Die Piratenpartei, die „Holocaustleugung” und die Meinungsfreiheit – Von Grundsätzen und Grundwerten 6


In Han­no­ver gibt es ein Mit­glied der Pira­ten­par­tei, das mit kru­den For­de­run­gen unan­ge­nehm auf­fällt. Die „Leug­nung des Holo­caust” müs­se erlaubt und „Mein Kampf” dür­fe nicht ver­bo­ten sein. Inhalt­lich ist das völ­li­ger Käse, trotz­dem ent­brennt teil­wei­se eine Dis­kus­si­on, ob man die­se For­de­run­gen nicht im Geis­te der „Mei­nungs­frei­heit” gut­hei­ßen oder zumin­dest dul­den müsste.

Ich den­ke, man darf das kei­nes­falls. Am Umgang mit sol­chen Äuße­run­gen mani­fes­tiert sich ein Stück weit auch das Selbst­bild der Pira­ten­par­tei in welt­an­schau­li­chen Fra­gen. Ich sehe die Pira­ten­par­tei im Kern als eine libe­ral-huma­nis­ti­sche Bewe­gung, auf jeden Fall aber als eine, der es um den Men­schen als Indi­vi­du­um geht. For­de­run­gen wie den obi­gen liegt aber eine zutiefst for­ma­lis­ti­sche Argu­men­ta­ti­on zu Grun­de. Die­se mag zwar – streng for­mal gese­hen – kor­rekt sein, aber sie wider­spricht dia­me­tral jenen huma­nis­ti­schen Grund­wer­ten, die ich – wie gesagt – für die Basis der Pira­ten­par­tei halte.

Ich hiel­te es für einen Feh­ler, die­sen Wider­spruch ein­fach zu igno­rie­ren. Wir haben das Recht und die Pflicht, zu eben die­sen unse­ren Grund­wer­ten zu ste­hen. Nur durch sie wer­den wir glaub­wür­dig. Und nur wenn wir glaub­wür­dig sind, haben wir eine Chan­ce auf lang­fris­ti­gen poli­ti­schen Erfolg. Mit einer frei­heit­lich-libe­ra­len Grund­ord­nung ver­trägt es sich nicht, mit Rela­ti­vie­rungs­rhe­to­rik an der Men­schen­ver­nich­tungs­ma­schi­ne­rie der Nazis her­um­zu­deu­teln. Und wenn uns unse­re Grund­über­zeu­gun­gen etwas wert sind, dann müs­sen wir als Par­tei das auch deut­lich zum Aus­druck bringen.


Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

6 Gedanken zu “Die Piratenpartei, die „Holocaustleugung” und die Meinungsfreiheit – Von Grundsätzen und Grundwerten

  • Mirco

    Dein Bei­trag zu Grund­sät­zen und Grund­wer­ten lässt über­haupt nicht erken­nen, dass du die ver­schie­de­nen Ebe­nen erkannt hät­test und was für Posi­ti­on es dort gibt.

    Die unters­te Ebe­ne, Holo­caust­leug­nung und die Inhal­te des Hit­ler­buchs, soll­te klar sein. 

    Die nächs­te Ebe­ne ist der Umgang mit ent­spre­chen­den Aus­sa­gen oder Posi­tio­nen. In der Pira­ten­par­tei haben die nichts zu suchen, auch das soll­te klar sein. Weni­ger klar ist aber, wie man damit in der Gesell­schaft umge­hen muss. Ich hal­te es für einen Ver­lust, dass es kei­ne kom­men­tier­ten Aus­ga­ben von „Mein Kampf” gibt und sehe hier einen Miss­brauch des Urheberrechts.
    Dass das Straf­recht eine ganz spe­zi­el­le Aus­sa­ge expli­zit ver­bie­tet, und dies nicht durch die all­ge­mei­nen Nor­men des Straf­rechts erfasst wird, hal­te ich zumin­dest für unglücklich. 

