Zur Flüchtlingssituation in Hannover: Bericht aus dem Bauausschuss


Die The­men „Flücht­lin­ge” und „Flücht­lings­un­ter­bri­gung” sind in aller Mun­de. Was das alles für die Kom­mu­nen bedeu­tet, konn­te man ges­tern im Bau­aus­schuss des Rates der Stadt Han­no­ver sehen. Die­ser stand ganz im Zei­chen der momen­tan in Deutsch­land ankom­men­den Flücht­lin­ge. Bau­de­zer­nent Bode­mann hat einen umfas­sen­den Über­blick über die Situa­ti­on gege­ben. Es stand heu­te bereits ein Bericht in der Zei­tung, ich möch­te die Fak­ten aber noch­mal an Hand mei­ner eige­nen Noti­zen zusammenfassen:

  • Vor zwei Wochen hat das Land Nie­der­sach­sen den Kom­mu­nen ange­kün­digt, dass wohl bis Jah­res­en­de noch 45.000 Flücht­lin­ge in Nie­der­sach­sen unter­ge­bracht wer­den müssen.
  • Für den aktu­ell lau­fen­den Zuwei­sungs- oder „Quotierungs”-Zeitraum bedeu­tet das, dass die bis­he­ri­gen Zah­len für Han­no­ver um 3300 Men­schen auf­ge­stockt wer­den. Bis­lang war man von 2500 Men­schen im Zeit­raum Ende 2014 bis Janu­ar 2016 aus­ge­gan­gen. Von die­sen 2500 Men­schen sind bis­lang etwa 70% ein­ge­trof­fen. Ins­ge­samt heißt das alles Bode­mann zu Fol­ge, dass bis Ende Janu­ar 2016 pro Monat etwa 760 Men­schen unter­ge­bracht wer­den müssen.
  • Vor der Som­mer­pau­se hat­te die Ver­wal­tung eine Unter­brin­gungs­pla­nung für 2016 vor­ge­legt, die von einem Bedarf von 3600 Plät­zen – 300 pro Monat – für 2016 aus­ge­gan­gen war. 29 neue Unter­brin­gungs­stand­or­te waren vor­ge­schla­gen, 16 als Modul­an­la­gen, 13 als fes­te Gebäu­de, die nach dem Modell „erst Flücht­lings­un­ter­kunft, dann nor­ma­le Miet­woh­nung” errich­tet wer­den sol­len. Hier­für ist ein Refe­renz­pro­jekt im Ohe­rie­de­trift geplant.
  • Wäh­rend der Som­mer­pau­se hat es Gesprä­che auf Bezirks­rats­ebe­ne gege­ben, isb. mit den Bezirks­bür­ger­meis­tern. Den Bezir­ken wur­de in der Druck­sa­che die Mög­lich­keit eröff­net, für geplan­te Stand­or­te „gleich­ar­ti­ge und gleich­wer­ti­ge” Alter­na­ti­ven vor­zu­schla­gen. Auf Grund­la­ge die­ser Gesprä­che soll jetzt sehr zügig eine über­ar­bei­te­te Druck­sa­che in den Ver­wal­tungs­aus­schuss. Wenn die­ser dann zustimmt, könn­ten isb. die geplan­ten Modul­an­la­gen bereits unter der Maß­ga­be der auf Bun­des­ebe­ne ange­kün­dig­ten ver­ein­fach­ten Bau­vor­schrif­ten errich­tet werden.
  • Grund­sätz­li­ches Pro­blem für die gesam­te Pla­nung ist, dass es sei­tens Land und Bund bis­lang kei­ner­lei ange­kün­dig­te Zutei­lungs­quo­ten über den Janu­ar 2016 hin­aus gibt. Hin­ter­grund könn­te sein, dass Bund und Land ihrer­seits ja gera­de ihre Unter­brin­gungs­ka­pa­zi­tä­ten auf­sto­cken, sodass auf kom­mu­na­ler Ebe­ne even­tu­ell eine Ent­las­tung eintritt.
  • Nichts­des­to­trotz wird momem­tan nicht mehr mit den bis­he­ri­gen 300 Plät­zen pro Monat geplant: „764 ist die neue Grö­ße”. Auf Grund die­ser neu­en Lage ist jetzt sowohl die Haus­halts­an­mel­dung für 2016 zu ändern und auch der Haus­halt 2015 noch auf Anpas­sun­gen zu prüfen.
