Nun ist er also doch ganz schnell zurückgetreten, der Freiherr, Ex-Doktor und – seit gestern – auch Ex-Minister Karl-Theodor von und zu Guttenberg. Während ich diese Zeilen schreibe, zerbrechen sich in Berlin höchstwahrscheinlich eine ganze Reihe Menschen den Kopf, wie der Flurschaden zu begrenzen ist, wer als Nachfolger in Frage kommt und wie um alles in der Welt so einige Spitzenpolitiker von CDU und CSU aus der Sache wieder rauskommen sollen.
Quelle: Wikimedia Commons, Autor: Peter Weis, Lizenz: gemeinfrei/-artig
Ob ich mich darüber freue? Die Antwort lautet: Nein.
Damit wir uns richtig verstehen: Das Verhalten von Herrn zu Guttenberg ist natürlich überhaupt nicht zu tolerieren. Es ist schon schlimm genug, eine Doktorarbeit einzureichen, bei der eine so herausragende Menge Text aus anderen Texten abgeschrieben ist, dass es auch mit blauäugigster Sicht schwerfällt, von „Versehen” oder „verlorenem Überblick” auszugehen. Genau dies dann zu behaupten und in den nächsten Tagen in Tippelschritten immer nur genau das zuzugeben, was sowieso schon offensichtlich ist – das sieht für mich sehr danach aus, dass Herrn zu Guttenberg genau diejenige sittliche Reife fehlt, die ich für einen der wichtigsten Repräsentanten Deutschlands für unabdingbar halte.
Damit fangen aber die Probleme an, denn dass ausgerechnet die Bundeskanzlerin dieses Spielchen tagelang mitspielt und sich mit handbüchenen Ausflüchten aus der Affäre zu ziehen versucht – „ich habe keinen wissenschaftlichen Assistenten eingestellt, sondern einen Minister” – das lässt mich befürchten, dass auch hier Grundwerte kurzsichtig gegen politisches Kalkül eingetauscht wurde. Es ist keine schöne Vorstellung, von solchen Menschen regiert zu werden.
Quelle: GuttenPlag Wiki
Und dann die unglaubliche Unschärfe in der Argumentation! Zu Guttenberg habe „Urheberrechte verletzt” und sich an „anderem ‚geistigen Eigentum’ bedient. Das ist völliger Quatsch! Wissenschaftliche Arbeiten bedienen sich immer ausgiebig an den Arbeitsergebnissen Anderer. Sie nehmen diese Ergebnisse und bauen darauf Neues auf. Wissenschaftliches Arbeiten ist eben genau die Antithese zum Gefasel von „geistigem Eigentum” und „Raubkopien”. „Zwerge auf den Schultern von Riesen” oder „Standing on the shoulders of giants” bringt diese Geisteshaltung auf den Punkt und auf dieses Motto haben sich immerhin Größen wie Isaac Newton oder Stephen Hawking bezogen.
Diese Vermischung des Falles Guttenberg mit einer wie auch immer gearteten Urheberrechtsproblematik wird noch einige unschöne Folgen haben. In wenigen Wochen beginnt der Gesetzgebungsprozess zum sogenannten „Dritten Korb” zur Reform des Urheberrechts und ich sehe die Gefahr, dass mit Rückgriff auf die Vorgänge rund um die völlig verunglückte Doktorarbeit erneut die Rechte von Konsumenten und Produzenten beschnitten werden sollen, damit die Verwerter an überkommenen Geschäftsmodellen festhalten können. Es ist bedrückend zu sehen, wie die Politik sich hier von der Verwertungsindustrie zum Büttel machen lässt und die Wissensgesellschaft zerstört. Dass die Guttenberg-Diskussion so um das Wort „Urheberrecht” kreist, ist ein krasser Fehler, der wenn irgend möglich schnell korrigiert werden muss.
Das eigentliche Problem mit Guttenbergs Arbeit wird in der FAQ des GuttenPlag-Wikis im Abschnitt „Kann man gegen den Autor mit dem Urheberrechtsgesetz vorgehen?” sehr schön beschrieben: „Zu beachten ist, dass die Presse und viele vorgebliche Experten die Problemlage falsch als ein Urheberrechtsproblem darstellen. Es handelt sich im Kern um ein Problem des sogenannten Prüfungsrechts der Universitäten. […] das Urheberrecht [schafft] durch Schrankenregelungen die Voraussetzungen für die legale Nutzung von Zitaten, während Prüfungsregeln die Kennzeichnung als Zitat vorschreiben. Aber man kann beides nicht gleichsetzen und vom einen auf das andere Schlüsse ziehen.” Es wäre zu wünschen, dass diese Einsicht in der öffentlichen Diskussion ankommt.
