Zehntausende Menschen befinden sich momentan auf der Flucht und auf dem Weg nach Europa. Viele von ihnen haben Deutschland zum Ziel. Die deutsche Politik führt einen merkwürdigen Eiertanz auf, der im Wesentlichen darauf hinausläuft, möglichst viele der Flüchtenden aus Deutschland herauszuhalten. Das halte ich für falsch! Sebastian Esser hat auf Krautreporter bereits geschrieben, dass die Einwanderung von Menschen, die in dieses Land wollen, große Chancen für die Gesellschaft bietet. Es gibt aber auch handfeste politische Gründe, aus denen heraus Deutschland diese Menschen aufnehmen und ihnen eine langfristige Perspektive bieten sollte:
Wirtschaftspolitisch lässt sich insbesondere mit den gut ausgebildeten syrischen Flüchtlingen dem Fachkräftemangel entgegensteuern. Zudem können die überwiegend jungen Menschen die demografischen Probleme entschärfen, die der überalternden deutschen Gesellschaft in den nächsten Jahrzehnten drohen.
Europapolitisch würde „Druck vom Kessel” genommen. Die von Misstrauen und gegenseitigen Übervorteilungsverdächtigungen geprägte Diskussion würde in eine konstruktive Richtung gehen. Es ist nicht abwegig, dass Deutschland als größte europäische Volkswirtschaft hier vorangeht. Wenn wir den Menschenstrom nicht als Belastung, sondern als Bereicherung ansehen und auf diese Weise damit umgehen, werden zudem andere Staaten folgen.
Gesellschaftspolitisch könnte Deutschland eine enorme Bereicherung erfahren. Zu uns kommen Menschen, die ihre Heimat verlassen, weil sie dort keine Perspektiven mehr sehen. Das sind Menschen, die ihr Leben gestalten wollen. Die satte, in vielem allzu selbstzufriedene deutsche Gesellschaft kann nur gewinnen, wenn sie solche Neumitglieder aufnimmt. Deutschland war als Land in der Mitte Europas stets von seinen Nachbarn beeinflusst. Es ist nur folgerichtig, dass in der immer globaler vernetzten Welt auch diese Einflüsse globaler werden.
Weltpolitisch kann man meines Erachtens gar nicht den Wert überschätzen, langfristig Menschen im Land zu haben, die einst aus Krisenregionen zu uns gekommen sind. Denn diese Krisen werden vergehen und in die dann neu aufblühenden Bereiche der Welt existieren durch die einst von dort Eingewanderten Verbindungen, die nicht erst mühsam aufgebaut werden müssen. Viel einfacher kann man nicht zu nachhaltiger Völkerverständigung beitragen.
Schließlich aber, und das ist eigentlich nach wie vor der wichtigste Punkt, gebietet es die politische Ethik, dass Deutschland die ankommenden Flüchtlinge mit offenen Armen empfängt. Wir haben in diesem Land eine wirtschaftliche Situation, die uns das erlaubt. Wir können es auch organisatorisch leisten. Mit Ausnahme kleiner dümmlicher Minderheiten steht die Bevölkerung hinter den Hilfsprogrammen für Flüchtlinge, wie man an der großen Anteilnahme überall im Land sehen kann.
Also: Nutzen wir dies! Holen wir die Menschen, die nach Deutschland wollen, ins Land und bieten wir ihnen eine Perspektive. Der ungarische Ministerpräsident Orbán redet dummdreist davon, die Flüchtenden seien ein „deutsches Problem”. Nein, sie sind eine deutsche Chance! Geben wir ihnen schnell Bleiberecht; geben wir ihnen mit Arbeitserlaubnis, Sprachkursen und Unterbringung die Grundlage, sich in die deutsche Gesellschaft einzufinden und an ihr teilzunehmen; geben wir eine dauerhafte Perspektive inklusive der Möglichkeit, nach einer übersichtlichen Zeit eingebürgert zu werden. Die hier ankommenden Menschen sollen eine Chance in Deutschland und Europa haben, nicht nur – aber auch – weil sie selbst eine enorme Chance für Deutschland und Europa sind.
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