  • Noch in Umset­zung befin­det sich das vor eini­gen Mona­ten gestar­te­te Modul­an­la­gen­pro­gramm. Von den 14 aus­ge­schrie­be­nen Modul­an­la­gen ist eine (ver­früht) gelie­fert wor­den und wird die­ser Tage am Stand­ort Alt-Vinn­horst errich­tet. 4 wei­te­re Anla­gen wer­den noch die­ses Jahr gelie­fert. Auf Grund der neu­en Lage ist aber abzu­se­hen, dass das alles nicht reicht.
  • Im nächs­ten Drit­tel­jahr ste­hen zusätz­lich zu den Modul­an­la­gen zur Ver­fü­gung: Ab Novem­ber das Über­gangs-Bet­ten­haus am Kran­ken­haus Silo­ah. Der ehe­ma­li­ge Markt­kauf in Baden­stedt ist nächs­te Woche so weit und wird die Flücht­lin­ge auf­neh­men, die momen­tan in der Mes­se­hal­le 21 unter­ge­bracht sind – 250 Men­schen. Ins­ge­samt wird der Markt­kauf für 450 Men­schen ein­ge­rich­tet. Ab Novem­ber kön­nen Men­schen im Wie­chern­stift in Wald­hau­sen unter­ge­bracht wer­den, das dafür ange­mie­tet wird. Das Kronsberg­ho­tel wird gekauft. Die pro­vi­so­ri­schen Unter­richts­con­tai­ner an der Luther­schu­le wer­den nach Abschluss der Bau­ar­bei­ten an der Schu­le eben­falls zu Flüchtlingsunterkünften.
  • Eben­falls noch im Herbst kön­nen die in fes­ter Bau­wei­se von der GBH errich­te­ten Unter­künf­te an der Tres­kow­stra­ße und an der Empel­der Stadt­gren­ze bezo­gen wer­den. Beim für 50 Per­so­nen aus­ge­leg­ten Gebäu­de an der Tres­kow­stra­ße wird dabei die Bele­gung ver­dop­pelt (2 Per­so­nen statt eine in einem 10-m²-Zim­mer). In Empel­de ist noch in Über­le­gung, ob und wie dort ver­dich­tet wer­den kann, da das Bele­gungs­kon­zept dort anders ist (WG-arti­ge Wohn­be­rei­che statt ein­zel­ner Zimmer).
  • Die Mes­se­hal­le muss geräumt wer­den, weil sie – wie von Anfang an abge­spro­chen – für eine Mes­se gebraucht wird. Ob sie danach nicht even­tu­ell doch wie­der für die Unter­brin­gung von Flücht­lin­gen her­an­ge­zo­gen wird, ließ der Bau­de­zer­nent offen: „Die Mes­se­hal­le wird wie vie­le ande­re Optio­nen geprüft.” Auch die ver­schie­de­nen Bun­des­wehr-Lie­gen­schaf­ten wer­den bei der BImA regel­mä­ßig ange­fragt, von dort kom­men aber wei­ter­hin nur Absagen.
  • Der Markt für Modul­bau­ten ist momen­tan ins­ge­samt „ange­spannt”. Es gibt aber mitt­ler­wei­le auch Anbie­ter von Modu­len auf Holz­ba­sis, sodass die Stahl­con­tai­ner nicht mehr die ein­zi­ge Mög­lich­keit für die Rea­li­sie­rung der Anla­gen sind. Der Markt­si­tua­ti­on kann eine sol­che Alter­na­ti­ve nur gut tun.
  • Wäh­rend die Flücht­lings­un­ter­künf­te frü­her aus­schließ­lich in der Bau­ver­wal­tung ange­sie­delt waren, sind mitt­ler­wei­le drei wei­te­re Fach­be­rei­che und die Feu­er­wehr eng ein­be­zo­gen, sodass die orga­ni­sa­to­ri­sche Basis wesent­lich brei­ter als bis­her ist.
  • Die Ver­wal­tung will in Kür­ze eine Inter­net­sei­te akti­vie­ren, auf der über die aktu­el­le Lage bei der Unter­brin­gung berich­tet wird und die als Anlauf­stel­le für jede Art von Hilfs­an­ge­bo­ten die­nen soll. Gesucht wer­den ins­be­son­de­re auch Unterbringungsangebote.

