Ernst-August-Platz mit Bahnhof im Januar 2010: Name nicht mehr gut genug?

Quatsch des Tages: Umbenennung des Ernst-August-Platzes


Den ehe­ma­li­gen Vor­sit­zen­den der Pira­ten-Rats­frak­ti­on hat es in den Bezirks­rat Mit­te ver­schla­gen. Dort hat er nun einen Antrag ein­ge­bracht, den han­no­ver­schen „Ernst-August-Platz” umzu­be­nen­nen, weil Ernst August I. als Namens­ge­ber nicht trag­bar sei. Lei­der ist der Antrag in Form und Inhalt unsäglich:

Ernst-August-Platz mit Bahnhof im Januar 2010: Name nicht mehr gut genug?

Ernst-August-Platz mit Bahn­hof im Janu­ar 2010: Name nicht mehr gut genug?

  • Die Dar­stel­lung des Ernst August I. ist nicht voll­stän­dig. Es wird auf einen bestimm­ten Vor­gang einer immer­hin 14-jäh­ri­gen Amts­zeit und eines 80-jäh­ri­gen Lebens abge­ho­ben. Das ist der­sel­be Feh­ler, der momen­tan in der gesam­ten Dis­kus­si­on um die Umbe­nen­nung von Stra­ßen und Plät­zen gemacht wird.
  • Es wird ver­sucht, die dama­li­gen Vor­gän­ge nach heu­ti­gen Maß­stä­ben zu mes­sen. Das funk­tio­niert aber nicht, da die Gesell­schafts­struk­tu­ren damals und heu­te über­haupt nicht ver­gleich­bar sind. Allein inner­halb des Antrags­tex­tes ergibt sich ein Wider­spruch in der Bezug­nah­me auf einen „Eid vor Gott” oder die „Königs­hul­di­gung” einer­seits und die Zugrun­de­le­gung eines auf­ge­klärt-bür­ger­li­chen Staats­sys­tems andererseits.
  • Es wer­den mehr­fach Behaup­tun­gen in den Raum gestellt, die unbe­legt, falsch oder mit dem Vor­gang nicht zusam­men­hän­gend sind: 
    • Für die Beliebt- oder Unbe­liebt­heit des Herr­schers damals wer­den kei­ne Bele­ge ange­führt; es wird statt­des­sen dem inhalts­glei­chen Wiki­pe­dia­satz noch ein „sehr” hin­zu­ge­fügt und dort eben­falls erwähn­te „gro­ße Anteil­nah­me der Bevöl­ke­rung” anläss­lich der Beer­di­gung nicht wei­ter ein­ge­gan­gen. Zudem: Was spielt das für die heu­ti­ge Zeit für eine Rolle?
    • Das Ernst-August-Denk­mal wur­de erst deut­lich nach der Herr­schafts­zeit von Ernst August I. auf­ge­stellt. Die Anga­ben zur Bezah­lung sind unbe­leg­te Behauptung.
    • Han­no­ver im Zeit­raum 1866 – 1966(!) als „Pro­vinz” zu bezeich­nen, wie in dem Antrag for­mu­liert, ist schlicht hane­bü­chen. Und für die Behaup­tung, dies hät­te was mit Ernst August zu tun lie­fert der Text eben­falls weder Beleg noch Quelle.
  • Vor allem aber: Die­ser Antrag geht zwar umfäng­lich dar­auf ein, war­um der bis­he­ri­ge Name schlecht ist, aber mit kei­nem ernst­haf­ten Wort wird begrün­det, war­um der vor­ge­schla­ge­ne neue Name gut oder wenigs­tens bes­ser sei. Wie wei­land Edmund Stoi­ber zum Mün­che­ner Flug­ha­fen-Trans­ra­pid: „Weil das ja klar ist”. Das ist in sei­ner Kri­tik­lo­sig­keit und Bana­li­tät ja noch wesent­lich schlim­mer als das, was der Antrags­text dem Pro­zess unter­stellt, der zum aktu­el­len Namen des Plat­zes geführt hat.

Über­haupt kei­ne Berück­sich­ti­gung fin­det zudem die Fra­ge, wel­che Rol­le die Bezeich­nung des Plat­zes heut­zu­ta­ge als Land­mal oder Iden­ti­fi­zie­rung völ­lig los­ge­löst von sei­nem Namens­trä­ger hat. Immer­hin ist der mitt­ler­wei­le seit 164 Jah­ren tot. Die­sen Namen zu ändern betrifft näm­lich in ers­ter Linie die Men­schen, die *heu­te* leben und die auf Wir­ken des Namens­ge­bers kei­ner­lei Ein­fluss mehr haben können.

Ich leh­ne mich mal aus dem Fens­ter und behaup­te, dass von allen Men­schen, die an einem belie­bi­gen Tag den han­no­ver­schen Bahn­hofs­platz que­ren oder sei­nen Namen hören, nur eine ver­schwin­den­de Min­der­heit über­haupt den his­to­ri­schen Hin­ter­grund des Namens­trä­ger kennt. Und von die­ser ver­schwin­den­den Min­der­heit wer­den kei­ne zwei die dama­li­gen Vor­gän­ge gleich inter­pre­tie­ren. Eine Umbe­nen­nung im Sin­ne die­ses Antra­ges läuft unmit­tel­bar Gefahr, als von oben her­ab erlas­sen – gleich­sam oktroy­iert – zu erscheinen.

Und damit hät­te die­ser Antrag dann plötz­lich wie­der erstaun­lich viel gemein­sam mit jenem König lang ver­gan­ge­ner Tage, an dem er sich so umfäng­lich abarbeitet.

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