    Die nächs­te Ebe­ne ist dann, wie man zu Posi­tio­nen zu Straf­recht vs Rede­frei­heit und Urhe­ber­recht umge­hen soll, bzw mit denen, die dazu Posi­tio­nen ver­tre­ten. Ist ein Kan­di­da­tur­ver­bot hier wirk­lich angemessen?
    „for­ma­lis­ti­sche Argu­men­ta­tion”? Damit kann man auch Argu­men­te gegen Zen­sur und Inter­net­sper­ren weg­wi­schen. Das ist zu ein­fach. Frei­heits­rech­te gel­ten – so weh es auch tut – für Nazis. Ein­schrän­kun­gen zuzu­stim­men mit dem Argu­ment es gehe doch gegen Nazis ist kein gutes.

  • Hauke

    Hi Dirk,

    grumpf. Noch­mal das The­ma. Gut:

    1. Mein Kampf und die Zei­tun­gen aus die­ser Zeit sind his­to­ri­sche Doku­men­te der Zeit­ge­schich­te, kei­ne Viren. Man muss sich mit ihnen im Ori­gi­nal aus­ein­an­der­set­zen kön­nen, das gehört zur Bil­dung dazu. Such mal nach „Somun­cu” und „mein kampf” und höre Dir den Kram an. Man muss naziaf­fin sein, um sich davon anste­cken zu las­sen. Es ist men­schen­ver­ach­ten­des, unin­tel­lek­tu­el­les Geseich. Über hun­der­te Sei­ten. Die Zei­tun­gen die­ser Zeit bestehen aus Het­ze, Ras­sen­hass und Natio­na­lis­mus. Die Begrün­dung, war­um wir das nicht unver­fälscht lesen sol­len, leuch­tet mir nicht ein.

    2. Niz​kor​.org ist für mei­ne Begrif­fe ein Mus­ter­bei­spiel dafür, wie Aus­ein­an­der­set­zung mit dem The­ma „Revi­sio­nis­mus” und „Holo­caust­leug­nung” lau­fen soll. Ori­gi­nal­do­ku­men­te, Links auf die faschis­ti­schen Web­sei­ten und DABEI die Erläu­te­rung, wer dahin­ter­steckt, was er sonst noch schrieb und was sei­ne Agen­da ist. DAS ist ein erwach­se­ner, pira­ti­ger Umghang mit dem The­ma. Das Urhe­ber­recht als Zen­sur­be­hör­de kann es nicht sein. Und das ist nicht die ein­zi­ge sinn­lo­se Zen­sur. Tele­po­lis hat eine erhel­len­de Rei­he „Das dri­ite Reich im Selbst­ver­such”. Dazu dann bit­te auch noch die Pro­pa­gan­da­fil­me, das ist ein erwach­se­ner, bil­dungs­po­li­ti­scher Ansatz. Nicht der Nan­ny­sta­te, der davon aus­geht, dass sich durch „Jud Süss” heu­te noch Huma­nis­ten und Demo­kra­ten zu Anti­se­mi­ten umprop­gram­mie­ren lassen.

    Eine unver­fälsch­te Aus­ein­an­der­set­zung mit unver­fälsch­ten Ori­gi­na­len hal­te ich in Schu­le, Stu­di­um und Frei­zeit für jeden für sinn­voll, der Mecha­nis­men und Stra­te­gien der Nazis ver­ste­hen will.