Ins­ge­samt klang immer wie­der zwi­schen den Zei­len durch, dass momen­tan noch über­haupt nicht abzu­se­hen ist, wie hoch die nöti­gen Unter­brin­gungs­ka­pa­zi­tä­ten auch nur mit­tel­fris­tig sein wer­den. Die Stadt sucht momen­tan jeden­falls in ande­ren Grö­ßen­ord­nun­gen als noch vor weni­gen Mona­ten oder Wochen. Auf Nach­fra­ge hieß es bei­spiels­wei­se, dass zwar momen­tan noch 10 Turn­hal­len belegt sind und dass noch nicht klar ist, wann die­se wie­der frei sein wer­den, dass für den jetzt erfol­gen­den Auf­bau wei­te­rer Kapa­zi­tä­ten die Ver­wen­dung wei­te­rer Turn­hal­len eher nicht so recht ziel­füh­rend ist. Bode­mann wört­lich: „Wir schau­en eher in eine ande­re Größenordnung.”

Dass die Hilfs­be­reit­schaft in der Bevöl­ke­rung wei­ter­hin unge­bro­chen ist, konn­te man an zwei Punk­ten in der Sit­zung sehen: Zum einen hat­te der Bau­de­zer­nent noch­mals die Zah­len für das Ost­stadt­kran­ken­haus in Han­no­ver wie­der­holt: Den dort unter­ge­brach­ten 700 Flücht­lin­gen ste­hen jetzt über 200 Bür­ger aus der Nach­bar­schaft zur Sei­te, die auf die ver­schie­dens­ten Arten ehren­amt­lich hel­fen. Und der Geschäfts­füh­rer der Händ­ler­ver­ei­ni­gung der han­no­ver­schen Innen­stadt, Mar­tin Prenz­ler, frag­te in der Bür­ger­sprech­stun­de zu Beginn der Aus­schuss­sit­zung nach einem Ansprech­part­ner für Händ­ler, die leer­ste­hen­de Flä­chen für die Flücht­lings­un­ter­brin­gung zur Ver­fü­gung stel­len wollen.

Zu den Haus­halts­an­sät­zen sei zusätz­lich ange­merkt: Im Jahr 2015 hat es bereits einen 65-Mio-EUR-Nach­trags­haus­halt für das lau­fen­de Jahr gege­ben, durch den die stark gestie­ge­nen Kos­ten für die Flücht­lings­un­ter­brin­gung getra­gen wur­den. Der vor einer Woche ein­ge­brach­te Haus­halt für 2016 ent­hält ins­ge­samt etwa 110 Mio. EUR Aus­ga­ben für die Flücht­lings­un­ter­brin­gung, in die die bereits bekann­ten Ände­run­gen der Lan­des­zu­schüs­se bereits hin­ein­ge­rech­net sind – nicht jedoch die noch sehr nebu­lös ange­kün­dig­ten neu­en Bundesmittel.

Soweit die Infor­ma­ti­ons­la­ge. Mei­ne per­sön­li­che Mei­nung ist, dass die Ver­wal­tung hier gera­de außer­or­dent­lich gro­ße Bro­cken stemmt – und das der Stadt dies – unter gro­ßer Mit­hil­fe der Bür­ger – auch ganz gut gelingt. Von Zel­ten ist wei­ter­hin weit und breit nichts zu sehen. Ich hal­te den ein­ge­schla­ge­nen Weg für rich­tig und unter­stüt­ze ihn voll­stän­dig. Gera­de in der Errich­tung von Flücht­lings­un­ter­künf­ten, die spä­ter in Miet­woh­nun­gen umge­wan­delt wer­den sol­len, sehe ich zudem eine Chan­ce, dass die Stadt wie­der ver­stärkt in den kom­mu­na­len Woh­nungs­bau einsteigt.

Han­no­ver wächst durch den Flücht­lings­zu­strom merk­lich. Wir befin­den uns in der Grö­ßen­ord­nung von 1% der Gesamt­be­völ­ke­rung. Das wird lang­fris­ti­ge Aus­wir­kun­gen haben, bei­spiels­wei­se auf den Woh­nungs­bau. Han­no­ver ist sowie­so eine wach­sen­de Stadt. Ich wet­te, wir wer­den in den kom­men­den Mona­ten erheb­li­che Nach­ar­bei­ten zum Bei­spiel am Wohn­raum­kon­zept sehen, das etwa den Zeit­raum der nächs­ten 10 Jah­re abdeckt.

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