Auch aus einer anderen Ecke sehe ich Ungemach kommen: Übereinstimmend sagen alle Beobachter, ihre Tragweite habe die Affäre vor allem dadurch bekommen, dass im Internet die Aufarbeitung der Plagiatsvorwürfe in rasender Geschwindigkeit auf hohem Niveau stattgefunden hat. Ohne GuttenPlag wäre das Thema viel schneller in der Versenkung verschwunden und die Akademiker hätten sich wohl nicht mit derartiger Vehemenz über die Verfehlungen zu Guttenbergs beklagt. Dieses freie, unkontrollierte Internet war die Basis für den heutigen Abgang. Dass das Internet in Deutschland so frei ist, ergibt sich zwangsläufig aus der Staatsräson Deutschlands als freie, bürgerliche, demokratische Gesellschaft. Andersherum braucht aber auch das freie, bürgerliche und demokratische Deutschland das Internet als freien, unkontrollierten Raum. Die nach wie vor im Raum stehenden Zensurpläne der deutschen Regierung zeigen, dass diese Einsicht nach wie vor fehlt. Angesichts der Vehemenz, mit der eine erstaunlich große Menge an Menschen zu Guttenberg weiterhin die Stange hält und seine plagiierte „Doktor”-Arbeit für eine Bagatelle hält, wird mir Angst und Bange, wenn ich darüber nachdenke, dass da irgendwelche „Entscheider” an „Killswitches” oder „Sperrlisten” sitzen könnten. Was passiert, wenn dort ein Guttenberg-Fan sitzt, dem beim Plagiatswiki das Messer in der Hose aufgeht? Die Lehre aus Guttenberg und GuttenPlag muss sein: Keine „Internetsperren”. Niemals und aus keinem Grund! Es könnte aber sein, dass die Sperrbefürworter als Lehre aus GuttenPlag eher höher motiviert in ihrem unguten Treiben werden. Das Thema „sittliche Reife” hatten wir ja oben schon…
Karl-Theodor zu Guttenberg ist zurückgetreten und das ist auch gut so. Gesellschaftlich und politisch ist die gesamte Affäre aber noch lange nicht ausgestanden. Ich spreche als nach wie vor aktives Mitglied der Piratenpartei, wenn ich sage, dass wir unsere Interessen weiterhin energisch vertreten müssen. Wir wollen immer „andere Politik” machen – dann sollten wir damit irgendwann mal anfangen und nicht denken, gehässige Twitter-Jubelarien seien das politische Rezept der Stunde. Das ist nämlich nicht die Art von „anderer Politik”, die ich für erstrebenswert halte. Es ist halt wie der Titel schon sagt: Nicht hilfreich.
Ich denke die Causa (Dr.) Guttenberg wird von Tag zu Tag amüsanter! Billiglohnland im großen Stil! Am Saturday protestieren 3000 Menschen für den hochgeborenen (Dr.) und Minister. Jetzt erntet er die wichtigsten Salben und Ehren des Staates. Ungerecht, oder? Ich bin Experte in dem Thema und bin euch bei Fragen auf http://www.the-ba.net – Die besten Antworten auf deine Fragen behilfreich.
Zum Thema „Der Fall Guttenberg: Nicht hilfreich”
Ich bin nur ein einfacher Mensch, also ohne wissenschaftliche Bildung etc.
Dennoch mache ich mir schon seit Wochen Gedanken darüber, wieso eigentlich wir Deutschen immer eine Person brauchen, die wir anhimmeln und auf den Sockel der Verehrung stellen wollen.
Gerade wir Deutschen sollten doch aus der Erfahrung heraus wissen, wie gefährlich die oftmals „BLINDE VEREHRUNG” eines Menschen sich auswirken kann, oder?
Es gibt aus meiner Sicht keinen Menschen, noch nicht einmal der Papst, der es verdienen würde, von uns Menschen angehimmelt oder angebetet zu werden!
Wir sind alle nur Menschen mit unseren Schwächen und Stärken, die nun mal leider viel zu viele Fehler machen!
Und oft wissen wir erst hinterher, was von unseren Entscheidungen gut oder falsch war, oder?
Das Erste Gebot lautet: „ICH BIN DER HERR DEIN GOTT, DU SOLLST KEINE ANDEREN GÖTTER NEBEN MIR HABEN AUSSER MIR!”
Vielleicht denken wir ab und zu mal daran, wenn wir Gefahr laufen, einen Menschen auf den Thron unserer Anbetung zu stellen. Denn es könnte sein, dass sein Sockel samt Statue eines Tages wieder umgestoßen werden muss.
Je schlimmer wir einen Menschen verehren, desto mehr sind wir am Ende enttäuscht, wenn dieser Mensch Fehler macht.
So ist es doch auch in der kleinsten Zelle menschlicher Gemeinschaft, in der Partnerschaft.
Wenn wir vor lauter Verliebtheit blind sind, und nur die Stärken unseres Partners/Partnerin sehen, achten wir nicht auf seine Fehler und Schwächen. Das kann auch in der Partnerschaft zu verhängnisvollen Folgen führen.
Ich schreibe dies nicht, weil mir Herr Guttenberg besonders sympathisch wäre, eher im Gegenteil. Ich fand ihn, im Gegensatz zur Meinung der breiten Bevölkerung, eher etwas schleimig und von sich eingenommen.
Dennoch hat er eine solche Hetzkampagne nicht verdient, da wir Menschen nicht das Recht haben, über andere Menschen zu Gericht zu sitzen und abzuurteilen.
Das „LETZTE GERICHT” wartet noch auf uns ALLE…
S. Hütter