Am 2016-01-11 wurde im Umweltausschuss eine Neufassung der hannoverschen Baumschutzsatzung behandelt. Ich hatte im Vorfeld einen gemeinsamen Änderungsantrag mit CDU- und FDP-Fraktion eingebracht:
Antrag:
die Satzung zum Schutz von Bäumen, Sträuchern und Hecken im Gebiet der Landeshauptstadt Hannover als geschützte Landschaftsbestandteile (Baumschutzsatzung) ersatzlos zu streichen.
Begründung:
Die derzeit gültige Baumschutzsatzung besteht seit dem 1995-06-08, ohne dass zwischenzeitlich an ihr Änderungen vorgenommen wurden. Im gleichen Zeitraum ist durch verschiedenste Gesetzeswerke auf Landes‑, Bundes- und europäischer Ebene die Regelungstiefe für Umwelt- und Naturschutz deutlich weiter entwickelt worden. Die bislang vorhandene Regulierung auf kommunaler Satzungsebene ist deshalb entbehrlich und kann in Folge dessen ersatzlos gestrichen werden.
Die Baumschutzsatzung greift in die Gestaltungsmöglichkeiten sowohl im öffentlichen Raum als auch auf privatem Gelände ein. Insbesondere letzteres ist vor dem Hintergrund grundsätzlicher Freiheitsrechte jedes Einzelnen kritisch zu sehen und etliche Vorgänge rund um die Baumschutzsatzung seit ihrem Bestehen zeigen, dass dieser Abwägungsprozess in vielen Fällen zu nicht nachvollziehbaren Ergebnissen geführt hat.
In anderen Städten wurden vergleichbare Satzungen in der Vergangenheit abgeschafft oder für Bürger und Verwaltung vereinfacht. Beispielsweise ist in Bremen mit der Satzungsnovellierung der Baumschutz bei weniger als 4 m Abstand zu Wohnnutzung generell erloschen; zuvor wurden hier regelmäßig Einzelfallbefreiungen erteilt (Gefahr der Beschädigung von Fundamenten, Mauerwerk, Leitungen etc.). In Hannover hingegen sollen die Regularien noch ausgeweitet werden. Insbesondere die Ausdehnung der Genehmigungspflicht auf Äste ab 10 cm Durchmesser wäre nur mit unvertretbarem bürokratischen Aufwand (Schaffung zusätzlicher Stellen) ernsthaft prüfbar. Das damit einhergehende Betretungsrecht für Privatgrundstücke durch städtische Mitarbeiter oder Beauftragte ist grenzwertig. Insgesamt wird eine solche Regelung zu Recht als Schikane empfunden.
Mit einer Abschaffung der Baumschutzsatzung wird den Bürgern der Stadt Hannover ein Stück Freiheit in der Gestaltung ihres persönlichen Umfeldes zurückgegeben. Vor dem Hintergrund der ansonsten erheblich gestiegenen Regelungsdichte im Bereich Umwelt- und Naturschutz ist dies auch ein Zeichen wirklichen Bürokratieabbaus.
Ich habe den Änderungsantrag in der Sitzung nochmals begründet:
Zur heutigen Diskussion um die Neufassung der Baumschutzsatzung gibt es den Änderungsantrag, die Satzung komplett zu streichen. Ich möchte begründen, warum ich diesen Antrag für sinnvoll halte und deshalb mit eingebracht habe.
Schauen wir uns dazu an, was durch die „Neufassung” der Satzung geschieht: Es soll zukünftig eine noch stärkere Regulierung und Reglementierung im Umgang mit Bäumen, Sträuchern und Hecken – auch auf Privatgrund – stattfinden als bisher. Das stärkste Symbol dafür ist sicherlich, dass neben Stamm- jetzt auch Astumfänge vorgeschrieben werden sollen, bis zu denen ohne vorherige Erlaubnis die Grünpflanzen bearbeitet werden dürfen. 60 cm, 10 cm – Gartenarbeit würde dann in Zukunft wohl englültig nur noch mit dem Maßband möglich sein.