    3. Vom Emp­fang der Holo­caust­re­la­ti­vie­rer, Nazi­pro­pa­gan­da und was weiß ich noch (also die Rezi­pi­en­ten­frei­heit) zu unter­schei­den ist die Sen­de­frei­heit. Und da bin ich sehr wohl der Ansicht, dass die­se ein­zu­schrän­ken ist. Wer ande­ren erzählt, dass sie Lüg­ner sind und es kei­ne Gas­kamj­mern gab, wer das Andenken der Väter uind Müt­ter der Opfer in den Schmutz zieht, der hat dafür bestraft zu wer­den. Man mag dies in vie­len Jah­ren anders sehen, wenn die direk­ten Opfer und ihre direk­ten Ange­hö­ri­gen ver­stor­ben sind, aber auf abseh­ba­re Zeit hal­te ich die­ses Ver­bot – ganz beson­ders in Deutsch­land, von dem die­ser Mas­sen­mord aus­ging – für rich­tig. Man darf eben nicht alles sagen, man­ches muss Kon­se­quen­zen haben. Als Nach­fah­re der Täter oder als Täter den Opfern ins Gesicht spu­cken – das geht nicht.

    4. Wir haben als Deut­sche kei­ne Kol­lek­tiv­schuld, wir haben eine kol­lek­ti­ve Ver­ant­wor­tung des „nie wie­der”. Dazu gehört, sich frei und ohne staat­li­che Beschrän­kun­gen infor­mie­ren zu dür­fen. Es ist auch nie ver­kehrt, sich anzu­se­hen, wo die heu­ti­gen Nazis gera­de ste­hen und was sie so treiben.

    Opfer­be­schimp­fung, das in den Schmutz zie­hen des Andenkens von mil­lio­nen – DAS soll­ten wir NICHT zulassen.

    Sor­ry, aber Dein Blog­ein­trag greift DEUTLICH zu kurz.

    Gruß

    Hau­ke

  • NetReaper

    Dass „Mein Kampf” ledig­lich etwas mit dem The­ma Urhe­ber­recht wis­sen die Wenigs­ten, das stimmt. In ein paar Jah­ren (2015) wird das Buch frei sein. 

    Was §130 StGB angeht: ich hal­te nichts von einer spe­zi­el­len „NS-Staat”-Gesetzgebung. Gera­de Straf­ge­set­ze soll­ten stets so ange­legt sein, einem all­ge­mei­nen Leit­spruch, einer „uni­ver­sa­li­sier­ba­ren Maxi­me” zu folgen. 

    Und die­se Maxi­me soll lauten:
    Wer Gewalt- und Will­kür­herr­schaft bil­ligt, ver­herr­licht oder recht­fer­tigt, sie leug­net oder ver­harm­lost, der muss bestraft werden. 

    Eine „Lex Drit­tes Reich” braucht es nicht, wenn unse­re Straf­ge­set­ze gut genug sind.

  • schreibrephorm

    Ser­vus,

    ich gehe mit den Aus­sa­gen kon­form. Bis auf eine Aus­sa­ge. Ich wür­de „Mein Kampf” auch nicht ver­bie­ten. Denn es ist ers­tens ein his­to­ri­sches Doku­ment, zwei­tens kann man es im Inter­net anschau­en und drit­tens kann man durch Ver­bo­te eines Buches nicht errei­chen, dass Auf­klä­rung statt­fin­det. Wenn man es liest und das idea­ler­wei­se in Aus­zü­gen in der Schu­le, sieht man eini­ge Din­ge der Nazi­pro­pa­gan­da recht schnell ent­larvt. Das natür­lich eini­ge Leu­te das aus ande­ren Grün­den öffent­lich zugäng­lich haben wol­len, klar. Aber den­noch möch­te ich nie­man­den bevor­mun­den indem was zu lesen ist und was nicht. 

    lg
    Bjoern

    • Dirk Hillbrecht Autor des Beitrags

      Das habe ich auch nicht aus­führ­lich aus­ge­führt. „Mein Kampf” ist in Deutsch­land nicht „ver­bo­ten” – was immer das hei­ßen soll. Der Frei­staat Bay­ern sieht sich ledig­lich unwi­der­spro­chen als Inha­ber der Urhe­ber­rech­te und unter­sagt von die­ser Posi­ti­on aus Neuauflagen.