Artikel in HAZ und NP zur Müllabfuhrumfrage: Problematische Zahlen in der Überschrift

HAZ, NP, die Region Hannover und Mathe mit Müll: Ein Lehrstück über Statistiken


Die Regi­on Han­no­ver hat ein Müll­pro­blem: Auf Grund eines Gerichts­ur­teils müs­sen die Müll­ge­büh­ren in Stadt und Umland ange­gli­chen wer­den und in dem Zusam­men­hang will das Ent­sor­gungs­un­ter­neh­men AHA auch die Müll­ab­fuhr an sich stär­ker ver­ein­heit­li­chen. Im Umland tobt seit­dem ein Streit um den Müll: Sack­ab­fuhr – wie vie­ler­orts bis­her – oder Ton­ne – wie AHA es ger­ne möch­te und wie es in der Stadt Han­no­ver auch schon lan­ge flä­chen­de­ckend der Fall ist.

Artikel in HAZ und NP zur Müllabfuhrumfrage: Spannende Zahlen in der Überschrift

Arti­kel in HAZ und NP zur Müll­ab­fuhr­um­fra­ge: Span­nen­de Zah­len in der Überschrift

Die Lokal­zei­tun­gen Han­no­ver­sche All­ge­mei­ne (HAZ) und Neue Pres­se (NP) berich­ten nun heu­te bei­de von dem Zwi­schen­be­richt einer aktu­ell dies­be­züg­lich lau­fen­den Umfra­ge. Der Tenor der Arti­kel ist bei bei­den gleich:

66% der Umland­be­woh­ner wol­len den Rest­müll­sack statt der Tonne.

Aber man muss da mei­nes Erach­tens etwas genau­er lesen. Ich zitie­re mal die wich­tigs­ten Pas­sa­gen aus dem Arti­kel der Neu­en Pres­se, der die Zusam­men­hän­ge wesent­lich gründ­li­cher dar­stellt als dies bei der HAZ herauskommt:

Einer ers­ten Aus­wer­tung zufol­ge wol­len 66 Pro­zent der Umland­be­woh­ner den Rest­müll­sack behal­ten. […] Das ist aber erst ein Zwi­schen­stand. Von 144 710 Grund­stücks­ei­gen­tü­mern im Umland der Regi­on haben bis­lang 60 000 die aha-Fra­ge­bö­gen zurück­ge­sandt. Dar­auf kreuz­ten ledig­lich 34 Pro­zent an, dass sie künf­tig eine Rest­müll­ton­ne haben wol­len. […] Sen­den sie den Fra­ge­bo­gen nicht zurück, bekom­men sie auto­ma­tisch eine Rest­müll­ton­ne vor die Tür gestellt.

Also:

  • Befragt wer­den nicht die Ein­woh­ner, son­dern die Grund­stücks­ei­gen­tü­mer.
  • Von 144000 Grund­stücks­ei­gen­tü­mern haben bis­her 60000 geant­wor­tet, also nicht mal die Hälf­te (genau­er: etwa 42%).
  • Wer nicht ant­wor­tet, bekommt auto­ma­tisch die Rest­müll­ton­ne – und zwar in der von AHA auf Grund von Grund­stücks­grö­ße und Ein­woh­ner­zahl vor­ge­schla­ge­nen Größe.

Dar­aus folgt für mich:

  • Die Umfra­ge ist noch nicht abge­schlos­sen, die Ergeb­nis­se also vor­läu­fig. Das erwäh­nen die Blät­ter zwar auch, berück­sich­ti­gen es aber bei der Über­schrif­ten­wahl nicht.
  • Die Befra­gung von Grund­stücks­ei­gen­tü­mern ver­schiebt das Gewicht der Umfra­ge mas­siv in Rich­tung klei­ne­rer Wohn­ein­hei­ten (Ein­fa­mi­li­en­haus = 1 Eigen­tü­mer und 2 Bewoh­ner = 1 Umfra­ge­bo­gen; Miet­bau = 1 Eigen­tü­mer und 100 Bewoh­ner = 1 Umfra­ge­bo­gen). Es ist mei­nes Erach­tens unlau­ter, von einer sol­chen Eigen­tü­mer­um­fra­ge auf eine reprä­sen­ta­ti­ve Mei­nung der Bewoh­ner zu schließen.
  • Da eine Nicht­ant­wort auto­ma­tisch zur Rest­müll­ton­ne führt, haben die­je­ni­gen, die eine sol­che Ton­ne (in der von AHA vor­ge­schla­ge­nen Grö­ße) wol­len, einen wesent­lich gerin­ge­ren Anreiz, die­sen Fra­ge­bo­gen über­haupt zurückzuschicken.

Ins­be­son­de­re der letz­te Punkt ist für mich ent­schei­dend! Es steht zu ver­mu­ten, dass Rest­müll­ton­nen­be­für­wor­ter wesent­lich weni­ger Fra­ge­bö­gen zurück­schi­cken als die­je­ni­gen, die den Müll­sack wol­len. Wenn ich die­sen Effekt mal kom­plett rein­rech­ne, dann sind von den 60000 zurück­ge­schick­ten Bögen 40000 mit „will Sack” zurück­ge­kom­men (halt die beschrie­be­nen 66%). Von den ins­ge­samt ver­schick­ten 144000 Bögen sind die­se 40000 aber gera­de mal 27%. Die Über­schrift des Arti­kels könn­te also mit genau dem­sel­ben Zah­len­ma­te­ri­al auch lauten:

Müll­ab­fuhr: Zwei Drit­telNur ein Vier­tel für den Sack

Bis hier­hin erscheint mir die­se Aus­sa­ge genau­so belast­bar wie die heu­ti­gen Arti­kel­auf­ma­cher. Auch wenn man den Zei­tungs­ma­chern ein biss­chen zu Gute hal­ten muss, dass die offi­zi­el­le Pres­se­mit­tei­lung der Regi­on Han­no­ver (hier bei AHA online) die­se 66%-Lesart gera­de­zu auf­drängt. So wird dann aus eigent­lich gar nicht beson­ders aus­sa­ge­kräf­ti­gen Zah­len eine knal­li­ge Überschrift.

Hin­weis, 2013-08-09, 14:30 Uhr: Klei­ne Ände­run­gen nach Lek­tü­re der Original-Pressemitteilung.

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