Meines Erachtens weist dieser Weg in die völlig falsche Richtung. Seit der Verabschiedung der Baumschutzsatzung 1995 sind 21 Jahre vergangen. Eine Zeit, in der die gesellschaftliche Bedeutung von Umweltschutz enorm gestiegen ist. Allein auf Bundesebene gibt es mittlerweile über 250 Rechtsvorschriften im Umweltbereich, darunter 82 Gesetze und 165 Verordnungen. Und dazu kommen noch Landes- und europarechtliche Vorschriften. All diese Texte sind eben auch Zeichen gewachsenen Umweltbewusstseins.
Die Baumschutzsatzung gesellt sich nun als kommunale Vorschrift dazu. Mir stellt sich die Frage: Ist das wirklich nötig? Ist es nötig vor dem Hintergrund eben dieses gewachsenen Umweltbewusstseins? Ist es nötig vor dem Hintergrund des Eingriffs in das Eigentumsrecht der hannoverschen Bürger? Ist es nötig in der Abwägung von Privat- und Gemeinschaftsinteressen?
Und da sage ich: Nein, es ist nicht nötig. Der sowieso umweltbewusster gewordene Bürger dieser Stadt soll vor dem Hintergrund stark gewachsener Regulierungsdichte auf Landes‑, Bundes- und Europaebene nun durch die verschärften Formulierung dieser Satzung noch stärker gegängelt werden. Hier gerät die Abwägung endgültig aus dem Gleichgewicht.
Deshalb wäre hier der Punkt gekommen, ein Zeichen zu setzen. Lassen Sie uns – im Rahmen unserer Gestaltungsmöglichkeiten – die Regulierungsdichte reduzieren, lassen Sie uns überflüssige Regelungen abschaffen. Und überflüssig geworden ist vor dem Hintergrund der Entwicklung der letzten 21 Jahre eben auch diese kommunale Baumschutzsatzung.
Nur damit das klar ist: Ich habe nichts gegen Bäume. Und auf öffentlichem Grund kann die Stadt gern weiter nach den Regeln dieser Baumschutzsatzung oder einer beliebigen Neufassung handeln. Aber: Eine Einmischung in Privateigentum und ‑grundstücke in der hier vorgesehenen Form ist überflüssig und wird vom Bürger zu Recht als unverhältnismäßige Bevormundung empfunden. Und der Bürger ist der, den wir als Politik ernst nehmen sollten. In der ganz überwiegenden Zahl der Fälle hegt und pflegt er nämlich den Bestand auf seinem Grundstück – weil er ihm am Herzen liegt. Aber es gibt auch Fälle, in denen die Abwägung des Bürgers zu Gunsten eines Beschnitts oder einer Entfernung ausfällt.
In diesen Fällen, meine Damen und Herren, soll der Bürger zukünftig wieder selbst entscheiden können- und nicht untertänigst um Erlaubnis bitten müssen. Das ist kein zeitgemäßer Umgang. Ich bitte Sie deshalb um Zustimmung für den Änderungsantrag und damit darum, die hannoversche Baumschutzsatzung zu streichen.
Wie zu befürchten war, konnte die Ausschussmehrheit von unserem Änderungsantrag nicht überzeugt werden. Rot-grün hat vielmehr einen eigenen Änderungsantrag eingebracht, der das komplizierte Regelwerk weiter verkompliziert, indem nun auch noch in Stammdicken von Laub- und Nadelbäumen unterschieden (60 cm, 80 cm) unterschieden werden soll. Insgesamt ist diese ganze Satzung ein Armutszeugnis für Hannover: Völlig überflüssig, in vielen Festlegungen willkürlich, in der Abwägung von Interessen des Einzelnen und der Allgemeinheit höchst zweifelhaft. Inwieweit die rot-grüne Mehrheitskoalition wirklich glücklich mit diesem Satzungsmonstrum ist, kann ich nicht abschätzen. Es gab eine bemerkenswerte Anzahl von Redebeiträgen – eigentlich hat so ziemlich jedes Ausschussmitglied im Rahmen der Debatte das Wort ergriffen – und die SPD-Abgeordnete Gahbler ließ erkennen, dass sie als betroffene Grundstücksbesitzerin alles andere als glücklich mit der Baumschutzsatzung ist. Ihre Meinung, der rot-grüne Änderungsantrag würde die Probleme lösen, teile ich allerdings nicht. Jedenfalls hat es sich meines Erachtens gelohnt, diesen Änderungsantrag zu stellen und im Ausschuss auch entsprechend zu vertreten. Erfreulich fand ich, dass die Debatte auf hohem Niveau verlief: Kein Beteiligter ließ sich zu Anwürfen „unter der Gürtellinie” hinreißen. Das habe ich auch schon ganz anders erlebt.
