteig am Steintor, ist einfach mal der an der Bushaltestelle unterbrochene Radweg mit Pylonen und Flatterband durchmarkiert worden.
Und tatsächlich: Die abgesperrte Radspur hat sofort dazu geführt, dass man hier als Radfahrer – ungewohnterweise – gut durchgekommen ist!
Auch für den Busverkehr stellt sich die Situation so viel angenehmer dar: Kein Schneiden von Radfahrern mehr, keine Platzkonkurrenz mehr – beide Verkehrsmittel sind voneinander getrennt. Nervenaufreibendes Durcheinander wird abgelöst von entspanntem Miteinander.
Leider hat der Polizei die neue Sicherheit für den Radverkehr nicht gefallen: Statt nach geplanten 30 Minuten war es schon nach fünf Minuten wieder vorbei mit gefahrlosem, entspannten Rad fahren an dieser Stelle. Mit Hinweis auf Versammlungsrecht und Ordnungswidrigkeiten.
Nun, jeder setzt seine Prioritäten. Ins Bild passt, dass der polizeibeaufsichtigte Abbau des sicheren Radwegs an dieser Stelle begleitet wurde von demonstrativem polizeilichen Desinteresse an mehreren Falschparkern auf dem Radstreifen keine fünf Meter dahinter.
Und schon war wieder alles wie immer: Busse drängeln sich über die Radspur nach rechts…
…müssen auf Radfahrerjagd gehen…
…blockieren Radfahrer…
…und werden selbst von Falschparkern blockiert…
…die ihrerseits Radfahrer zu gefährlichen Manövern in den fließenden Autoverkehr zwingen…
…während der Platz fürs Fahrrad wie selbstverständlich zur zweiten Fahrspur wird.
Wer wissen will, warum in Hannover der Radverkehrsanteil seit sieben Jahren stagniert, muss sich nur mal eine halbe Stunde an diese Stelle am Steintor stellen. Das ist ja keine Erbsünde aus den 1970er Jahren. Das ist funkelniegelnagelneue Infrastruktur. Diese desaströse Radfahrervergraulung ist keine fünf Jahre alt! Und sie funktioniert: Auf diese zentrale Verkehrsachse zwischen Innenstadt und Westen verirrt sich kaum noch ein Radfahrer. In 30 Minuten habe ich vielleicht ein Dutzend gesehen. Radfahrer sind ja nicht lebensmüde: Entweder fahren sie woanders lang – oder sie lassen das Fahrrad einfach ganz stehen.
Es bleibt die Erkenntnis: Radverkehr lässt sich nur fördern, wenn man ihm Platz gibt. Wenn es keinen freien Platz mehr gibt, muss diesen Platz ein anderes Verkehrsmittel hergeben. Oder, um es auf die anstehende Wahl des Oberbürgermeisters zu beziehen: Mit einer autofreien Innenstadt lässt sich dieser Platz gewinnen. Einfach nur 15 Millionen raushauen (wollen) bringt gar nichts. Und erzählen, man wolle ein durchgängiges Radwegenetz, ohne zu sagen, wo der Platz herkommt, auch nicht.
Die HAZ sieht in der ADFC-Aktion einen Akt zivilen Ungehorsams. Da hat sie Recht! Es sind halt mittlerweile ziemlich viele Menschen, die nicht mehr länger auf durchgreifende Änderungen an den Prioritäten in der Verkehrsplanung dieser Stadt warten wollen!
Bushaltestellen bleiben bei jeglicher Führung von Radverkehr eine der schwierigen Aufgaben. Ob die Fußgänger-Jagd bei Bushaltestellen am Fahrbahnrand und Radweg, wie am Königsworther Platz, besser ist, wage ich zu bezweifeln. Radverkehr ist Fahrverkehr und gehört auf die Fahrbahn.
in Braunschweig hat man vor ziemlich genau zwei Jahren auch so eine Aktion gemacht, aber angemeldet und abgestimmt.
Hierbei wurde eine zweispurige Fahrbahn auf ca. 500 – 800m einspurig mit einer physisch abgegrenzten Radfahrspur.
Probleme gab es während enes Polizeieinsatzes, der Einsatzwagen stand dann auf der verbliebenen Fahrspur und der MIV staute sich sehr weit zurück.
Vom ADFC wurde die Aktion als „voller Erfolg” bezeichnet und die Sache mit dem Polizeieinsatz verschwiegen.
Der ADFC hat durchaus eine Mitverantwortung für derartige Situationen und Probleme, forderte und förderte Er doch seit Anfang an das Radfahren auf der Fahrbahn, Schutzstreifen, Radfahrsteifen. Mit den alten Hochbordradwege (= bauliche Trennung von der Fahrbahn) wie in meiner Stadt häufig noch vorhanden gibt es deutlich weniger derartige Probleme.
Überall da wo Radfahrstreifen oder Schutzstreifen in letzter Zeit angelegt wurden, häufen sich Vorfälle mit Falschparkern, zugefahrenen Radspuren, Dooring-Situationen, aber auch die Geisterradler fahren verbotenerweise links darauf und behindern die richtig fahrenden.
Ich bin daher der Meinung, dass hier systematisch funktionierende separierte Radverkehrsinfrastruktur aus der Zeit der „autogerechten Stadt” zerstört wird, Radfahrer mehr gefährdet und behindert werden als vorher und der ADFC dies noch unterstützt und sich damit für mich disqualifiziert hat.
Schade, dass es so schnell vorbei war.
Ich fahre da auch nie lang.
Aber seit Veröffentlichung der HAZ-Umfrage hege uch die Befürchtung das Mr. 15Mios für den Radverkehr tatsächlich der nächste OB werden könnte.
Und wird zB in der Münzstrasse keine Fahrspur für den Autoverkehr sperren lassen…