Prism (II): Abhören, Whistleblowing und der Staat


Ich habe mir ja bereits eini­ge Gedan­ken zum ame­ri­ka­ni­schen „Prism”-Abhörsystem und sei­nen Aus­wir­kun­gen auf Deutsch­land gemacht. Aber gesell­schaft­lich betrach­tet gehen die Pro­ble­me mei­nes Erach­tens tiefer:

Die Fra­ge ist: Wie konn­te es so weit kom­men? Das gesam­te Sys­tem ist publik gewor­den durch einen Insi­der, der sein Wis­sen in die Öffent­lich­keit getra­gen hat. Über die per­sön­li­chen Fol­gen für Edward Snow­den kann man zum aktu­el­len Zeit­punkt nur spe­ku­lie­ren, all­ge­mein wird es aber als wahr­schein­lich ange­nom­men, dass die USA ver­su­chen wer­den, sehr mas­siv gegen ihn vor­zu­ge­hen. Die Bei­spie­le Juli­en Assan­ge und Brad­ley Man­ning wer­den immer wie­der genannt. Und die Bericht­erstat­tung betont, dass die US-Regie­rung um Prä­si­dent Oba­ma sehr rigo­ros gegen der­lei „Geheim­nis­ver­rat” vorgeht.

Im Kon­flikt „Staat gegen Bür­ger” zieht der Bür­ger immer den kür­ze­ren, wenn der Staat sich nicht selbst Beschrän­kun­gen auf­er­legt. Die­se Beschrän­kun­gen sind zum Bei­spiel die Ach­tung von Men­schen- und Bür­ger­rech­ten, aber auch so pro­fan wir­ken­de Din­ge wie eine aus­ge­wo­ge­ne Straf­pro­zess­ord­nung – das gan­ze Straf­recht dreht sich letzt­lich um die­se „Staat gegen Bürger”-Situation.

Ich bin als Bür­ger einer­seits dem Staat bzw. der Gesell­schaft gegen­über ver­pflich­tet, grund­le­gen­de Regeln ein­zu­hal­ten. Ich muss aber ande­rer­seits die Mög­lich­keit haben, die­se Regeln zu kri­ti­sie­ren und zu hin­ter­fra­gen. Ins­be­son­de­re muss ich mich sogar als „letz­te Mög­lich­keit” über die gel­ten­den Regeln hin­weg­set­zen kön­nen, wenn ich aus­rei­chen­de Grün­de dafür habe. Das deut­sche Grund­ge­setz erlaubt dies im Rah­men des Wider­stands­rechts (Arti­kel 20 GG, Absatz (4)) explizit.

Edward Snow­den hat nach allem, was wir wis­sen, klas­si­sches „Whist­le­b­lo­wing” prak­ti­ziert. Er hat als Insi­der eigent­lich ver­trau­li­che Infor­ma­tio­nen an die Öffent­lich­keit gebracht und sich bei die­sem Regel­bruch auf sein Gewis­sen beru­fen. Ange­sichts der – in der Logik des Sys­tems zwangs­läu­fi­gen – umfas­sen­den Geheim­hal­tung des gesam­te Pro­jekts hat­te er auch gar kei­ne ande­re Mög­lich­keit als hier die Regeln zu brechen.

Whist­le­b­lo­wing hat, wie ich fin­de, viel von einer Art „gewalt­frei­er Not­wehr”. Nun ist Not­wehr auch ein hei­ßes Pflas­ter, aber einem mäch­ti­gen, regel­ge­ben­den Sys­tem (wie dem Staat oder Fir­men) kann unter gewis­sen Umstän­den nur wirk­sam ent­ge­gen­ge­tre­ten wer­den, wenn man eben­die­se sei­ne Regeln über­schrei­tet. In einem plu­ra­lis­ti­schen Staat muss dies mög­lich sein. Natür­lich nicht als Frei­brief, aber bei der Bewer­tung von sol­chen geziel­ten und fol­gen­rei­chen Indis­kre­tio­nen muss die­ser Aspekt mei­nes Erach­tens gro­ßen Ein­fluss auf die Gesamt­be­wer­tung haben, bei­spiels­wei­se in einem Strafverfahren.

Nach all die­sen Über­le­gun­gen soll­te eini­ger­ma­ßen klar sein, war­um ich die Posi­tio­nen der Pira­ten­par­tei zum The­ma „Whist­le­b­lo­wing” für rich­tig und für wich­tig hal­te. Whist­le­b­lower müs­sen vom Staat geschützt und nicht ver­folgt wer­den. Poli­ti­sches Asyl für Edward Snow­den – das wäre mal ein Signal an die Welt­öf­fent­lich­keit. Ein Signal, dass der US-ame­ri­ka­ni­sche Ter­ro­ris­mus­ter­ror nicht die ein­zig mög­li­che Reak­ti­on auf emp­fun­de­ne Angrif­fe auf die eige­ne Frei­heit ist, son­dern dass die „west­li­che Welt” zu ihren frei­heit­li­chen Grund­prin­zi­pi­en steht.

Lei­der wird dies wohl auf abseh­ba­re Zeit nur ein from­mer Wunsch bleiben.

In einem drit­ten Teil wer­de ich mich in den nächs­ten Tagen noch­mal mit Prism und der deut­schen Poli­tik beschäftigen.

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