Als Satzungsbeschluss läuft der Antrag nun noch durch den Rat, voraussichtlich am 2016-01-28. Änderungen an den Mehrheitsverhältnissen sind wohl nicht mehr zu erwarten.
Die Baumschutzsatzungen sind bezogen auf überschaubare Privatgrundstücke völlig überflüssig, kostenintensiv und kontraproduktiv. Allem Geschrei pseudogrüner Umweltschützer zum Trotz. Der Endeffekt sind weniger Bäume, nicht mehr.
Grün schützt, wer grün pflanzt, pflegt und eben auch mal fällt.
Wird das Fällen (dürfen/müssen) aber dank der notorischen Besserwisser, Mein-Freund-der-Baum-ist-tot-Heuler, Gutachter, Behörden, Versicherungen usw. zu einem ökonomisch unkalkulierbaren Wagnis, unterbleibt das Pflanzen von neuen Bäumen sinnvollerweise.
Was sich der auch noch lokal stets anderen und stets ändernden Baumschutzsatzung als schützendswert vom Wuchse nähert wird daher oft prophylaktisch radikal entfernt.
Ökonomisch betrachtet ist heutzutage Bäumepflanzen für jeden, der dies privatverantwortlich auf eigenem Grundstück macht, eine zu tiefst irrationale Handlung!
So wird der sogenannte Baumschutz dann zum Baumkiller.
Inzwischen kursieren allerortens Tipps, was wann abzuschneiden ist, um sich das lästige Pack von Ämtern, Versicherungen usw. vom Halse zu halten.
Vereinzelt wird dies nun bei den Baumschützern registriert, jedoch oft darunter abgehandelt, das im Umfeld von Änderungen der Baumschutzsatzungen die meisten Bäume fallen.
Ja, Freunde dem ist so. Wer die Baumschutzsatzung ändert, am Besten gleich ganz abschafft, dem fehlen im Übergang einige Bäume. Rückstau, weil ihr z.B. gefährliche Wackelkandidaten zu lange geschützt hattet oder endlich mal Platz für was notwendiges, längst überfälliges, neues geschaffen werden muss.
Langfristig gibt es dann aber mehr Bäume. Weil es kein unüberschaubares und unzumutbares Risiko mehr ist, einen Baum zu besitzen. Also werden wieder mehr gepflanzt. So einfach ist das.
Im Endeffekt wird man also wieder mehr Bäume haben. Das ist ein positiver Effekt, der wirklich nachhaltig ist.
Diese Binsenwahrheit passt nicht so recht in das Selbstvergewisserungskonzept von Menschen, die zwar zu Recht spüren, dass es der Natur inzwischen sehr an den Kragen geht, aber selber oft nur noch für das heimische Küchenbasilikumgrün allumfassende Verantwortung übernehmen müssen.
Nachhaltig an den Baumschutzsatzungen ist daher nur die immer negativer werdende Einstellung der Grundstücksbesitzer zu Bäumen. Was nachhaltig zu weniger Bäumen auf Privatgrundstücken führen wird und es schon längst tut!
Der Wunsch einiger Kommunen, auch noch das Absägen von einzelnen Ästen und Minibäumen bewerten und entscheiden zu wollen führt dann gänzlich in die Irre. Die allumfassende ökonomische Absurdität wurde von einem Vorposter schon weiter oben genauer beschrieben. Und scheint typisch Deutsch zu sein. Aber dies ist eine andere Diskussion.
Denkt man die aufgezeigten Absurditäten konsequenterweise weiter, wird man in nicht all zunaher Zukunft sogar einen Antrag stellen müssen, ob man seinen Rasen mähen darf. Weil da nämlich gerade die Gänseblümchen blühen könnten. Und die werden ja so gerne von den Gänsen gefressen.
Also Gartenfreunde, haut alles weg im Garten, kippt Beton drauf, malt das alles schön Grün an und vergesst nicht die Ausgleichsabgabe für den versiegelten Boden zu entrichten. Und dann kauft Pflanzen in Töpfen und stellt die da drauf. Aber bitte nach Norm, begutachtet und alle zwei Jahre alles wechseln. Am Besten noch kostenpflichtige entsoregen lassen.
Die Industrie, der Handel und die Behörden freuen sich dann wirklich sehr dolle, aber ganz sehr dolle darüber. Die Natur ist auf Privatgrundstücken allerdings danach gänzlich dahin, aber darum ging es ja auch nicht wirklich. Sondern um ein Land, in dem kaum noch einer Tassen im Schrank hat und keine Bäume mehr im Garten haben sollte.
Ist auch nicht schlimm, sieht dann genauso öde aus, wie die inzwischen in weiten Teilen durch die Argrarwirtschaft zerstörten Landstriche, die uns hier inzwischen überall beglücken.
Hallo, Herr Hillbrecht, als ich in der letzten Woche von der geplanten Änderung der Baumschutzsatzung las, dachte ich an einen schlechten Scherz. Vor allem, da auf der Titelseite der NP der Aufruf von Herrn Bsirske abgedruckt war zur Verstärkung des Personals im öD wegen der dringenden Probleme ( Flüchtlingsversorgung, Bearbeitung von Asylantrögen, Kitabetreuung, Schulversorgung etc.)
Die geänderte B‑satzung wird zu erhöhtem Prüfbedarf mit zweifelhaften Stellungnahmen und Gutachten sowie Gegengutachten führen (evt. Gerichtsverfahren etc.) Damit ist weder der Bürgerzufriedenheit mit der Stadt gedient, und entspricht auch nicht dem, was ein mündiger Bürger erwartet von seiner Stadt.(und auch nicht was ein Grünwähler der ersten Stunde – und zum letzten mal!- erwartet) Ich bin Gärtnermeister im Garten- Landschaftsbau,
also direkt Betroffener, wenn auch nur als Ausführender.
Wenn ich jetzt für jeden möglichen Ast einen Steiger anmieten muß, oder einen Baumkletterer hochschicken muß, um den Durchmesser eines Astes zu messen, damit ich weiß, ob ein Antrag zu stellen ist, dann bin froh, das ich irgendwann in Rente gehen kann, damit ich diesen Schwachsinn nicht mehr mitmachen muß.
Vermutlich ist es zu spät, noch etwas zu verhindern, aber ich vermute, es ist noch nicht überall bekannt geworden, und der Aufschrei kommt noch. ( Vielleicht bei der nächsten Wahl)
Gibt es irgendwo eine Unterschriftenaktion oder ähnliches ?
Beste Grüße und weiterhin Spaß und erfolgreiche Arbeit
wünscht Ihnen
Klaus Neumeister
Hallo Herr Neumeister, üblicherweise sind Ausschussentscheidungen vorentscheidend für die Abstimmung im Rat. Es würde mich sehr wundern, wenn sich daran noch etwas ändert. Allerdings kann der Rat natürlich jederzeit etwas neues beschließen, beispielsweise die Aufhebung dieser – oder jeder anderen – Satzung. Andere Mehrheiten könnten da natürlich hilfreich sein… Vielen Dank und beste Grüße, Dirk Hillbrecht